Geldherrschaft
(Geldoligarchie, Argyrokratie, Plutokratie), der Zustand eines Volkes, in welchem Geldmänner vermöge ihres Kapitalbesitzes das öffentliche Leben in Staat und Gesellschaft beherrschen. Der Wert des einzelnen Menschen an sich ist unter ihr gesunken, es gelten in ihr bloß die Kapitalien. Der Mittelstand, welcher sonst unter vorhandenen Umständen die Gegensätze ausgleicht, ist geschwunden; die Nation spaltet sich in Überreiche und in Proletarier.
Die Zentralisierung des Staats ist bei solcher Herrschaft aufs höchste getrieben; das Spekulantentum will für seine Zwecke alles gewinnen. Die Abhängigkeit der untern Volksklassen ist unter diesen Umständen um so größer, weil sie, veranlaßt durch gänzlichen Mangel an Kapitalien oder an Grundstücken (Pauperismus), gezwungen sind, ihre volle Arbeitskraft ununterbrochen zu Markte zu bringen. Dem massenhaften Arbeitsausgebot gegenüber liegt die Nachfrage nach Arbeitern in den Händen weniger; diese beuten planmäßig und rücksichtslos die Volkskraft aus.
Infolge dieser Abhängigkeit lernt der hoffnungslose
Arme das
Gesetz verachten. Seine
Begriffe von
Recht und Unrecht verwirren
sich. Es sammelt sich der Zündstoff des
Kommunismus an, und die
Schrecken der Massenarmut greifen um sich.
In den konstitutionellen
Staaten vermag die Geldherrschaft
nur indirekt ihren Einfluß auf die
Verfassung und die
Staatsgewalten zur Geltung
zu bringen; sie kommt dagegen leichter zur
Blüte
[* 2] unter der
Regierung des modernen
Cäsarismus
(Imperialismus). Im
Altertum stand
die Geldoligarchie oftmals
¶
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unmittelbar an der Spitze der Regierungen. Heutzutage wird der Ausdruck Geldherrschaft
nicht selten auch zur Bezeichnung der kapitalistischen
Produktionsweise und des Übergewichts bezeichnet, welches das Kapital in dem wirtschaftlichen Leben des modernen Staats erlangt
hat, und das von den Sozialisten, nicht minder aber auch von den sogen. Agrariern bekämpft wird (s. Kapital).
Vgl. Roscher, Grundlagen der Nationalökonomie, § 204.