[* 2] (lat. Articulus), ein einzelner Teil desKörpers, besonders ein beweglicher äußerer Körperteil
im
Gegensatz von
Kopf oder
Rumpf, auch eine einzelne Abteilung eines solchen Körperteils, z. B.
Finger etc. Männliches Glied, s.
Rute.
Ferner eine Abteilung eines mechanisch verbundenen Ganzen, welches gegen andre freie Beweglichkeit hat, wie
Glieder
[* 3] einer
Kette, bei
Pflanzen das Mittelstück zwischen zwei
Gelenken; in der
Mathematik allgemeiner
Ausdruck für eine
Größe, die zwar als für sich abgeschlossene, aber mit andern in
Verbindung stehende betrachtet wird, z. B. Glied einer
Reihe;
in der
Logik ein einzelner Teil oder
Satz (Vorder-,
Mittel-, Hinterglied) eines
Syllogismus.
Militärisch ist Glied eine
Reihe nebeneinander stehender
Soldaten, geschlossen, wenn letztere mit
Fühlung,
geöffnet, wenn sie mit einem größern
Abstand stehen, wie dies z. B. bei Fechtübungen etc. nötig
ist; Gliederabstand ist der freie
Raum zwischen den hintereinander stehenden
Gliedern, bei Fußtruppen normalmäßig so groß,
daß bei ausgestrecktem
Arm der
Hintermann mit den Fingerspitzen die
Schulter des vordern berührt, bei
Reitern einSchritt;
Gliederfeuer, gliedweises
Feuer.
¶
mehr
In der Baukunst
[* 5] einzelne Teile, aus denen Bauverzierungen oder Gesimse zusammengesetzt werden. Hinsichtlich ihrer Bestimmung
sind Glieder tragende, wenn sie zur Unterstützung der darauf folgenden dienen, deckende, wenn sie einen Bauteil beendigen
und bekrönen, säumende, wenn sie einen Bauteil einfassen, trennende und verbindende, wenn sie bez.
die Absonderung und Verknüpfung der Hauptglieder untereinander bewirken. Hinsichtlich ihrer Größe oder
Höhe zerfallen sie in große, mittlere und kleine, hinsichtlich ihrer Form in gerade und gebogene. GeradeGlieder sind: die
Platte oder, wenn sie auf der untern Fläche eine Aushöhlung (Regenrinne) hat, Kranzleiste und der Riemen (Saum);
[* 2] (Articulus), ein einzelner, besonders beweglicher Teil des tierischen und menschlichen Körpers, namentlich die
beiden obern und untern Gliedmaßen oder Extremitäten, im Gegensatz zum Kopf und zum Rumpf, auch ein einzelner
Teil einer Gliedmaße, wie die Zehen, Finger u. s. w. Männliches Glied, s.
Geschlechtsorgane.
künstliches, auch Ersatzglied, Prothese, im allgemeinen jeder mechan. Apparat, der nach dem Verlust einer Extremität
die physiol. Funktionen des betreffenden Teils mehr oder minder vollkommen zu ersetzen vermag. Das Bestreben, derartig
Verstümmelten einen künstlichen Ersatz zu verschaffen, ist uralt. Schon im Altertum finden sich hierher gehörende Versuche
erwähnt; so berichtet z. B. Plinius von einem röm. Ritter Marcus Sergius, daß er sich als Ersatz für seine im zweiten Punischen Kriege
verlorene rechte Hand
[* 9] eine künstliche Hand von Eisen
[* 10] machen ließ, welche ihn vollkommen zu weiterm Kriegsdienst
befähigt haben soll. Am bekanntesten ist die 1505 durch einen Waffenschmied verfertigte und noch heute im Schloß Jagsthausen
gezeigte eiserne Hand des Ritters Götz von Berlichingen, die, vollkommen aus Stahl gefertigt und durch eine hohle Schiene am
Vorderarm befestigt, nicht nur durch Druck an einem Knopf im Handgelenk gebeugt, sondern auch mit
Hilfe der andern natürlichen Hand in allen Fingergelenken beliebig gebogen werden konnte, indem ein Stahlzapfen in ein in
jedem Gelenk befindliches gezahntes Rad einsprang und so das in der gegebenen Lage feststellte.
Durch Druck auf einen andern Knopf sprangen die Finger mittels einer Feder in die gestreckte Stellung
zurück. Da auch der Daumen einen ähnlichen sinnreichen Mechanismus besaß, so vermochte Götz sein Schwert vollkommen sicher
zu führen. Ähnliche, wenn auch minder kunstreiche Vorrichtungen trugen der Seeräuber Horuk (1511), der HerzogChristian von
Braunschweig
[* 11] (1622), der Soldat La Violette (1761) u. a. In der neuern Zeit ist die Anfertigung künstlicher
Gliedmaßen infolge der großen Fortschritte der Technik, der Einführung geeigneterer Materialien, wie des Kautschuks, des
Hartgummis, des Aluminiumsu. dgl., und infolge der fabrikmäßigen Herstellung, die besonders durch
den amerik. Bürgerkrieg angeregt wurde, zu hoher Vollkommenheit gediehen.
Ein künstliches Glied soll im allgemeinen so konstruiert sein, daß es die Amputationsnarbe nirgends
drückt und bei einem möglichst geringen Gewicht doch hinreichende Festigkeit,
[* 12] Einfachheit und Dauerhaftigkeit besitzt.
Ein jeder derartiger Apparat, so verschieden auch im übrigen seine Konstruktion sein
¶
mehr
mag, besteht aus drei Hauptbestandteilen, aus dem sog. Körper oder der Hülse,
[* 14] die im allgemeinen
die Form des verlorenen Glied nachahmt und genügend fest und dauerhaft sein muß, aus dem sog.
Mechanismus, der die einzelnen Hülsenteile miteinander verbindet und durch Scharniergelenke, Metallfedern,
[* 15] Kautschukstränge,
Darmsaitenu. dgl. gewisse Stellungsveränderungen vermittelt, und
aus den sog. Hilfsapparaten, denen die Befestigung des künstlichen Glied am Amputationsstumpfe
obliegt.
Hinsichtlich der untern Extremität galt lange Zeit der Stelzfuß für das beste Ersatzmittel, ein hinreichend starker hölzerner
Stiel, an dem eine Hülse befestigt ist, die zur Aufnahme des Amputationsstumpfes dient (s. beistehende
[* 2]
Fig. 1), und
in der That erlangen viele Verstümmelte eine ganz außerordentliche Fertigkeit und Geschicklichkeit im Gebrauche ihres Stelzfußes;
doch haben sich, ganz abgesehen von der Verunstaltung, die übermäßige Belastung des gesunden Fußes sowie die Notwendigkeit,
beim Gehen mit dem Stelzfuß abnorme Drehbewegungen vorzunehmen, und die bei jungen Individuen hieraus entspringende Gefahr
einer dauernden Verkrümmung der Wirbelsäule als schwerwiegende Nachteile herausgestellt.
Das erste brauchbare künstliche Bein fertigte Pott in Chelsea (1816) für den Marquis von Anglesey an, wobei er zuerst einen
besondern Mechanismus für die Beugung des
[* 16] Knie- und Fußgelenks anbrachte. Dieses in England sehr verbreitete Anglesey-PottscheBein besteht aus einem Lindenholzkörper mit Stahlscharniergelenk, wiegt 3,70 kg und kostet ungefähr 35 Pfd.
St. Die wichtigsten Verbesserungen sind: das Bein von Dr. Balmer in Amerika,
[* 17] das sich durch einen außerordentlich sinnreichen
und komplizierten Mechanismus auszeichnet, aber häufige Reparaturen erfordert (Preis 150 Doll.);
das Bein von William Selpho in Neuyork,
[* 18] von andern künstlichen Beinen durch zweckmäßige Anbringung einer
Fersensehne unterschieden (Preis 150 Doll.);
das Bein von Dr. Douglas Bly in Rochester, bei dem die Bewegungen nicht durch
Metallfedern, sondern durch komprimierten Kautschuk hervorgebracht werden und dessen Sprunggelenk aus einem freibeweglichen
Glaskugelgelenk besteht (Preis 175 Doll.);
das Bein von Prof. Esmarch mit sinnreichem Kniegelenkmechanismus, besonderer Federvorrichtung
für Beugung des Kniegelenks und Streckung des Fußgelenks und sehr freiem Zehenmechanismus (Preis 150 M.);
das Bein von dem
Amerikaner A. Marks, dessen aus Weichgummi bestehender Fuß mit dem Unterschenkel durch einen feststehenden Holzzapfen artikuliert
und keinen Zehenmechanismus hat
(Preis 100 Doll.) u. a.
Zur Veranschaulichung des innern Mechanismus von künstlichen Beinen diene
[* 2]
Fig. 2, einen Längsdurchschnitt
durch das Bein von Douglas Bly in Rochester darstellend. Das Fußgelenk C wird durch eine Kugel von gut poliertem Glas
[* 19] gebildet,
die in einer Höhlung von festem vulkanisiertem Kautschuk sich dreht und so jede Bewegung gestattet, welche das natürliche
Fußgelenk macht. l stellt eine von den vier Kautschukfedern dar, welche die Stelle der Muskeln
[* 20] des natürlichen
Beins vertreten und von starken Darmsaiten (D) durchbohrt werden, die sich nach abwärts an Stelle der natürlichen Sehnen erstrecken
und in ihrer Spannung durch Schraubenmuttern (F) erhalten und reguliert werden.
Ruht nun beim Gehen das Gewicht des Körpers auf der Kugel des Fußgelenks C, so ist die Kautschukfeder,
die den Wadenmuskel vertritt, stark zusammengedrückt, und wenn das Gewicht des Körpers nach vorn auf den andern Fuß geworfen
wird, so hebt sich die Feder und bringt den Fuß nach vorwärts. Auf die gleiche Weise werden die Bewegungen
des Kniegelenks durch die Kautschukfeder E und den Draht
[* 21] H, die Bewegungen der Zehen durch die Feder O vermittelt; beschränkt
und geregelt wird die Bewegung des Kniegelenks durch die Schnur A, die die Stelle der Kreuzbänder des natürlichen Kniegelenks
vertritt.
Äußerst schwierig ist der künstliche Ersatz der obern Extremität, da es hier gilt, eine Reihe sehr
zusammengesetzter und verwickelter Bewegungen zu ersetzen. Den ersten befriedigenden Apparat der Art stellte der Holländervan Peeterssen (1844) her, der ziemlich ausgiebige Fingerbewegungen dadurch ermöglichte, daß Darmsaiten, die mit dem einen
Ende an den künstlichen Fingergliedern, mit dem andern an einem Korsett befestigt sind, durch Verkürzung
bei verschiedenen Stellungen des Amputationsstumpfes einen Zug
ausüben und dadurch den Widerstand von Federn, die sonst die Finger
in beständiger Beugung erhalten, überwinden.
Am kunstvollsten ist der von Charrière verfertigte künstliche Arm des Tenoristen Roger in Paris,
[* 22] der durch einen ähnlichen
Mechanismus nicht nur jede beliebige Beugung und Streckung der Finger, des Handgelenks und des Vorderarms,
sondern auch durch Einschaltung einer rechtwinklig zur Achse des Arms stehenden festen Scheibe, an deren Rand die außerhalb
des Oberarms verlaufenden Saiten angreifen, ergiebige Drehbewegungen (Pronation und Supination) der Hand und des Vorderarms gestattet.
Weitere Vorrichtungen dieser Art rühren von
¶
mehr
GrafBeaufort, Béchard, Gremmel, Kolbe, Masters, Fichot u. a. her. Der Preis eines künstlichen Arms schwankt zwischen 100 und 225 M.
Das Äußere eines solchen stellt
[* 23]
Fig. 3 dar, in der a den Amputationsstumpf des Oberarms, b die Hülse für den Oberarm, c
das Scharniergelenk des Ellbogens, d die Hülse für den Vorderarm, e das drehbare Handgelenk, f die beweglichen
Fingerglieder und g die Hilfsapparate zur Befestigung des künstlichen Arms am Oberkörper darstellt. Bei allen Verstümmelten,
die schwere Arbeiten zu verrichten haben, muß die künstliche Hand zum Abnehmen eingerichtet sein, um je nach Bedarf an deren
Stelle einen starken eisernen Haken (zum Heben, Tragen und Fortschaffen von schweren Lasten) oder eine
federnde Greifzange (zum festen Greifen und leichtern Arbeiten) einhängen zu können.
Die Lehre
[* 24] von der Herstellung und Anwendung künstlicher Glied wird als Prothesis bezeichnet.
Litteratur. Mechel, Die eiserne Hand des Götz von Berlichingen (Berl. 1815, mit 4 Tafeln);
Fritze, Arthroplastik
oder die sämtlichen bisher bekannt gewordenen künstlichen Hände und Füße (Lemgo 1842, mit 26 Tafeln): Douglas Bly, Artificiallegs and arms.
Remarkable inventions (Rochester 1860);
E. Meier, Über künstliche Beine (Berl. 1871, mit 24 Holzschnitten);
A. Daul, A. A. Marks' künstliche Glieder mit Kautschukfüßen und -Händen (nach dem Amerikanischen, Philad.
1871);
O. Karpinski, Studien über künstliche Glieder, im Auftrag des königlich preuß. Kriegsministeriums bearbeitet (Berl.
1881, mit Atlas).
[* 25]
[* 2] (militär.), die Aufstellung einer Anzahl Fußgänger oder Reiter in einer Linie nebeneinander, sodaß die einzelnen
Leute sich einander berühren (Fühlung haben) oder nur ein geringer Zwischenraum (etwa Handbreite) zwischen den Nebenleuten
bleibt. Die Infanterie wird in zwei, die Kavallerie meist auch in zwei Gliedern rangiert. Die Entfernung zweier hintereinander
stehenden Glieder nennt man Gliederabstand; derselbe ist in den verschiedenen Armeen sehr verschieden. Bei der Infanterie schwankt
er zwischen 40 und 64 cm vom Rücken des Vorder- bis zur Brust des Hintermanns, vergrößert sich aber
bei Märschen und den ohne Tritt ausgeführten Bewegungen auf 80 cm. Bei der Kavallerie beträgt der Abstand vom Schwanze des
Vorder- bis zum Kopfe des Hinterpferdes 80–240 cm. In Bezug auf die im Laufe der Zeiten stetig abnehmende Gliederzahl s. Fechtart.
[* 26]