Titel
Granvelle
(spr.
grangw-, Granvella), 1) Nicolas Perrenot,
Herr von, geb. 1484, stammte aus
Ornans
in der
Nähe von
Besançon
[* 2] in der
Franche-Comté. Ein praktisch geübter
Jurist, folgte er 1519 seinem
Lehrer Mercurino Gattinara,
als derselbe in den
Staatsdienst der
Niederlande
[* 3] eintrat. Der Herzogin
Margarete, der
Tante
Karls V. und Statthalterin der
Niederlande,
diente er als
Sekretär
[* 4] und zeichnete sich aus bei der Redaktion des
Vertrags von
Madrid
[* 5] 1526, und nach
Gattinaras
Tod 1530 trat in die einflußreiche
Stelle desselben ein. Er war einer der
Staatssekretäre des
Kaisers und
Siegelbewahrer
von
Neapel
[* 6] und
Sizilien;
[* 7] das Hauptfeld seiner Thätigkeit aber war
Deutschland.
[* 8] Bei allen Regierungsmaßregeln von 1530 bis 1550 war
er beteiligt. An den großen Erfolgen
Karls V. 1547 und 1548 ist man berechtigt Granvelle
das wesentlichste
Verdienst zuzuschreiben.
Er war umsichtig, weitblickend, vorsichtig und maßhaltend, ein
Diplomat ersten
Ranges. Während des
Reichstags zu
Augsburg
[* 9] starb
er.
2) Antoine Perrenot de, ältester Sohn des vorigen, geb. zu Besançon, studierte in Padua [* 10] unter dem berühmten Bembo Jurisprudenz, dann in Löwen [* 11] Theologie und wurde sodann von seinem Vater in den politischen Geschäftskreis eingeführt. In seinem 23. Jahr zum Bischof von Arras [* 12] ernannt, wohnte er den Reichstagen zu Worms [* 13] und Regensburg [* 14] bei, hielt bei der Eröffnung des Tridentiner Konzils eine elegante Rede und diente 1545-50 bei vielen Gelegenheiten dem Kaiser als Unterhändler unter der Leitung seines Vaters. Er erwarb sich dabei geschäftliche Gewandtheit und Kenntnis der europäischen Politik. So wurde er 1550 an seines Vaters Stelle Staatssekretär des Kaisers.
Als solcher hatte er nicht das
Glück seines
Vaters, wohl auch nicht die Sicherheit und den
Takt desselben
in schwierigen
Lagen. Als die
Regierung von
Karl V. auf
Philipp II. überging, blieb Granvelle
im
Staatsrat des spanischen
Königs; doch
war er nicht mehr der eigentliche tonangebende
Leiter der spanischen
Politik. Er führte die
Verhandlungen zwischen
Spanien
[* 15] und
Frankreich, die 1559 zum
Frieden zu
Cateau-Cambrésis führten. In demselben Jahr trat er der Statthalterin der
Niederlande,
Margarete von
Parma,
[* 16] als
Minister zur Seite und ward vom König zum
Erzbischof von
Mecheln,
[* 17] vom
Papst
Pius IV. zum
Kardinal ernannt.
Doch wurde er als Fremdling bald der Gegenstand des
Hasses der Niederländer; welche ihm alle strengen
Maßregeln zur
Last legten, während er bei
Philipp verdächtigt wurde, daß seine
Haltung die Fortschritte der neuen
Lehre
[* 18] fördere.
Die steigende
Opposition der Niederländer gegen Granvelle
und eine persönliche
Verstimmung der Statthalterin
Margarete bewogen den
König, 1564 ihn aus den
Niederlanden abzuberufen. Granvelle
begab sich nach
Besançon und lebte daselbst seinen
Studien und im
Umgang mit
Gelehrten und Künstlern; wenige Jahre nachher schickte ihn
Philipp nach
Rom,
[* 19] um im Kardinalskollegium
und in der unmittelbaren Umgebung des
Papstes die
Interessen
Spaniens zu vertreten. Von
Rom ging Granvelle
kurze Zeit als
Vizekönig
nach
Neapel und wurde endlich 1575 mit dem
Titel eines
Präsidenten des höchsten
Rats von
Italien
[* 20] nach
Madrid
in den
Staatsrat berufen. Er verhandelte noch die Vereinigung
Portugals mit
Spanien (1580), brachte die
Verbindung der Infantin
Katharina mit dem
Herzog von
Savoyen zu stande (1584) und starb in
Madrid. Seine
Briefe und
Memoiren
liegen im
Archiv zu
Besançon.
¶
mehr
Mitteilungen daraus machte Prosper Levesque in »Mémoires pour servir à l'histoire du cardinal Granvelle«
(Par. 1753); der
größte Teil ist herausgegeben von Weiß: »Papiers d'État du cardinal de Granvelle«
(das. 1842-61, 9 Bde.);
eine Fortsetzung gaben E. Poullet und Piot heraus (»Correspondance du cardinal
Granvelle
1565-86«, Brüss. 1878-84, Bd.
1-4). Vgl. Courchetet, Vie de Granvelle
(1761). - Von seinen Brüdern war der ältere, Thomas Perrenot, Graf von
Cante-Croix, geb. 1521, spanischer Gesandter in Paris
[* 22] und Wien
[* 23] und starb 1571; der andre, Friedrich Perrenot von Champagne, geb.
1536, wurde 1571 Gouverneur von Antwerpen,
[* 24] 1578-84 wegen Begünstigung des niederländischen Aufstandes in Haft
gehalten, starb 1600.