Handelsgeo
graphie
ist die Beschreibung der Erde als Schauplatz der Warenerzeugung und des Warenumsatzes; sie beansprucht daher einen sehr bedeutenden Teil des der Erdkunde [* 3] zugewiesenen Gebiets, denn indem sie sich mit den natürlichen Bedingungen der Produktion beschäftigt, hat sie die Lage und Konfiguration der Erdteile und Länder, ihre Bodenerhebung und Bodenbeschaffenheit, ihre Oro- und Hydrographie, ihr pflanzliches und tierisches Leben, also sämtliche von der Natur ihnen verliehene Eigenschaften ebenso in Betracht zu ziehen wie die Menschen, welche in den verschiedenen Teilen der Erdoberfläche wohnen, die sozialen und politischen Verhältnisse, welche bei ihnen herrschen, die Entwickelung ihrer Industrie und ihres Handels, nebst allen den zahlreichen Faktoren, durch welche dieselben gestützt und gefördert werden.
Bei der Warenerzeugung behandelt sie die Urproduktion wie die gewerbliche Thätigkeit der einzelnen Völker, bei dem Warenumsatz sämtliche Einrichtungen, durch welche derselbe vermittelt wird, also sowohl den Karawanen- und Eisenbahnverkehr des festen Landes als die Schiffahrt der Flüsse [* 4] und Meere, das Post- und Telegraphenwesen sowohl als die herrschenden Zoll- und Bankverhältnisse. Sie hat es daher besonders mit der die einzelnen Länder und Waren betreffenden Statistik zu thun, sie befaßt sich auch insofern mit der Geschichte, als dieselbe die kulturelle, industrielle und kommerzielle Entwickelung der Staaten und Völker behandelt, und zwar ist es die Aufgabe der alle vorhandenen Faktoren in ihrem kausalen Verhältnis zu einander darzustellen und, indem sie so das wirtschaftliche Leben der Völker vergleichend schildert, den praktischen Bedürfnissen der Industrie und des Handels des eignen Landes dadurch zu dienen, daß sie demselben die ¶
mehr
verschiedenen Teile der Erde als ebenso viele Absatz- oder Bezugsgebiete vorführt. Somit deckt die Bezeichnung Handelsgeo
graphie nicht ganz
den Begriff; die Bezeichnung wirtschaftliche Geographie ist in neuester Zeit mehr an ihre Stelle getreten, wie denn naturgemäß
die Handelsgeo
graphie zum nicht geringen Teil auf das Gebiet der Nationalökonomie hinübergreift. Es ist daher klar,
daß eine jede allgemeine oder spezielle Geographie auch die Fragen, welche die Handelsgeo
graphie insbesondere angehen, wird behandeln müssen,
daß die Handelsgeo
graphie sich nur auf ein engeres Feld beschränkt, dieses Feld aber intensiver ausbaut.
Das Bedürfnis nach Leitfäden, in welchen diese Richtung verfolgt wird, machte sich namentlich seit Errichtung von Handels- und Realschulen geltend. Gerade für diese ist eine Anzahl der nachstehenden Publikationen verfaßt. Als die wichtigsten erscheinen: K. Andree, Geographie des Welthandels (2. Aufl., Stuttg. 1877, 2 Bde.);
Glogau
[* 6] und Haushofer, Handelsgeo
graphie der europäischen Staaten (das. 1877, 2 Bde.);
die kleinern Lehrbücher von Büchele (das. 1869, 2 Bde.), Ruge (8. Aufl., Dresd. 1881), Egli (3. Aufl., Leipz. 1883), Deckert (Stuttg. 1882), Zehden (5. Aufl., Wien [* 7] 1886), Schiller (4. Aufl., das. 1885).
Vgl. ferner Kohl, Der Verkehr und die Ansiedelungen der Menschen in ihrer Abhängigkeit von der Gestaltung der Erdoberfläche (Dresd. u. Leipz. 1841);
Derselbe, Die natürlichen Lockmittel des Völkerverkehrs (Brem. 1878);
Scherzer, Statistisch-kommerzieller Teil der Reise der österreichischen Fregatte Novara um die Erde (2. Aufl., Leipz. 1867);