Geißelbrüder
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s. Flagellanten ^[= (lat. Flagellantes, Geißler, Geißelbrüder, Flegler oder Bengler), Brüderschaft des 13.-15. ...] und Fonte Avellana.
Geißelbrüder
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Geißelbrüder,
s. Flagellanten ^[= (lat. Flagellantes, Geißler, Geißelbrüder, Flegler oder Bengler), Brüderschaft des 13.-15. ...] und Fonte Avellana.
(lat. Flagellantes, Geißler, Geißelbrüder, Flegler oder Bengler), Brüderschaft des 13.-15. Jahrh., welche sich durch Geißelung des Körpers Sündenvergebung zu erwerben glaubte. Von mehreren Päpsten und berühmten Kirchenlehrern (z. B. ¶
Damiani) dringend empfohlen, galt neben andern äußerlichen Werken die sogen. apostolische Zucht der Geißelung im Mittelalter für ein vorzügliches Buß- und Gnadenmittel, weshalb es nicht befremden kann, daß man in Zeiten äußerer Not eine öffentliche und allgemeine Anwendung der Geißel für besonders wirksam zur Versöhnung der zürnenden Gottheit hielt. Das erste Beispiel solcher Geißlerfahrten gab Italien, [* 5] welches, damals von den Parteien der Guelfen und Ghibellinen zerfleischt, in Bußzuckungen geriet.
Der Dominikanermönch Rainer forderte 1261 zuerst die Einwohner von Perugia zur Geißelung auf, um Gottes Zorn zu besänftigen. Bald zogen Männer und Weiber aller Stände und jeden Alters, die Priester mit Kreuzen und Fahnen voran, selbst im strengsten Winter bis zum Gürtel [* 6] nackend, durch die Straßen der Städte in Prozession umher und peitschten sich unter Seufzen bis aufs Blut. Der Papst ließ sie gewähren, da sich die sittlichen Mißstände besserten. Einige dieser Züge gingen selbst über die Alpen, [* 7] fanden hier aber für jetzt nur in wenigen Ländern, besonders in Österreich, [* 8] Nachahmung.
Erst als der Schwarze Tod 1348 aus Asien [* 9] durch Europa [* 10] zog, wurde auch in Deutschland [* 11] die Geißelwut durch jenes vermeintliche göttliche Strafgericht überall geweckt. In der Gegend von Straßburg [* 12] i. E., Magdeburg, [* 13] Speier [* 14] etc. bildeten sich Geißlergesellschaften. In Scharen von 100-300 und mehr zogen diese Geißlerpaarweise, Kreuz [* 15] und Fahne voran, von Dorf zu Dorf, überall mit Glockengeläute empfangen und lawinenartig wachsend. Zweimal täglich büßten sie, indem sie sich unter eigens dazu geschaffenen geistlichen Gesängen (Leisen) bis aufs Blut geißelten.
Sie verbreiteten sich über ganz Deutschland, Holland, Belgien, [* 16] England, Schweden, [* 17] die Schweiz [* 18] und Frankreich. Die Mißstimmung der Hierarchie über die Eigenmächtigkeit jener Bußgänge und über das Zurücktreten aller kirchlichen Bußen vor der Geißel sowie Klagen über schwärmerischen Unfug und Störung der bürgerlichen Ordnung veranlaßten endlich Papst Clemens VI. 1349 zu einem Verbot dieser Geißlerfahrten. Dessen ungeachtet treffen wir noch später Geißlergesellschaften, besonders in Italien, wo sie wegen ihrer weißen Gewänder »Bianchi« oder »Albati« hießen.
Auch Vincentius Ferrerius (s. d.) wurde auf seinen Reisen als Bußprediger von einer Gemeinde von Flagellanten begleitet und bedurfte, um davon abzustehen, einer ausdrücklichen Abmahnung von seiten des Konstanzer Konzils. Einige Flagellantenvereine trieb die Verfolgung selbst zu einer feindseligen Stellung gegen die Kirche; mit häretischen Begharden vermischt, bildeten sie Sekten, welche den Klerus für den Antichrist erklärten und die Bluttaufe der Geißel an die Stelle aller kirchlichen Sakramente setzten.
Die Inquisition baute ihnen zahlreiche Scheiterhaufen, ohne jedoch, namentlich in Thüringen, ihre gänzliche Vernichtung bewirken zu können.
Vgl. Förstemann, Die christlichen Geißlergesellschaften (Halle [* 19] 1828);
Schneegans, Die Geißler, namentlich die Geißelfahrt nach Straßburg 1349 (a. d. Franz. von Tischendorf, Leipz. 1840);
Cooper, Flagellation and the flagellants (Lond. 1873);
Röhricht in der »Zeitschrift für Kirchengeschichte« 1877.