Guyenne
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Guyenne,
(spr. ghi-enn, Guyenne), alte Provinz Frankreichs, grenzte an Saintonge, Aunis, Angoumois, Limousin, Auvergne, Languedoc, Gascogne und das Atlantische Meer, umfaßte die Landschaften Agenais, Basadais, Bordelais, Périgord, Quercy und Rouergue mit zusammen 40,925 qkm (743 QM.) und bildet jetzt hauptsächlich die Departements Gironde, Dordogne, Lot, Aveyron, Lot-et-Garonne und Tarn-et-Garonne. Die Hauptstadt war Bordeaux. [* 3] - In Bezug auf die frühere Geschichte von Guienne bis zum 10. Jahrh. verweisen wir auf Aquitanien, von welchem Namen Guienne eine Verstümmelung ist, die im 10. Jahrh. aufkam. Die Herzöge von Guienne residierten meist in Bordeaux und hatten, obgleich ¶
Großbeamte der französischen Krone, sich doch von dieser fast ganz unabhängig gemacht. Auf Herzog Wilhelm II., Eisenarm, von Guienne, einen Zeitgenossen Hugo Capets, folgte sein Sohn Wilhelm III., der Große, der 1030 starb. Seine Tochter war die Kaiserin Agnes, die Mutter Heinrichs IV. Da sein Nachfolger Wilhelm IV. (gest. 1037) keine Kinder hinterließ, so folgte ihm sein Bruder Odo und, nachdem dieser im Kampf mit dem Grafen Gaufried von Anjou gefallen, der dritte Bruder, Peter, welcher den Namen Wilhelm V. annahm und 1045 in Poitiers starb.
Sein jüngster Bruder und Nachfolger, Veit Gottfried, der außer einem Teil von Guienne seit 1054 auch das Herzogtum Gascogne besaß, nahm den Namen Wilhelm VI. an und kämpfte siegreich gegen die Herren von Buzignan. Sein Sohn Wilhelm VII., der ihm 1087 folgte, nannte sich Herzog von Aquitanien und Graf von Toulouse, [* 5] welch letzteres Land er 1098 eroberte, aber 1100 wieder abtreten mußte; er starb 1127. Sein Sohn und Nachfolger Wilhelm VIII. unterstützte 1136 den Grafen Gottfried Plantagenet bei dessen Einfall in die Normandie und starb 1137. Da er keinen Sohn hinterließ, so erbte seine an König Ludwig VII. von Frankreich vermählte Tochter Eleonore das Land. Nachdem sich Ludwig VII. 1152 wegen ihres ausschweifenden Lebens und unter dem Vorwand zu naher Verwandtschaft von Eleonore hatte scheiden lassen, heiratete sie Heinrich Plantagenet, der 1154 König von England wurde, und so kam das Herzogtum an England.
König Heinrich trat 1169 das Herzogtum seinem Sohn Richard Löwenherz ab, der es durch Raoul von Faye verwalten ließ. Die Großen empörten sich gegen diesen, wurden aber von Richard bezwungen; derselbe bekriegte und eroberte 1186-88 auch Toulouse und La Rochelle und trat 1196 an seinen Neffen Otto von Braunschweig [* 6] ab. Letzterer verließ jedoch Guienne, als er 1198 zum deutschen König gewählt wurde, und Eleonore nahm das Land nach dem Tod ihres Sohns, des Königs Richard (1199), wieder in Besitz und behielt es bis zu ihrem Tod (1203). In dem Krieg Philipps IV. gegen Eduard I. von England eroberten die Franzosen Guienne, gaben es aber beim Frieden (1303) wieder an die Engländer zurück, denen es nun bis 1451 verblieb.
Damals ließ König Karl VII. von Frankreich nach der Eroberung der Normandie auch Guienne besetzen. Graf Talbot landete 1452 vergebens, um es wiederzuerobern; nachdem er 1453 bei dem Sturm auf das Lager [* 7] von Châtillon geblieben war, wurde die englische Armee geschlagen. Seitdem blieb Guienne bei Frankreich. Ludwig IX. überließ es 1469 seinem Bruder, dem Herzog von Berri, statt der Champagne und Brie. Nach dessen Tod (1472) fiel es an die Krone Frankreich zurück.
Vgl. Ducourneau, La Guienne historique et monumentale (Bordeaux 1842-45, 2 Bde.);
Ribadieu, Histoire de la conquête de la Guienne par les Français (das. 1866);
Brissaud, Les Anglais en Guienne (Par. 1875).