mehr
untergeordnet ward.
Ludwig XI. hob zwar, um den römischen
Stuhl den Ansprüchen des
Hauses
Anjou auf den
Thron
[* 3] von
Neapel
[* 4] geneigt
zu machen, gleich nach seiner Thronbesteigung die
Pragmatische Sanktion seines
Vaters wieder auf, und
Franz I. opferte in seiner
Abhängigkeit von seinem
Kanzler
Duprat, den nach dem
Kardinalshut
[* 5] gelüstete, und in seiner Anhänglichkeit
an den römischen
Stuhl die wichtigsten
Freiheiten der gallikanischen
Kirche, indem er zu
Bologna mit dem
Papst ein
Konkordat abschloß, worin zwar das durch die
Pragmatische Sanktion ausgesprochene Verbot der päpstlichen
Reservationen und
Anwartschaftserteilungen sowie des
Mißbrauchs der
Appellation und des
Interdikts wiederholt, dafür aber
die wichtige Bestimmung, daß der
Papst unter dem allgemeinen
Konzil stehe, mit Stillschweigen übergangen wurde.
Aber nur »auf ausdrücklichsten Befehl des
Königs« konnte das
Pariser
Parlament bewogen werden, die päpstliche
Bulle, welche
die
Pragmatische Sanktion verdammte, zu registrieren und nach wie vor blieben die rein
gallikanischen
Grundsätze der drei großen
Konzile zu
Pisa,
[* 6]
Konstanz
[* 7] und Basel
[* 8] maßgebend für die
Gesinnung der
Nation und die
Stellung
des
Klerus. Auf dem
Konzil von
Trient
[* 9] vertrat der
Kardinal
Guise von
Lothringen wieder den
Gallikanismus, und von den Beschlüssen
des
Konzils erkannte
Frankreich nur diejenigen an, die seinen eignen Staatsmaximen und Kronprivilegien
sowie
Kirchengesetzen und
Gewohnheiten entsprachen.
Damals stellte der
Jurist
Pithou 83
Artikel zusammen (1594), welche auf die beiden
Sätze hinausliefen, daß der
Papst im
Staate
des
Königs über das Weltliche nichts zu bestimmen habe, und daß er selbst im
Geistlichen nichts verfügen könne, was den
geltenden Konzilienbeschlüssen entgegenstehe.
Seinen Höhepunkt erreichte aber der
Gallikanismus in den
vier
Propositionen (propositiones s. declarationes cleri gallicani) oder den vier
Artikeln der gallikanischen
Kirche, welche
infolge eines Streits
Ludwigs XIV. mit
Papst
Innocenz XI. über die Besetzung der niedern geistlichen
Stellen in einem erledigten
Bistum formuliert wurden, und die dahin gingen:
1) Könige und Fürsten sind in weltlichen Dingen der Kirchengewalt nicht unterworfen und können weder direkt noch indirekt von ihr entsetzt, auch können ihre Unterthanen nicht vom Gehorsam gegen sie entbunden werden;
2) der Papst ist den Beschlüssen der allgemeinen Kirchenversammlung unterworfen;
3) seine Macht regulieren die von der ganzen Christenheit angenommenen Kanons und die in Frankreich von alters her gültigen Grundsätze, Gebräuche und Einrichtungen;
4) auch in Sachen des Glaubens ist das Urteil des Papstes nicht unfehlbar und unabänderlich (irreformabile), wenn die Kirche nicht beistimmt. Diese Artikel, von Bossuet redigiert, wurden von einer außerordentlichen Versammlung von 35 Bischöfen und 35 Pfarrern in Paris [* 10] proklamiert, und zu ihnen mußten sich alle Behörden des Reichs feierlichst bekennen. Unter Ludwig XIV. selbst und seinen Nachfolgern ist zwar vieles hier Behauptete wieder preisgegeben worden.
Um so weiter schritt aber die Revolution nach der entgegengesetzten Richtung aus. In der Deklaration der Menschenrechte wurde die Freiheit des Glaubens anerkannt, alles Kirchengut für Nationaleigentum erklärt und die Administration des gesamten Kirchenguts den weltlichen Behörden übergeben, wofür der Staat die Erhaltung der Kirche und der Armen übernahm; ja, endlich wurde die Kirche selbst aufgehoben und ein Vernunftkultus eingeführt. Bonaparte als Erster Konsul der Republik stellte zwar die kirchlichen Verhältnisse durch ein mit dem Papst abgeschlossenes Konkordat wieder her; aber der Friede zwischen dem jungen Frankreich und der Hierarchie konnte von keiner Dauer sein.
Vergebens forderte der
Papst die
Alleinherrschaft seiner
Kirche im französischen Kaiserreich, vergebens protestierte er gegen
die
Verletzung des kanonischen
Rechts durch den
Code Napoléon; als er sich weigerte, die vom
Kaiser ernannten
Bischöfe kanonisch einzusetzen, ward er sogar verhaftet, blieb aber gleichwohl den Bitten und
Drohungen des
Kaisers gegenüber
standhaft. Unterstützt durch den
Erzbischof von
Paris, den
Kardinal
Maury, erhob der
Kaiser die
Deklaration von 1682 durch
Dekret
vom abermals zum
Reichsgesetz; dagegen gelang es nicht, durch eine
Synode der französischen, italienischen und
deutschen
Bischöfe zu
Paris (1811) eine vom
Papst unabhängige Reichskirche
zu gründen. Nur im Drang der Umstände willigte
Pius VII. in den
Abschluß des
Konkordats von
Fontainebleau, in welchem sein
Recht auf Einsetzung
der
Bischöfe nicht anerkannt und auch von seiner
Restitution in sein weltliches
Regiment nichts erwähnt wurde.
Auf den Rat seiner Kardinäle trat er daher bald wieder davon zurück. Nach der Restauration vermochten die zurückgekehrten exilierten Priester, mit dem Grafen von Artois und der Herzogin von Angoulême verbündet, den König zu einem Konkordat mit Papst Pius VII. (1817), wodurch das frühere von 1801 aufgehoben und das von 1516 hergestellt wurde. Die öffentliche Meinung wies indes dies »Gespenst der Vorzeit« so entschieden zurück, daß man den betreffenden Gesetzentwurf der Deputiertenkammer nicht vorzulegen wagte; vielmehr erklärten 1824 alle Obern und Professoren der bischöflichen Seminare und 1826 alle Bischöfe feierlich, daß sie an den Satzungen von 1682 festhielten.
Die Juliregierung von 1830 regelte die kirchlichen Beziehungen des Papstes zur Staatsgewalt gesetzlich und erklärte die Freiheit aller Konfessionen. [* 11] Diese Bestimmung wurde in die Charte vom aufgenommen. Im Sinn des entschiedensten Liberalismus gründete bald darauf (August 1830) der Abbé Chatel eine französisch-katholische Kirche, welche alle religiösen Richtungen Frankreichs zu umfassen bestimmt war, Auzou eine französisch-evangelische Kirche, welche mehr nur gegen die hierarchische Verfassung gerichtet war.
Gegen beide fand sich jedoch die Regierung bewogen, einzuschreiten, und seitdem blieb der spezifisch römisch-katholischen Richtung fast allein das Feld. Trotz der gesetzlichen Verordnungen, wonach geistliche Orden nur unter Zustimmung der Kammern gesetzliche Duldung erhalten sollten, schlichen sich viele solcher Korporationen und unter ihnen auch Jesuiten ein; zwar wurden (1845) auf eine Interpellation von Thiers hin wenigstens die Jesuitenkongregationen aus Frankreich verbannt, aber auch jetzt noch blieben die einzelnen Glieder [* 12] des Ordens unangefochten.
Die Konstitution vom gab das Religionsbekenntnis frei und versprach für die Ausübung des Kultus den Staatsschutz, sowie sie auch der Geistlichkeit der anerkannten oder noch anzuerkennenden Kulte Besoldung von seiten des Staats aussetzte. Die Regierung des zweiten Kaiserreichs begünstigte die katholische Kirche insofern, als sie derselben einen größern Einfluß auf den Unterricht gestattete. Doch war die Stellung Napoleons III. zum päpstlichen Stuhl jedenfalls als eine sehr zweideutige zu bezeichnen. Während er z. B. durch die zu Ende des Jahrs 1859 in Paris erschienene Broschüre ¶
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»Der Papst und der Kongreß« die ganze weltliche Herrschaft des Papstes in Frage stellen ließ und demselben in einem eigenhändigen Schreiben vom zumutete, freiwillig auf die abgefallenen Provinzen zu verzichten, und die Besitzergreifung des Kirchenstaats durch sardinische Truppen zuließ; während ferner eine offiziöse Broschüre Laguéronnières: »Frankreich, Rom und [* 14] Italien«, [* 15] den Prozeß gegen die weltliche Herrschaft des Papstes von neuem instruierte, hielten doch französische Truppen allein noch den päpstlichen Stuhl aufrecht.
Der allgemeine Widerspruch von seiten der französischen Bischöfe gegen die Politik der beiden genannten Broschüren zeigte, daß die Zeiten des Gallikanismus vorbei sind. Thatsächlich ist der Papst bei allem Wechsel der politischen und kirchlichen Systeme in Frankreich unerschüttert und zuletzt sogar fast allein auf dem Plan geblieben. Bei den Vorbereitungen für das vatikanische Konzil erneuerten zwar die Bischöfe Maret von Sura und Dupanloup von Orléans [* 16] den Standpunkt Bossuets, allein auf dem Konzil selbst befanden sich die Häupter der französischen Kirche in der bloßen Defensive, und nach dem Konzil, welches die Unfehlbarkeit des Papstes proklamierte, eröffneten sie den allgemeinen Rückzug.
Heutzutage kann man auch mit Bezug auf Frankreich sagen, daß die alten innerkatholischen Gegensätze vollständig hinter dem neuen Gegensatz zwischen dem modernen Staat und dem ultramontanen System zurückgetreten sind, wenn sich auch in der dritten Republik das Streben zeigt, den Einfluß des Klerus auf das Schulwesen möglichsten Beschränkungen zu unterwerfen.
Vgl. Dupin, Les libertés de l'Église gallicane (Par. 1824, neue Ausg. 1860);
Bordas-Demoulin, Les pouvoirs constitutifs de l'Église (das. 1855);
Huet, Le [* 17] Gallicanisme, son passé, sa situation présente (das. 1855);
Puyol, Études sur la renovation du Gallicanisme (das. 1876, 2 Bde.).