Hersfeld
[* 1] (Herholfsfeld, Herocampia), ehemalige Benediktinerabtei und nachheriges Reichsfürstentum
von 450 qkm (8 QM.), wurde als
Abtei 769 gegründet (der heil.
Lullus,
Erzbischof von
Mainz,
[* 2] war der erste
Abt) und von
Karl d. Gr.
reich dotiert.
Schon unter
Lullus wurde die
Abtei unmittelbar dem
Papst unterstellt und erhielt freie Abtswahl. Unter dem
Abt
Hagano (936-959) erhielt Hersfeld
das
Münzrecht, und unter Gozbert (970-985) wurde die dortige ehemals sehr
berühmte
Bibliothek gegründet.
Unter den fränkischen Kaisern geriet die Abtei in ziemliche Dürftigkeit, dagegen gelangte sie unter den Hohenstaufen wieder zu bedeutender Blüte. [* 3] Sie erwarb ein bedeutendes Gebiet, über welches die Vogtei teils den Landgrafen von Thüringen, teils den Herren von Münzenberg (im Oberrheingau) zustand. Eine vorübergehende Vereinigung (1513-15) mit der Abtei Fulda [* 4] führte zu vielen Verwirrungen und zum Verlust der wertvollsten Handschriften der Bibliothek.
Nachdem das
Stift bereits 1525 dem
Landgrafen
Philipp von
Hessen
[* 5] hatte huldigen müssen, erhielt es nach dem
Tode des letzten
Abtes,
Joachim (1606),
Glieder
[* 6] des hessischen Fürstenhauses zu
Administratoren, bis es im
Westfälischen
Frieden 1648 förmlich säkularisiert und als weltliches
Fürstentum definitiv an
Hessen-Kassel abgetreten wurde. 1807-1814
bildete Hersfeld
einen
Distrikt des westfälischen
Departements
Werra, und nachdem 1815 das
Amt Frauensee davon an
Weimar
[* 7] abgetreten
worden war, wurde es eine hessische
Provinz, später ein Teil der
Provinz
Fulda u. kam 1866 mit
Kurhessen
an
Preußen.
[* 8]
Die Stadt Hersfeld
, ehemals Hauptort des
Fürstentums, jetzt Kreisstadt im preuß. Regierungsbezirk
Kassel,
[* 9] am Einfluß der
Geis und
Haun in die
Fulda und an der
Linie
Frankfurt
[* 10] a.
M.-Göttingen der Preußischen Staatsbahn, 214 m ü. M., hat ein
Amtsgericht, eine
um 1320 erbaute schöne gotische
Pfarrkirche mit Resten von
Glasmalereien und hohem
Turm,
[* 11] ein altertümliches
Rathaus,
Ruinen der 1761 von den
Franzosen verwüsteten romanischen Stiftskirche, 3 Oberförstereien, ein
Gymnasium mit
Realprogymnasium,
bedeutende
Gerberei und Lederfa-
[* 1]
^[Abb.:
Wappen
[* 12] von Hersfeld.]
¶
mehr
brikation, Maschinen-, Tuch- und Zigarrenfabriken, Bierbrauerei
[* 14] und (1885) mit Garnison (ein Füsilierbataillon Nr. 32) 7271 meist
evang. Einwohner. - Die Geschichte der Stadt Hersfeld
, welche in der ersten Hälfte
des 12. Jahrh. Stadtrecht erhielt, ist mit der des Stifts aufs engste verbunden, obgleich die Bürger sich bereits im 13. und 14. Jahrh.
von der Herrschaft der Äbte fast befreit hatten und um 1370 in den Schutz der hessischen Landgrafen getreten waren. Im Bauernkrieg
von den Bauern genommen, ward Hersfeld
vom Landgrafen wieder befreit.
Nachdem die Reformation hier Eingang gefunden, nahm 1628 der Abt von Fulda die Stadt, die jedoch von den
Schweden
[* 15] bald wieder erobert ward und dann nebst der Abtei an Hessen kam. 1806 entging Hersfeld
, das wegen der Tötung einiger französischer
Soldaten auf Napoleons Befehl niedergebrannt werden sollte, nur durch die Milde des Gouverneurs Lagrange und des badischen Majors
Lingg v.
Lingenfeld der Verwüstung. Zum Andenken an den Gründer des Stifts Hersfeld
wird alljährlich am 16. Okt. ein
Volksfest, der Lullusmarkt, gefeiert.