Titel
Griesinger
,
1) Jakob, genannt Jacobus Allemannus oder Jakob von Ulm, Glasmaler, wurde 1407 zu Ulm [* 2] geboren, ging als Soldat nach Italien, [* 3] trat um 1440 als Laienbruder in den Dominikanerorden zu Bologna und widmete sich dort der Glasmalerei. [* 4] Er starb 1491 daselbst. Von seinen Glasgemälden hat sich nur ein Fenster in San Petronio zu Bologna erhalten, dessen Stil ein Gemisch aus deutschem und italienischem Realismus ist. Er wurde im 19. Jahrh. selig gesprochen.
2) Theodor, Schriftsteller, geb. zu Kirnbach bei Hornberg im Schwarzwald, studierte in Tübingen [* 5] Theologie, war eine Zeitlang im geistlichen Amte thätig, widmete sich aber schließlich der Schriftstellerei. Er debütierte mit den beifällig aufgenommenen »Silhouetten aus Schwaben« (Heilbr. 1838; 4. Aufl., Stuttg. 1868),
redigierte 1839-41 die Zeitschrift »Der schwäbische Humorist« und trat dann in eine Buchhandlung ein, bis ihn die Wogen des Jahrs 1848 wieder an die Öffentlichkeit rissen. Er gründete das demokratische Blatt [* 6] »Die Volkswehr«, verfiel einem Hochverratsprozeß und mußte zwei Jahre in Untersuchungshaft auf dem Hohenasperg verbringen. Schließlich von den Geschwornen freigesprochen, wanderte er nach Nordamerika [* 7] aus, kehrte aber 1857 nach Stuttgart [* 8] zurück, wo er starb.
Von seinen Werken, die zum Teil dem historischen Roman angehören, sind die bedeutendsten: »Lebende Bilder aus Amerika« [* 9] (Stuttg. 1858);
»Emigrantengeschichten« (das. 1858, 2 Bde.);
»Die alte Brauerei, oder Kriminalmysterien aus New York« (Tuttl. 1859; neue Ausg., Leipz. 1873);
»Mysterien des Vatikans« (4. Aufl., Stuttg. 1865);
»Die Jesuiten« (das. 1866, 2 Bde.);
»Das Damenregiment an den verschiedenen Höfen Europas« (das. 1866-70, 4 Bde.);
»Württemberg, [* 10] nach seiner Vergangenheit und Gegenwart in Land und Leuten geschildert« (das. 1866) und »Zwölf Schicksalswege« (das. 1870, 3 Bde.).
3)
Wilhelm,
Mediziner, geb. zu
Stuttgart, studierte in
Tübingen, Zürich
[* 11] und
Paris,
[* 12] war 1839-41 Assistenzarzt
Zellers an der
Irrenheilanstalt Winnenthal in
Württemberg, machte 1841-42 wissenschaftliche
Reisen nach
Paris,
Belgien
[* 13] und
Wien
[* 14] und wurde 1843 Assistenzarzt
Wunderlichs an der
Tübinger
Klinik. 1847 ward er zum außerordentlichen
Professor ernannt, 1849 ging
er als ordentlicher
Professor der
Poliklinik und
Pathologie nach
Kiel,
[* 15] 1850 als Leibarzt des
Vizekönigs
Abbas Pascha,
Direktor
der medizinischen
Schule zu
Kasr el
Ain und
Präsident des
Conseil de santé für
Ägypten
[* 16] nach
Kairo,
[* 17] kehrte
aber 1852 nach
Europa
[* 18] zurück, veröffentlichte die
Resultate seiner
Studien über die
Krankheiten in
Ägypten und folgte 1854 einem
Ruf als
Professor der medizinischen
Klinik und
Pathologie nach
Tübingen. 1860 als
Professor der medizinischen
Klinik und
Pathologie
nach Zürich
berufen, errichtete er in dem alten Irrenhaus eine psychiatrische
Klinik und nahm an der Einrichtung
der neuen
Irrenanstalt teil.
Ostern 1865 folgte er einem
Ruf nach
Berlin
[* 19] als
Professor der
Poliklinik und
Psychiatrie und dirigierender
Arzt an der
Charitee in den Abteilungen für
Gemüts- und
Nervenkrankheiten. Er starb Griesingers
Bedeutung
liegt auf dem Gebiet der
Geisteskrankheiten, für welche er in seiner
»Pathologie und
Therapie der psychischen
Krankheiten« (Stuttg.
1845; 4. Aufl., Braunschw. 1876) zum erstenmal eine wirklich wissenschaftliche
Darstellung des Gesamtmaterials gab. Er führte das sogen. No-restraint-System durch und
machte auch weitgehende
Vorschläge für die
Reform des Irrenanstalts- und Verpflegungswesens, welche einen
jahrelangen Streit hervorriefen,
dem er erst durch den
Tod entzogen wurde. Für
Virchows »Handbuch der speziellen
Pathologie
und
Therapie« schrieb er die »Infektionskrankheiten« (2. Aufl.,
Erlang. 1864),
und seit 1867 gab er ein »Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten« (Berl.) heraus. Nach seinem Tod erschienen noch »Gesammelte Abhandlungen« (Berl. 1872, 2 Bde.).
Vgl.
Wunderlich, W. Griesinger
Biographische
Skizze (Leipz. 1869).