Titel
Gratianus
,
1) römischer
Kaiser, ältester Sohn des
Kaisers
Valentinianus I., wurde als neunjähriger
Knabe 367 von seinem
Vater zum
Augustus ernannt und folgte diesem in der Herrschaft über die westliche Hälfte des
Reichs 375. Er überließ seinem
Bruder
Valentinianus II.
Italien,
[* 2] während er selbst die schwierige Herrschaft über die
Länder jenseit
der
Alpen
[* 3] übernahm, und erfocht 378 einen großen
Sieg über die
Alemannen in der Gegend des heutigen
Kolmar,
[* 4] während in demselben
Jahr der oströmische
Kaiser
Valens durch die
Schlacht bei
Adrianopel gegen die
Goten
Sieg und
Leben verlor. Da sich Gratianus
nicht stark
genug fühlte, den drohenden Andrang der
Barbaren im
Osten abzuwehren, überließ er die
Regierung desselben
nebst dem
Purpur und Augustustitel dem kräftigen
Theodosius (s. d.). Anfangs durch
Milde und
Tapferkeit bei allen
Ständen populär,
entfremdete er sich das
Volk bald wieder durch seine Unthätigkeit als
Regent und verscherzte die
Gunst der
Soldaten durch Bevorzugung
einer
Schar von
Alanen und durch Anlegung der skythischen Kriegertracht. Als daher
Maximus in
Britannien
die
Fahne der Empörung erhob und von da mit einem
Heer nach
Gallien, wo sich Gratianus
aufhielt, übersetzte, fiel ihm alles zu; Gratianus floh
mit einer
Bedeckung von 300
Reitern und wurde auf der
Flucht in
Lyon
[* 5] von Andragathius, dem Oberbefehlshaber
der
Reiterei des
Maximus, ereilt und erschlagen (25. Aug. 383).
2) Gegenkaiser des Honorius, wurde von den meuterischen römischen Truppen in Britannien 407 mit dem Purpur bekleidet, aber schon nach vier Monaten ermordet.
3) Begründer des kanonischen Rechts, geboren zu Chiusi in Toscana, Benediktinermönch in Bologna, wo er im Kloster von San Felice starb, vollendete um 1150 die nach ihm benannte Sammlung kirchenrechtlicher Vorschriften (»Decretum Gratiani«),
welche gesetzliches Ansehen erlangte. Vgl. Corpus juris.