Titel
Hautflügler
[* 2]
(Aderflügler, Hymenoptera, hierzu Tafel »Hautflügler«
),
Ordnung der
Insekten,
[* 3] umfaßt
Kerbtiere mit beißenden
Mundteilen, unbeweglichem Prothorax, vierhäutigen, wenig geäderten
Flügeln und vollkommener
Metamorphose. Der
Körper ist
in der
Regel langgestreckt, der
Kopf auf dem
Rumpfe frei beweglich. Der
Hinterleib ist meist vorn ganz schmal
und sitzt mit diesem sogen. Stiel der
Brust an.
Beim weiblichen
Geschlecht endet er mit einem gewöhnlich eingezogenen Legestachel
oder Giftstachel, welcher aus einer äußern sogenannten Stachelrinne, zwei Stachelscheiden und ebenso vielen Stechborsten
zusammengesetzt ist (s.
Bienen,
[* 1]
Fig. 2). An den
Fühlern der Hautflügler
unterscheidet man meist ein großes Basalglied
und 11-12 kürzere
Glieder.
[* 4]
Die Mundwerkzeuge (s. Abbild.) sind beißend und zugleich leckend, Oberlippe und Oberkiefer (Mandibeln) wie bei den Käfern und Geradflüglern gebildet, Unterkiefer (Maxillen) u. Unterlippe dagegen verlängert, zum Lecken eingerichtet, in der Ruhe häufig knieförmig umgelegt. Bei den Bienen kann ein Teil der Unterlippe, die sogen. Zunge, die Form eines Saugrüssels annehmen. Die Flügel sind durchsichtig, die vordern beträchtlich größer als die hintern, an deren Außenrand kleine, übergreifende Häkchen entspringen, die sich an dem untern Rande der Vorderflügel befestigen, so daß für den Flug eine größere, einheitliche Fläche zu stande kommt.
Doch fehlen auch wohl die
Flügel einem der beiden
Geschlechter oder bei gesellig lebenden Hautflüglern
den Arbeitern. Die
sehr frei beweglichen
Beine besitzen fünfgliederige, meist verbreiterte Tarsen. Die Netzaugen sind meist von beträchtlicher
Größe und stoßen beim männlichen
Geschlecht fast zusammen; allgemein finden sich drei Einzelaugen
(Ocellen).
Das
Nervensystem besteht aus einem meist sehr komplizierten
Gehirn
[* 5] und einem Bauchstrang mit 7-10
Ganglien.
Der Darm [* 6] ist gewöhnlich sehr lang, die Anzahl der Nierenschläuche (Malpighischen Gefäße) groß. Dem ausdauernden Flugvermögen entsprechend, sind die Tracheen [* 7] sehr entwickelt; ihre Längsstämme bilden blasige Erweiterungen. Wo ein Giftstachel auftritt, sind fadenförmige oder verästelte Giftdrüsen und eine Giftblase vorhanden. Die Larven sind meist fußlos und leben entweder parasitisch im Leib von Insekten oder Pflanzen, oder in Bruträumen sowohl von pflanzlichen als von tierischen Stoffen. Nur die den Schmetterlingsraupen ähnlichen Larven der Blatt- und Holzwespen [* 8] haben außer den 3 Paar Brustbeinen 6-8 Paar Hinterleibsbeine und leben selbständig von Blättern oder Holz. [* 9] Die in Bruträumen (Zellen)
[* 1] ^[Abb.: Mundteile der Biene [* 10] (Anthophora retusa). a Antennen, [* 11] b Occilen (Nebenaugen), c Mandibel (Oberkiefer), d Maxime (Unterkiefer) mit dem Taster t, e Zunge, f Nebenzunge, beides Teile des Labiums (Unterlippe), g Lippentaster.] ¶
Birken-Knopfhornwespe (Cimbex betulae). (Art. Blattwespen.)
Weibchen und geöffneter Puppenkokon. Nat. Gr.
Männchen 3/1.
Gallapfelwespe (Cynips scutellaris). (Art. Gallwespen.)
Gespaltener Gallapfel, mit der Larvenkammer im Mittelpunkt.
Weibchen. 2/1.
Kiefern-Kammhornwespe (Lophyrus pini). (Art. Blattwespen.)
Weibchen 3/2.
Larven, Männchen und Tönnchen. Nat. Gr.
Honigbiene (Apis [* 13] mellifica). Nat. Gr. Zugehörige Vorderansicht des Kopfes, vergr. über jeder der drei Formen. (Art. Bienen.)
Arbeiterin.
Gemeine Holzwespe (Sirex juvencus). Nat. Gr. (Art. Holzwespen.)
Eierlegendes Weibchen.
Hornisse (Vespa crabro). Nat. Gr. (Art. Wespen.)
Kiefernspinner-Sichelwespe (Anomalon circumflexum). Nat. Gr. (Art. Schlupfwespen.)
Erdhummel (Bombus terrestris) nebst dem teilweise aufgedeckten Nest. Nat. Gr. (Art. Hummel.)
Nest u. Weibchen der Mauer-Lehmwespe (Odynerus parietum). Nat. Gr. (Art. Wespen.)
Goldwespe (Chrysis ignita). Nat. Gr. (Art. Goldwespen.)
Nest und Weibchen der franz. Papierwespe (Polistes gallica). Nat. Gr. (Art. Wespen.)
Microgaster nemorum und seine Larven, aus der Raupe des Kieferspinners hervordringend. Nat. Gr. (Art. Schlupfwespen.)
Männchen 5/1.
Ephialtes imperator. Nat. Gr. (Art. Schlupfwespen.)
Männchen und eierlegendes Weibchen.
Rote Waldameise (Formica rufa). (Art. Ameisen.)
Puppe. 2/1.
Männchen. Nat. Gr.
Puppenkokon (sog. Ameisenei). Nat. Gr.
Arbeiter. 2/1.
Larve. 3/1.
Weibchen. Nat. Gr.
Rosen-Gallwespe (Rhodites rosae) mit Galle. (Art. Gallwespen.)
Weibchen 4/1.
Galle (Rosenschwamm). Nat. Gr.
Zum Artikel »Hautflügler«. ¶
mehr
aufwachsenden Larven der Bienen, Wespen etc. werden zum Teil während des Heranwachsens gefüttert. Ihr sackartiger Magen
[* 15] endigt
blind und kommuniziert nicht mit dem Enddarm, so daß eine Absonderung von Exkrementen im Larvenzustand nicht stattfindet.
Zur Verpuppung spinnt die große Mehrzahl der Larven einen meist seidenartigen Kokon, die Puppe aber gleicht
ganz derjenigen der Käfer.
[* 16] - Die äußerlich meist unscheinbaren und oft winzigen Hautflügler
zeigen in ihrer Lebensweise die merkwürdigsten
Erscheinungen und besonders eine hohe Entwickelung der intellektuellen Fähigkeiten.
Sehr verschieden äußert sich namentlich die Sorge für die Brut. Die meisten Weibchen suchen nur passende Orte zum Ablegen der Eier: [* 17] die Gallwespen durchbrechen die Oberhaut bestimmter Pflanzen und bringen das Ei [* 18] in das innere Gewebe [* 19] derselben;
die Schlupfwespen stechen die Haut [* 20] andrer Insekten an und legen die Eier in deren Leibesraum;
andre legen die Eier
in die Zellen von Bienen, Wespen, Hummeln, wo die ausschlüpfenden Larven entweder von den Bewohnern der Zellen
oder von dem darin angehäuften Proviant leben. In vielen Fällen bauen die weiblichen Hautflügler
Wohnungen für ihre Brut in Erde, Holz
etc. und zwar für jedes Ei eine Zelle,
[* 21] welche mit tierischen oder pflanzlichen Stoffen als Lebensmitteln für die Larven gefüllt
wird.
Die aus letztern hervorgegangene neue Generation zerstreut sich aber bei einigen Arten nicht, sondern gründet gemeinsame Galerien und größere Wohnungen, und diese Arten bilden offenbar den Übergang zu jenen, welche in Gesellschaften mit einer auf Arbeitsteilung gegründeten staatlichen Einrichtung leben, wie Ameisen, zahlreiche Wespen, Hummeln und Honigbienen. Bei diesen reduziert sich die Zahl der eierlegenden Weibchen; dagegen sind geschlechtlich verkümmerte Weibchen (Arbeiter) vorhanden, welchen der Bau der Wohnungen, die Verteidigung, die Herbeischaffung von Nahrungsmaterial etc. obliegen. Die Arbeiter sind meist geflügelt, mit verkümmerten Geschlechts- und Begattungsorganen versehen und bei den verschiedenen Arten mehr oder minder häufig fähig, unbefruchtete, zu Männchen sich entwickelnde Eier zu legen. (Vgl. wegen der Einzelheiten die Art. Bienen, Wespen etc.)
Die Zahl der bis jetzt bekannten, über die ganze Erde verbreiteten Hautflügler
beträgt etwa 15,000; doch ist dies jedenfalls nur
ein geringer Bruchteil der überhaupt existierenden. Man unterscheidet:
1) Hymenoptera terebrantia, Weibchen mit einem meist frei hervorragenden Legebohrer versehen; Hinterleib gestielt oder sitzend; Larven entweder raupenähnlich und pflanzenfressend (Phytophaga), oder fußlos und in pflanzliche Gewebe (Gallen) eingeschlossen (Gallicola), oder endlich in Larven andrer Insekten schmarotzend (Entomophaga). Hierher unter andern die Familien der Blattwespen (Tenthredinidae), Holzwespen (Uroceridae), Gallwespen (Cynipidae), Chalcidier (Chalcididae) u. Schlupfwespen (Ichneumonidae).
2) Hymenoptera aculeata, Weibchen (und Arbeiter) mit einem in den Hinterleib zurückziehbaren Giftstachel versehen; Männchen meist mit 13-, Weibchen mit 12gliederigen Fühlern; Hinterleib gestielt. Die Weibchen (oder Arbeiter) füttern meist ihre fuß- und afterlosen Larven selbst und bauen gewöhnlich für sie eigne Nester oder Zellen. Hierher unter andern die Familien der Grabwespen (Crabronidae), Wespen (Vespidae), Goldwespen (Chrysididae), Bienen (Apidae), zu welchen auch die Hummeln gehören, und Ameisen (Formicidae).
Vgl. Fabricius, Systema Piezatorum (Braunschw. 1804);
Lepelletier de Saint-Fargeau, Histoire naturelle des insectes.
Hyménoptères (Par. 1836-46, 4 Bde.);
Dahlbom, Hymenoptera europaea (Lund 1845);
Hartig, Die Aderflügler Deutschlands [* 22] (Berl. 1837);
Taschenberg, Die Hymenopteren Deutschlands (Leipz. 1866).