Hekate
[* 2] (griech., »die Fernhinwirkende«),
ein mystisches, gewaltiges Götterwesen, das aber
Homer noch nicht nennt, und dessen Kult vielleicht von
Thrakien und
Thessalien
nach dem eigentlichen
Griechenland
[* 3] kam. Für Verbreitung desselben haben besonders die orphischen Dichter
mit
Eifer gewirkt. Durch deren Einfluß wurde Hekate
, ursprünglich wahrscheinlich eine
Mondgöttin, angesehen als eine in allen
Reichen der
Natur, im
Himmel,
[* 4] auf der
Erde und in der
Unterwelt, mächtig wirkende
Gottheit, welche von
Zeus
[* 5] und den übrigen
Göttern
hoch verehrt ward und den
Menschen vielfachen
Segen gewährte.
Als solche wurde sie mit andern Gottheiten vermengt, so mit Selene, [* 6] mit Artemis, [* 7] besonders mit den mystischen Göttinnen Demeter, [* 8] Persephone, [* 9] Rhea, [* 10] Kybele. [* 11] In den Mysterien der Demeter und der Persephone wurde sie als Gefährtin beider gefeiert und hatte an manchen Orten, z. B. zu Ägina, sogar ihren Geheimkult. Sie verlieh Weisheit in den Volksversammlungen und auf dem Richterstuhl, Glück und Sieg im Krieg und in den Wettkämpfen, glückliche Seefahrt und beutereiche Jagd, Reichtum der Herde und den Segen blühender Kinder. Zu Eltern gab man ihr den Titanen Perses oder Persäos und die Asteria, eine Schwester der Leto; indessen finden sich über ihre Abstammung auch andre Angaben.
Ihr Beiname, »die Dreigestaltige«, bezog sich wohl ursprünglich auf die drei Phasen der Erscheinung des Mondes und wurde erst später auf das ihr beigelegte Wirken in den drei Reichen der Natur bezogen. Aus der Mondgöttin wird die Göttin der Nacht, des Dunkels, der Unterwelt, und damit hängt ihr gespenstisches Wesen zusammen. Sie schickt Spukgestalten aus der Unterwelt herauf, wie die Empusa (s. d.) und die Lamien (s. d.), und schwärmt selbst nachts mit den Seelen der Verstorbenen an Kreuzwegen (daher Trivia) und Grabstätten umher.
Zugleich ist sie die
Göttin alles Zaubers und die Patronin der Zauberer und Zauberinnen, welche in stillen
Mondnächten die durch das Mondlicht der Hekate
mit Zauber erfüllten
Kräuter im
Gebirge aufsuchen und durch ihre
Gunst und
Hilfe
ihren Zauber üben. Die großen Zauberinnen des
Altertums, wie
Kirke und
Medea, haben von Hekate
ihre
Kunst gelernt und heißen ihre
Dienerinnen; aller Wust des
Aberglaubens der spätern griechischen und römischen Zeit fand seine Trägerin
in Hekate.
- Abgebildet wurde Hekate
in der
Regel dreigestaltig; auf dem pergamenischen Altarfries
(Berlin)
[* 12] findet sie sich aber
¶
mehr
auch mit einem Körper, drei Köpfen und drei Händepaaren. Die gewöhnliche Auffassung teilt sich zweifach: in der ältern Zeit sind die Figuren mit langen, auf dem Boden ruhenden Fackeln, Früchten, Schale und Hund ausgestattet;
die jüngere Gruppe hat als Attribute kurze Fackeln, Schwert, Dolch, [* 14] Strick, Schlüssel und Schlange. [* 15]
Eine hübsche Bronzestatuette
dieser Art enthält das kapitolinische Museum in Rom
[* 16] (s. Abbildung). An ihren Lieblingsplätzen, den Dreiwegen, sowie auch
vor und in den Häusern stellte man ihr Säulen
[* 17] (Hekate
säulen) oder Pfeiler auf, damit sie das Haus und den Wanderer vor Unglück
beschütze. Diese sind meist mit drei Köpfen besetzt und zeigen in Relief am untern Rande drei tanzende
Frauen (Chariten).
[* 18] Am meisten sind Denkmäler aus Athen
[* 19] bekannt; hier stand auch die Gruppe des Alkamenes. Geopfert wurden der
Hekate
junge Hunde,
[* 20] Honig und insbesondere schwarze Lämmer.
Vgl. Schömann, De Hecate Hesiodea (Greifsw. 1851);
E. Petersen, Die dreigestaltige
Hekate
(in den »Archäologisch-epigraphischen Mitteilungen
aus Österreich«,
[* 21] Bd. 4 u.
5, Wien
[* 22] 1880-82).