Guzerat
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Land, s. v. w. Gudscharat.
Guzerat
4 Wörter, 36 Zeichen
Guzerat,
Land, s. v. w. Gudscharat.
(Guzerat), großes Gebiet an der Nordwestküste von Vorderindien (s. Karte »Ostindien«) [* 3] zwischen 20° und 24° 45' nördl. Br. und 69-74° östl. L. v. Gr., besteht aus der Insel Katsch, der Halbinsel Kathiawar und dem daranstoßenden Festland, das im N. die Radschputanastaaten, im O. die Nordwestprovinzen und die Kollektorate Khandesch und Nasik der Präsidentschaft Bombay [* 4] begrenzen, ein Areal von 162,570 qkm (2952 QM.) mit (1881) 7,594,775 Einw., welche aber über das Gebiet sehr ungleich verteilt sind (in den Küstenlandschaften 108-193, im N. und O. nur 25-40 auf 1 qkm). Politisch zerfällt in zwei Gruppen: die Besitzungen indischer Vasallenfürsten und die britischen, zur Präsidentschaft Bombay gehörigen Distrikte.
Die erstern (Katsch, fast ganz Kathiawar, der größte Teil des Festlandes), vor 30 Jahren noch unter 217, jetzt nur noch 189 Herrscher verteilt, unter denen der Gaikawar von Baroda der bedeutendste ist, umfassen 163,262 qkm (2475 QM.) mit 4,737,044 Einw. und werden offiziell auf acht Gebiete verteilt: Katsch, Palampur, Mahi Kantha, Kathiawar, Rewa Kantha, Cambay, Narukot und Surate. Die britischen Besitzungen sind 26,308 qkm (478 QM.) groß mit 2,857,731 Einw. und umfassen die Distrikte Ahmedabad, Kaira, Pantsch Mehals, Barotsch und Surate.
Dazu kommen noch die kleinen portugiesischen Besitzungen Daman an der Küste von Surate und Diu an der Südspitze von Kathiawar. Die Halbinsel Kathiawar zeigt mit Katsch (s. d.) in der Richtung ihrer ozeanischen Küsten (von NW. nach SO.) wie in ihrem geologischen Aufbau große Verwandtschaft, doch ist sie höher; die Girberge im S. erheben sich zu 500 m, die Girnaberge im Zentrum erreichen 1067 m, beide sind mit dichten Waldungen bedeckt. Gegen N. senkt sich das Land, der 110 km breite Isthmus liegt höchstens 15 m ü. M. und wird noch dazu zum großen Teil von einem Salzsumpf eingenommen.
Das Festland wird durch den Mahifluß in zwei voneinander durchaus verschiedene Striche geteilt. Der nördliche ist eben, kahl, trocken und wird von oft wasserlosen Flüssen durchzogen, welche sich bis 20 m tiefe Rinnen gegraben haben, in denen während der Trockenzeit der ganze Verkehr der dann scheinbar ausgestorbenen Landschaft sich bewegt. Der südliche wird von den wasserreichen Flüssen Narbada und Tapti durchzogen, die in weiter Mündung sich in den Golf von Cambay ergießen, und von Hügelketten erfüllt und zeichnet sich durch fruchtbare Felder, prächtige Obstgärten, aber auch durch undurchdringliche Dickichte aus. Das Klima, [* 5] im N. äußerst heiß und trocken, wird im S. von Juli bis Oktober durch den Südwestmonsun gemäßigt, ist dort aber wegen der verderblichen Fieber Europäern sehr gefährlich.
Im ganzen ist Gudscharat eine der fruchtbarsten und auch am besten kultivierten Landschaften Indiens. In den Küstengegenden wird Reis, im N. Weizen, Gerste [* 6] u. a. gebaut; die Kultur des Zuckerrohrs breitet sich im S. aus. Berühmt ist Gudscharat durch seine Baumwolle, [* 7] die auf beiden Seiten des Golfs von Cambay in großem Maßstab [* 8] gebaut wird und, nach den Ortschaften ¶
benannt, als Surate, Dhollerah u. a. in den Handel kommt; Kokospalmen pflanzt man viel am Meeresufer. Von Mineralien [* 10] werden nur Eisenerze und im untern Thal [* 11] der Narbada Karneol gefunden. Von wilden Tieren kommen vor: der indische mähnenlose Löwe (nur auf der Halbinsel Kathiawar), ferner Königstiger, Leoparden, Panther, Hyänen, Luchse, Wölfe, Schakale, in den Ebenen des Mahi und Sabarmati Antilopen und Nylgaus, in der Nachbarschaft des Ran wilde Esel und Gazellen, im Gebirge Wildschweine und der indische Hirsch, [* 12] überall zahlloses Geflügel.
Die gewöhnlichen Haustiere sind: das etwas degenerierte Pferd [* 13] in Kathiawar, außerdem sehr schöne Büffel, Zebus und kleine, häßliche Esel. Die Hauptindustrie von Gudscharat war ehemals die Weberei [* 14] von feinen Musselinen und Baumwollzeugen, die aber durch die Einfuhr englischer Stoffe sehr geschädigt wurde; seit 1862 sind nun mit indischem Kapital mechanische Webereien in Barotsch, Surate und Ahmedabad errichtet worden. In Surate werden auch Seidenwaren, in Ahmedabad Teppiche angefertigt. An guten Straßen ist großer Mangel; eine Eisenbahnlinie durchzieht das Festland von N. nach S., von Ahmedabad geht eine Linie ostwärts, um darauf die Halbinsel Kathiawar nach verschiedenen Richtungen zu durchschneiden.
Die Bevölkerung [* 15] besteht zum größern Teil aus Hindu, zum kleinern aus Mohammedanern und Parsen. Unter den Hindu sind die Brahmanen zahlreich; die Radschputen nehmen in Kathiawar, die Marathen auf dem Festland eine hervorragende Stelle ein. Die kaufmännische Klasse der Banjanen ist in allen Handelsstädten vertreten. Die Sprache, [* 16] das Gudscharati, ist eine Tochtersprache des Sanskrits, mit einer sehr ausgedehnten Litteratur, in welcher viele Werke der altpersischen Religion auf uns gekommen sind, und in welcher 1818 die erste Zeitung, 1872 die Geschichte des deutsch-französischen Kriegs erschien.
Die Schrift ist dem Devanagari (s. d.) nachgebildet. Außerdem wohnen in Gudscharat noch zahlreiche halbwilde Stämme, von denen die Kol (s. d.) in Kathiawar die zahlreichsten sind; im nordöstlichen Gudscharat treffen wir die allerdings immer mehr zurückweichenden Bhil und andre Stämme. In Kathiawar waren früher die wandernden Horden im Innern ein Schrecken der seßhaften Bevölkerung; sie machten Raubzüge weit ins Festland hinein, während an der Südwestküste sich das Seeräubertum entwickelte, bis eine englische Expedition 1868 dem Unwesen dauernd ein Ende setzte.
Kathiawar hat mehrere durch ihre großartigen Tempelbauten sowie durch Industrie und Handel bedeutende Städte (Bhaunagar, Nawanagar, Dschunagarh). Der englische Aufsichtsagent sitzt aber in Radschkot im Innern der Halbinsel, mit (1881) 15,139 Einw., einer Militärstation (6013 Einw.) und einer höhern Schule (unter europäischen Lehrern), welche alle künftigen Regenten besuchen müssen. Auf dem Festland sind Ahmedabad, Surate, Barotsch, Cambay, Patan die wichtigsten Orte.
Arische Eroberer scheinen sehr früh nach Gudscharat gekommen zu sein; die Griechen nannten es Surachtrene und trieben Handel mit Barygaza, dem jetzigen Barotsch. Im J. 1294 wurde Gudscharat eine Provinz des mohammedanischen Kaiserreichs Dehli; von 1611 an gründeten Engländer, Portugiesen und Franzosen Faktoreien in Surate, Cambay, Barotsch, Gogo, Diu und Daman. Als sich der Gaikawar unabhängig machte, wurde er von den Engländern unterstützt, die sich aber 1802 dafür die Distrikte Surate, Barotsch, Ahmedabad und Kaira abtreten ließen und ihre Machtsphäre allmählich immer mehr erweiterten.