Das
Wort hat verschiedene Bedeutungen. Nach dem in der politischen
Ökonomie üblichsten Sprachgebrauch bezeichnet
es einerseits diejenige berufsmäßige Erwerbsthätigkeit; deren Gegenstand die Bearbeitung von
Rohstoffen
ist, um aus ihnen
Güter von höherm Wert herzustellen, anderseits den diese Thätigkeit umfassenden Produktionszweig der
Volkswirtschaft (Gewerbe im engern
Sinn). Das Gewerbe der
Volkswirtschaft in diesem
Sinn ist einer der großen Produktionszweige neben
der
Urproduktion
(Landwirtschaft,
Forstwirtschaft,
Bergbau,
[* 2]
Fischerei,
[* 3]
Jagd und andre Gewinnung roher Naturstoffe), dem
Handel, dem Transportwesen, den persönlichen Dienstleistungen. Es scheidet sich weiter in viele verschiedenartige
Produktions-
und Berufszweige, jeder derselben ist ein (ein Produktionszweig, in dem
Rohstoffe zu höhern
Werten be- oder verarbeitet werden).
In einem weitern
Sinn ist Gewerbe jede berufsmäßige Thätigkeit, sofern ihr
Zweck der
Erwerb ist; in diesem
Sinn spricht man von
Landwirtschafts-,
Handels-,
Preß-,
Schenk-, Versicherungsgewerbe, ja selbst von den gelehrten Gewerben der
Schriftsteller,
Lehrer,
Ärzte etc. Ein von beiden verschiedener Sprachgebrauch ist derjenige, welcher in den
Ländern deutscher
Zunge den meisten sogen.
Gewerbeordnungen des 19. Jahrh. zu
Grunde liegt und das
Wort als einen rein äußerlichen
Kollektivbegriff, der sich nicht definieren läßt, erfaßt; nach demselben umfaßt Gewerbe: 1) das in dem
erstgenannten
Sinn
(Handwerk,
Industrie), 2) den
Handel und das Transportwesen, 3) die
Versicherung, 4) die sonstige Erwerbsthätigkeit,
sofern sie nicht häuslicher Gesindedienst oder eine höhere Geistesthätigkeit ist, und sind davon nur ausgeschlossen: a)
die
Urproduktion, b) der häusliche Gesindedienst, c) der wissenschaftliche und künstlerische
Erwerb,
d) die Thätigkeit der Beamten.
Die
Gewerbestatistik der neuern Zeit nimmt das
WortGewerbe gewöhnlich auch in diesem ähnlichen weitern
Sinn. Die neueste Gewerbezählung
des
DeutschenReichs erstreckte sich auf 20 Gewerbegruppen:
20) Beherbergung und Erquickung. Von diesen 20
Gruppen gehören zum in dem ersten, engern
Sinn nur die
Gruppen 5-16 und ein
Teil der Gewerbeklassen in den
Gruppen 3, 4 und 20. Dieser verschiedene Sprachgebrauch ist unleugbar ein
Übelstand. Er hat in
Deutschland
[* 5] z. B. mit dazu beigetragen, daß, als es sich darum handelte, im
Interesse des Gewerbes im
engern
Sinn die frühern
Schranken des
Gewerbebetriebes zu beseitigen, und diese
Schranken mit
Recht fielen, die
Gewerbefreiheit
zugleich für andre Erwerbszweige, die in den
Gewerbeordnungen auch als Gewerbe angesehen wurden, eingeführt
ward, für welche sie nicht in gleichem
Maß am Platz war und deshalb später, nach schlechten
Erfahrungen, wieder eingeschränkt
werden mußte.
Wirtschaftliche Tätigkeit mit vorwiegend manueller oder mechanischer Arbeit. Das Gewerbe steht in der Mitte
zwischen Handwerk und Industrie. Aber der Begriff wird heute immer mehr erweitert, indem unter Gewerbe auch kaufmännische
Berufe verstanden werden.
im
weitesten Sinne jede menschliche geistige oder körperliche Beschäftigung, welche regelmäßig und zum
Zwecke des Erwerbes betrieben wird, jedoch mit Ausschluß der rein wissenschaftlichen (gelehrten) und rein künstlerischen
Berufe, der Berufe der öffentlichen Beamten, Geistlichen, Lehrer, Rechtsanwälte und geprüften Ärzte; aber
mit Einschluß des sog. Kunstgewerbes. In diesem Sinne spricht man auch von Handels-, Transportgewerben, von dem Gewerbe der Presse,
[* 6] von landwirtschaftlichen Gewerbe u. a., während man gewöhnlich die großen Gruppen
des stehenden Handelsbetriebes und der Landwirtschaft dem Gewerbe entgegensetzt. Dagegen versteht man unter Gewerbe im engern
Sinne diejenigen Arbeitsarten, welche die Be- und Verarbeitung von Rohstoffen zum Zwecke haben, also die sog. Veredlungsgewerbe,
welche man auch unter dem Namen Gewerbefleiß oder Industrie zusammenfaßt. Die in diesem Sinne gliedern sich in drei Arten:
Handwerk (s. d.), Hausindustrie (s. d.)
und Fabrik (s. d.).
Das Gewerbe entwickelt sich später als die Rohproduktion, welche schon eine höhere Stufe erreicht haben muß,
ehe das Gewerbe überhaupt anfängt. Dieses setzt einen höhern Grad von Arbeitsteilung, eine größere Dichtigkeit der Bevölkerung,
[* 7] ein gesteigertes Bedürfnismaß, eine größere Masse von Kapitalmitteln voraus, als jene. Im Gegensatz zu heute, wo die Standorte
der Produktion dahin verlegt werden, wo die natürlichen Bedingungen der Produktion am günstigsten sind,
mußte man ursprünglich das in den Mittelpunkten der Absatzgebiete beginnen, weil es an ausreichenden Kapitalien, namentlich
an guten Transportmitteln fehlte.
Daraus erklärt es sich, daß die Entwicklung des Gewerbe im spätern Mittelalter so eng mit dem Aufblühen des Städtewesens verwachsen
war. Vom 7. bis 11. Jahrh, war inDeutschland das Handwerk mit den Fronhöfen (s. d.) verbunden; die Handwerker
waren unfreies Gesinde, welches unter Aufsicht in gemeinsamen Räumen arbeitete. Daneben waren die Klöster die Sitze des Gewerbe, namentlich
der feinern Arten desselben, sodaß die höhere Kunstfertigkeit erst allmählich von den Klöstern auf
das Bürgertum in den Städten überging. Hier entwickelte sich das Gewerbe einmal unter dem Schutze der besondern Privilegien
der Stadt gegenüber dem platten Lande, also
¶
mehr
namentlich der Bannmeile (s. d.), sodann durch den korporativen Zusammenschluß der Handwerker
in den Zünften (s. d.). Die Form des Handwerks und die künstlerische Verfassung desselben genügte so lange, als es innerhalb
dieses Rahmens möglich war, das vorhandene Konsumtionsbedürfnis zu befriedigen, und die Technik mit dieser Art des Betriebes
noch im Einklang stand. Den Übergang zur Fabrikation vermittelte in der Regel die Hausindustrie, bei
welcher der Handwerker nicht mehr ausschließlich für den Konsumenten oder die Zunft beschäftigt war, sondern auf Bestellung
und nach Vorschrift des Händlers arbeitete, was natürlich schon eine Lockerung der strengen Zunftsatzung voraussetzte.
Auch als landwirtschaftliches Nebengewerbe kommt die Hausmanufaktur in dieser Übergangsperiode vielfach
vor. Die Nachteile dieser Betriebsart, das Wachstum der Bevölkerung und der Bedürfnisse, die Fortschritte der Technik und
die Vermehrung des Kapitals mußten allmählich zum Fabrikgewerbe überleiten, das durch die Konzentration des Betriebes, die
Anwendung der kostspieligsten, aber wirksamsten technischen Hilfsmittel, insbesondere des Maschinenwesens, und den
möglichst hohen Grad von Arbeitsteilung die beste Ausnutzung der produktiven Kräfte der Volkswirtschaft gestattet.
Sehr begünstigt und gefördert wurde dieser Übergang durch die Erstarkung der Staatsgewalt und das von ihr gehandhabte Gewerbeschutzsystem
der Neuzeit, welches die Großindustrie durch Schutzzölle und andere künstliche Maßregeln zu stärken suchte (s.
Merkantilsystem). Auf die Dauer war aber auch diese Art von Gewerbeverfassung für die Weiterentwicklung
der geistigen und materiellen Kultur der Menschheit zu eng geworden. Mit dem Streben nach persönlicher, individueller Freiheit
auf geistigem und polit.
Gebiete ging das Verlangen nach wirtschaftlicher Selbständigkeit der Einzelnen Hand
[* 9] in Hand, als dessen Hauptvertreter in der
Wirtschaftswissenschaft AdamSmith (s. d.) erscheint und das in der Gewerbefreiheit (s. d.) des 19. Jahrh.
seine Befriedigung gefunden hat. Seitdem hat das individuelle Konkurrenzbestreben die Gewerbethätigkeit der Völker auf eine
bis dahin kaum geahnte Höhe gebracht und den Volksreichtum in schneller Progression vermehrt. Wissenschaft und Kunst im
Bunde mit dem Handel greifen fördernd ein, um die Produktion zu vereinfachen, zu erleichtern, zu verfeinern
und den Absatz zu erweitern.
Nur auf diese Weise erscheint es möglich, den gesteigerten Bedürfnissen einer fortwährend im Wachsen begriffenen Volkszahl
gerecht zu werden, und es ist keine Frage, daß die modernen Fortschritte des Großbetriebes allen Volksklassen, wenn auch
nicht immer in gleichem Grade, zu gute kommen. Die vielfach gehegte Meinung, daß durch die Anwendung von Maschinen im Großgewerbe
die Nachfrage nach Arbeitskräften geringer wird, ist durch die Thatsachen widerlegt.
Sind die unvermeidlichen Nachteile der Übergangsperiode überwunden, so finden regelmäßig in der Großindustrie weit mehr
Menschen ihr Brot
[* 10] als im Kleingewerbe. Andererseits ist nicht zu leugnen, daß die kapitalistische Betriebsweise
in den durch sie hervorgerufenen großartigern Verhältnissen auch vielerlei Schattenseiten zeigt, welche in einfachern Wirtschaftszuständen
nicht oder nur in geringerm Grade vorhanden sind. Dahin gehören: die Anhäufung des Besitzes in wenigen Händen, die Schwächung
des Mittelstandes, das Anwachsen des Arbeiterproletariats, die
Lockerung des Familienlebens u. s. w.,
Umstände, welche den Klassengegensatz auf wirtschaftlichem Gebiete erzeugt und die sog. sociale Frage in den Vordergrund
des polit.
Interesses der Jetztzeit gestellt haben (s. Socialismus). Da eine Beseitigung oder auch nur Milderung dieser Übelstände
durch die freie Konkurrenz nicht zu erwarten ist, vielmehr durch sie die Gegensätze häufig noch gefördert
werden, so hat sich in jüngster Zeit der Staat veranlaßt gesehen, durch gesetzliche Maßnahmen vorzugsweise auf dem Gebiete
der Fabrikgewerbe helfend einzugreifen (s. Fabrikgesetzgebung, Gewerbegesetzgebung und Gewerbegerichte).
Für die Förderung des Gewerbefleißes, bez. zur Regelung der Beziehungen zwischen den Gewerbetreibenden unter sich sowie
mit ihren Gehilfen, dem Publikum und den Behörden, kommen ferner in Betracht: Gewerbekammern, Gewerbemuseen,
Gewerbeschulen, Gewerbevereine, Gewerbesteuer (s. die betreffenden Artikel). Über die Verteilung der Betriebe und der beschäftigten
Arbeiter auf die einzelnen Gewerbszweige in Deutschland s. Deutschland und Deutsches Reich (Bd. 5, S. 130); über die Verteilung
der Hauptbetriebe mit mehr als 5 Arbeitern auf die einzelnen Berufsgruppen s. Fabrik (Bd.
6, S.500). –