Geschmacks
täuschungen,
s. Geschmack.
Geschmackstäuschungen
3 Wörter, 38 Zeichen
Geschmackstäuschungen,
s. Geschmack.
(Gustus), in physiologischer Hinsicht Bezeichnung für eigentümliche, nicht näher zu qualifizierende Empfindungen,
welche wir durch gewisse Partien der Mundhöhlenschleimhaut empfangen. Der Vorgang beim Schmecken besteht darin, daß gewisse
Substanzen, welche jedoch im Wasser und in den Flüssigkeiten der Mundhöhle
[* 3] auflösbar sein müssen, die
Endorgane des Geschmacks
nervs (als welchen man das neunte Hirnnervenpaar, den nervus glossopharyngeus, betrachtet) in Erregung
versetzen, und daß deren Erregungszustand auf das Zentralorgan des Geschmacks
sinns im Gehirn
[* 4] übertragen wird.
Die Grundempfindungen des Geschmacks
sind wenig zahlreich, aber deutlich unterscheidbar; sie zerfallen
in die vier Klassen: Salzig, Sauer, Süß, Bitter. Wovon der Geschmack der Körper abhängt, ist vollständig unbekannt. Körper, welche
sich physikalisch wie chemisch durchaus verschieden verhalten, können verwandte Geschmacks
empfindungen erregen. Die meisten
schmeckenden Substanzen haben keinen einfachen Geschmack, sondern verursachen Mischempfindungen der vier verschiedenen Geschmacks
qualitäten.
Der Geschmackssinn
aber besitzt eine solche Feinheit, daß wir mit der Zunge viel feinere Unterschiede
als vermöge der genauesten chemischen Methoden machen können. Ein Teil der Empfindungen, welche gleichzeitig mit Geschmacks
empfindungen
entstehen, sind in Wahrheit kein Geschmack, sondern teils Geruchs-,
teils Tast- und Gemeingefühlsempfindungen. Der stechende und zusammenziehende
Geschmack ist z. B. eine Gemeingefühlsempfindung; der aromatische
Geschmack ist eine Geruchsempfindung, denn er verschwindet sofort, wenn man den Eingang zur Nase
[* 5] verstopft.
Als Organ des Geschmacks
sinns wird gewöhnlich die Zunge genannt. Jedenfalls ist das Geschmacks
vermögen an der Wurzel
[* 6] des Zungenrückens
am stärksten entwickelt; doch auch den Rändern und dem vordern Teil (nicht der untern Fläche) der Zunge,
selbst dem weichen Gaumen schreibt man einen gewissen Grad von Geschmacks
vermögen zu. Der Geschmacksnerv (nervus glossopharyngeus)
verbreitet sich in der Schleimhaut des hintern Teils vom Zungenrücken; seine Fasern treten an die sogen. Schmeckbecher (s.
Zunge) heran, welche als die eigentlichen Geschmacks
organe aufzufassen sind.
Was die physiologischen Leistungen des Geschmacks
sinns anbelangt, so sind nur gelöste Stoffe für den
Geschmack wahrnehmbar. Die Lösbarkeit einer Substanz ist aber durchaus kein Maßstab
[* 7] für ihre Schmeckbarkeit. Für eine und dieselbe
Substanz wächst die Intensität der durch sie hervorgerufenen Geschmacks
empfindung mit dem Konzentrationsgrad der betreffenden
Lösung, ebenso mit der Größe der Berührungsfläche und mit der Dauer der Einwirkung. Durch Einreiben
der schmeckenden Substanz in die Zungenschleimhaut wird die Lebhaftigkeit des Geschmacks
vermehrt.
Aus diesem Grund pflegen wir die Zunge beim Kosten nicht ruhen zu lassen, sondern wir bewegen sie reibend am Gaumen hin und her. Valentin hat die Grenze der Verdünnung bestimmt, bei welcher Schmecksubstanzen überhaupt noch wahrgenommen werden. Dieselbe beträgt für die bittern Chininsalze etwa 1:33,000, für Schwefelsäure [* 8] 1:10,000, für Zucker [* 9] nur 1:90 bis 1:80. Bittere und saure Substanzen vertragen die größte, salzige eine sehr viel geringere und süße nur eine ganz geringe Verdünnung.
Zwischen der Berührung des Schmeckstoffs mit der Zunge und dem Eintreten der Geschmacks
empfindung liegt
ein kleiner Zwischenraum; am kürzesten ist derselbe beim Salzigen, dann folgen Süß, Sauer und endlich Bitter. Merkwürdig
ist die Beihilfe, welche das Gesicht
[* 10] dem Geschmackssinn
leistet. Im Dunkeln schmecken wir schlecht, und der geübteste Weinkenner
vermag in der Dunkelheit einen Rotwein nicht von einem Weißwein zu unterscheiden. Verschiedene Momente
stumpfen die Feinheit des Geschmacks
ab. Es genügt dazu schon Trockenheit der Zunge; noch mehr thun es entzündliche Veränderungen
der Zungenschleimhaut, ebensosehr intensive Geschmacks
eindrücke, wodurch die Geschmacksnerven ermüdet werden, ferner die
Kälte und höhere Wärmegrade.
Einige Substanzen hinterlassen nach ihrem Verschlucken einen lange dauernden Nachgeschmack. Außerdem sind bei dem Geschmack noch andre deutliche Nachempfindungen zu beobachten, indem das Schmecken der einen Substanz den Geschmack einer andern modifiziert. Der Geschmack des Käses z. B. erhöht den für Wein, der des Süßen verdirbt ihn.
Vgl. Bernstein, [* 11] Die fünf Sinne (Leipz. 1875);
v. Vintschgau, Der Geschmackssinn
(in Hermanns »Handbuch der Physiologie«, das. 1880).
Geschmack im ästhetischen Sinn ist subjektiv die Fähigkeit, sich ästhetische Urteile (d. h. weil interesselose, allgemein gültige Aussprüche des Gefallens oder Mißfallens) zu bilden; objektiv der Inbegriff derselben (das ästhetische Gewissen). Derselbe ist, obgleich seine Urteile evident, doch keineswegs ursprünglich, und überall vorhanden; vielmehr bedarf die »Vermeidung aller Privatgefühle«, auf welcher nach Kant die ¶
»Interesselosigkeit« seiner Aussprüche und damit deren Anspruch auf allgemeine Gültigkeit beruht, nicht nur der Freiheit
des Gemüts von »subjektiven Erregungen«, sondern auch der Abwesenheit jedes »Vorurteils« für oder wider das durch den Geschmack zu
beurteilende Objekt. Mitwirkung der letztern führt jene individuelle, nationale, geschichtliche Verschiedenheit der angeblichen
Aussprüche des Geschmacks
herbei, welche Mißtrauen in diesen erzeugt, streng genommen jedoch, eben
als Werk jener fremdartigen Zusätze, gar nicht von ihm hergerührt hat. Ziel der Erziehung als Geschmacks
bildung ist, an ruhige,
vorurteils- und parteilose Betrachtung der Objekte zu gewöhnen, um dadurch wahre, interesse- und subjektlose Aussprüche des
Gefallens oder Mißfallens, ästhetische oder Geschmacks
urteile zu ermöglichen.