Titel
Gefäße
(Adern, Vasa), in der Anatomie Röhren, [* 2] in denen sich die Ernährungssäfte des Körpers fortbewegen. Bei sehr vielen niedern Tieren bestehen sie noch nicht, vielmehr begeben sich die Nährsäfte vom Magen [* 3] aus, in dem sie bereitet wurden, durch dessen Wandung direkt in den übrigen Körper und verteilen sich hier entweder in der ganzen Masse desselben, oder sammeln sich in einem besondern Hohlraum, der Leibeshöhle (s. d.), an. In dieser werden sie dann durch die Zusammenziehung und Ausdehnung [* 4] der einzelnen Teile des Körpers umher bewegt und zirkulieren so in den Lücken zwischen Leber, Darm, [* 5] Geschlechtsorganen etc. Bei den höhern wirbellosen Tieren entwickelt sich aber ein System von Gefäßen mit eignen Wandungen (Gefäßsystem), welches mit der Leibeshöhle in Verbindung steht, von ihr die Nährsäfte aufnimmt und sie wieder dahin abgibt.
Gewisse Stellen der Wandungen werden kontraktil und gestalten sich so zu Herzen um (deren also mehrere vorhanden sein können), welche nun durch ihre Zusammenziehung und Ausdehnung für eine regelmäßige Verbreitung der Säfte im ganzen Körper, d. h. für einen Kreislauf, [* 6] sorgen. Gewöhnlich existieren in den Säften besondere zellige Elemente (Blutkörperchen) [* 7] und werden vom Strom mitgetrieben. Indem sich aber die Organe des Körpers nicht nur mit frischen Nährsäften versorgen, sondern auch die Produkte ihres Stoffwechsels (Kohlensäure und Harnbestandteile) in das Gefäßsystem zum Weitertransport abgeben, würde die in letzterm enthaltene Flüssigkeit allmählich ihren Charakter verlieren, wenn sie nicht in den Atmungsorganen mit Sauerstoff in Berührung käme, den sie gegen die Kohlensäure eintauscht, und wenn sie nicht in die Nieren die übrigen Stoffe als sogen. Harn absetzen könnte.
Die Gefäße
, welche die
Flüssigkeit vom
Herzen in den übrigen
Körper leiten, heißen
Arterien oder
Schlagadern, die, welche sie
von dort zurückbringen,
Venen oder
Blutadern; zwischen beiden zirkuliert sie entweder in der
Leibeshöhle, d. h. in den
Lücken zwischen den
Organen (z. B. bei den
Insekten),
[* 8] oder sie bleibt auch hier in besondern, meist sich rasch zu äußerst
feinen
Röhren, den
Kapillaren oder
Haargefäßen, verzweigenden
Kanälen eingeschlossen. Im letztern
Fall ist der
Kreislauf ein
geschlossener.
Eine weitere Art der Gefäße
entsteht dadurch, daß die Nährsäfte, welche der
Magen neu liefert, sich nicht
sofort mit den schon vorhandenen vereinigen, sondern zuvor in besondern
Kanälen, den Chylusgefäßen
, gesammelt und dann
erst dem
Kreislauf zugeführt werden. Bevor sie jedoch in denselben eintreten, gelangen sie in die
Lymphgefäße, welche die
zwischen den
Geweben befindliche und dorthin aus den
Blutgefäßen ausgetretene
Flüssigkeit
(Lymphe) sammeln
und mit dem
Chylus in eine
Vene überführen. Diese Einrichtung findet sich bei allen
Wirbeltieren, mit Ausnahme der
Leptokardier,
und gestattet es, die schon zirkulierende
Flüssigkeit im
Gegensatz zu
Chylus und
Lymphe als
Blut (haema, sanguis) zu bezeichnen,
während man die Säfte niederer
Tiere wohl
Hämolymphe genannt hat. Wegen der Einzelheiten, namentlich
mit Bezug auf den
Menschen, s. die betreffenden
Artikel.
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In der Pflanzenanatomie sind Gefäße
Röhren mit eigner Wand, welche meist auf weite Strecken hin die Pflanzenteile durchlaufen und
nur stellenweise blind endigen; sie gehen aus Reihen von Zellen hervor, deren trennende Querwände ganz oder teilweise aufgelöst
werden, so daß kontinuierliche Röhren daraus entstehen. Die Gefäße
sind ein Bestandteil der Gefäßbündel,
[* 10] speziell des Gefäß- oder Holzteils dieser letztern, und laufen daher durch die Wurzeln, Stengel
[* 11] und Blätter, und wo, wie in
den Bäumen und Sträuchern, die Gefäßbündel zur Bildung eines Holzkörpers zusammentreten, da sind sie auch in dem letztern
meist in großer Zahl vorhanden, mit Ausnahme der Koniferen,
[* 12] deren Holz
[* 13] nur aus Tracheiden und Holzparenchym
zusammengesetzt ist. Im Holz sind die Gefäße
die weitesten Elementarorgane und auf glatten Holzquerschnitten mittels der Lupe
[* 14] oder,
wie bei der Eiche, schon mit unbewaffnetem Auge
[* 15] als feine, punktförmige Poren zu erkennen.
Die Membran der Gefäße
ist stets verholzt und auf der Innenfläche durch ungleiche Verdickung
gezeichnet. Nach der Form dieser Zeichnung unterscheidet man:
1) Ringgefäße
(vasa annularia), bei denen die Membran durch übereinander stehende, quer umlaufende Ringe verdickt ist;
2) Spiral- oder Schraubengefäße (vasa spiralia), deren verdickte Stellen spiralförmig herumlaufende Fasern oder Bänder sind, u. in denen bald nur ein einziges, bald zwei oder mehrere gleichgerichtete Spiralbänder vorhanden sind (s. »Gefäßbündel«, Fig. 5 Bss');
3) netzförmige Gefäße (vasa reticularia) mit einer in mehrfache, untereinander netzartig zusammenfließende Verzweigungen geteilten Verdickungsfaser von meist vorwiegend spiraligem Verlauf;
4) Leiter- oder Treppengefäße (vasa scalariformia), d. h. netzförmige Gefäße, bei denen die von den Verdickungsfasern frei bleibenden Zwischenräume schmal spaltenförmig sind und in geraden oder schiefen Reihen übereinander liegen, so daß das Bild einer Leiter oder Treppe [* 16] entsteht (s. nebenstehende [* 9] Figur und »Gefäßbündel«, Fig. 5 Bl);
5) poröse oder Tüpfelgefäße (vasa porosa), deren Membranen bis auf punkt- oder spaltenförmige, kleine Stellen verdickt sind, wobei in den benachbarten Gefäßen die Tüpfel genau aufeinander passen [* 9] (Fig. 5 Bgtt');
6) Querbalken führende Gefäße (vasa trabeculata), bei denen die Zellwandverdickungen in Form zapfen- oder balkenartiger Vorsprünge in den innern Gefäßraum hineinragen. Bei der Bildung der Gefäße verschwinden die Querwände der übereinander stehenden Zellen entweder vollständig, wie bei den Ring-, [* 17] Spiral- und netzförmigen Gefäßen, oder sie bekommen nur ein oder mehrere große, runde oder ovale Löcher, wodurch die Kommunikation von einer Gefäßzelle zur andern hergestellt wird. Die Gefäße sind fast immer, nur die Zeit der größten Saftfülle mancher Holzgewächse im Frühling abgerechnet, mit Luft gefüllt und erscheinen daher als Organe, welche die innere Verbreitung der Luft in der Pflanze vermitteln.
[* 9] ^[Abb.: Leiterförmiges Gefäß von Pteris (durch Maceration isoliert).]