Dorf im schweizer. Kanton Schwyz,
[* 3] am Südfuß des
Rigi, eine der belebtesten Touristenstationen am
Vierwaldstätter See, in
einem von steilen Bergwänden eingeschlossenen
Winkel,
[* 4] mit zerstreuten
Häusern unter
Kastanien- und Obstbäumen, hat
(1880) 1771 Einw. -
Kleinster Bezirk des Kantons Schwyz,
am S.-Hang des Rigi und zwischen diesem und dem Vierwaldstättersee. Seine Grenzen folgen
der Wasserscheide und gehen von der OberenNase über den Vitznauerstock, Rigi Scheidegg, das Gätterli und Rigi Hochfluh, um von
da absteigend ö. Kindlismord wieder den See zu erreichen. Der so abgegrenzte Bezirk bildet auch ein geographisch
geschlossenes Gebiet, das vor rauhen Winden gut geschützt ist und sich ausnahmsweise günstiger klimatischer Verhältnisse
erfreut. Umfasst einzig die Gemeinde Gersau, die aus dem Dorfe gleichen Namens und einer
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Anzahl von über die Hänge zerstreut gelegenen Höfen und Häusergruppen besteht. Zusammen 242 Häuser mit 398 Haushaltungen
und 1887 Ew. (wovon 1425 Katholiken). Landwirtschaft, Seidenweberei und Fremdenindustrie. Die vielen Obstbäume liefern einen
schönen u. weithin geschätzten Ertrag. Gersau hat sich seines gesunden Klimas und seiner reizenden landschaftlichen Lage
wegen zu einem beliebten Kurort für gesunde und kranke Gäste entwickelt. Mehrere Gasthöfe, worunter
das Kurhaus auf Rigi Scheidegg.
Die Viehstatistik ergibt folgende Zahlen:
1886
1896
1901
Hornvieh
649
678
699
Pferde
8
10
13
Schweine
144
213
212
Schafe
27
4
5
Ziegen
193
98
72
Bienenstöcke
75
77
89
An den Hängen des Föhnenbergs und der Rigi Hochfluh zahlreiche erratische Blöcke des ehemaligen Reussgletschers. Längs
dem Seeufer die neue Strasse Vitznau-Brunnen. Dampfschiffstation Gersau. Der Bezirk hat seiner isolierten Lage wegen in der
Geschichte eine ziemlich selbständige Rolle gespielt, die sich heute noch in den eigenartigen Sitten und Bräuchen
seiner Bewohner spiegelt.
(Kt. Schwyz,
Bez. Gersau). 440 m. Gem. und Pfarrdorf, Hauptort des Bezirkes gleichen Namens, am rechten Ufer des Vierwaldstättersees,
am S.-Fuss der Rigi Scheidegg, an der Strasse Vitznau-Brunnen und 10 km wsw. Schwyz.
Dampfschiffstation. Postbureau, Telegraph, Telephon.
Einzige Gemeinde des Bezirkes; zählt 242 Häuser u. 1887 Ew.; Dorf: 166 Häuser, 1380 Ew. (wovon 40 Reformierte).
In Kindlismord die schöne und grosse KapelleMaria Hilf. Acker- und Obstbau; Kastanien- und Feigenbäume, sowie andere südliche
Pflanzen.
Gasthöfe. Industrielle Tätigkeit: 3 Seidenwebereien, 2 Mühlen, 2 Sägen, 3 Ziegeleien. Der Brüggen-, Tiefen- und Röhrlisbach,
die einst zu Hochwasserszeiten grosse Verheerungen anzurichten pflegten, sind heute verbaut und in ihrem
Unterlauf gerade gelegt. Der klimatisch ausserordentlich begünstigte Winkel von Gersau hat sich seit einigen Jahren zu einem
wichtigen Kurort entwickelt, der sehr wohl mit Montreux zu rivalisieren vermag. Montreux und Gersau sind die einzigen nördl.
der Alpen gelegenen Stationen mit einem jährlichen Temperaturmittel über 10 °C.
Folgendes sind die wichtigsten klimatologischen Daten für diese beiden bemerkenswerten Orte: Jährliche Mitteltemperatur
für Gersau 10,07°, für Montreux10,54° 10,14°;
mittlere Temperaturminima für Gersau -8,5°, für Montreux -8,7°;
mittlere
Maxima für Gersau 29,2°, für Montreux 29,7°;
jährlicher Niederschlag in Gersau 804 mm, in Montreux815 mm 735 mm;
mittlerer Barometerstand in Gersau 724,2 mm, in Montreux 729,4 mm;
mittlere Schwankungen des Barometers in Gersau 20,3 mm,
in Montreux 26 mm.
Gersau hat im Jahr durchschnittlich 71, Montreux70 123 Regentage, wozu für Gersau noch 5,5 und für Montreux
5,8 bewölkte Tage ohne Regen kommen.
Nebel ist in Gersau ein noch seltenerer Gast als in Montreux. Gersau
ist vor den kalten N.- und O.-Winden beinahe völlig geschützt, hat volle südliche Exposition und ist dem wärmenden Föhn
zugänglich. In keinem Monat sinkt hier das Temperaturmittel bis auf 0°, indem die Mitteltemperatur des Januar als des kältesten
Monates sich immer noch auf 0,64 °C hält. Der Temperaturgang ist ein regelmässiger; im Dezember und
Januar sind die Morgen weniger kalt, die Nachmittage dagegen etwas weniger warm als in Montreux.
Die Kastanienwäldchen entwickeln sich in Gersau in derselben Weise wie im insubrischen Seengebiet und reifen essbare Früchte.
Gersau ist die Heimat von P. Beat Küttel, der 1780-1808 Fürstabt von Einsiedeln war und dessen Klugheit
und Gewandtheit dieses Kloster es zu verdanken hat, dass es während der stürmischen Zeiten zu Ende des 18. Jahrhunderts
vor jedem Schaden verschont geblieben ist. Gersauer Bürger war ferner noch der 1883 gestorbene apostolische Protonotarius,
Benediktinerpater Joh. Bapt. Müller, ein eifriger Schulmann, Geschichtschreiber und Theologe und Verfasser
von zahlreichen Schriften.
Die geographisch isolierte Lage von Gersau hat auch in ganz besonderem Masse dessen geschichtliche Entwicklung als kleiner
Freistaat begünstigt. Zunächst war Gersau zusammen mit vielen Alpweiden am Rigi Eigentum des KlostersMuri, aber schon 1036 gehörten
diesem hier blos noch ein einziger Bauernhof, einige wenige Bergweiden und ein Fischplatz. 1210 kam Gersau durch Tausch an
die Grafen von Habsburg, die diesen ihren Besitz später an die Freiherren von Ramstein und nachher an die urnerischen Edeln
von Moos verpfändeten. 1315 musste es seine Grenzen gegen Luzern
schützen. Im Archiv zu Gersau befinden sich
heute noch eine Kopie des Bundesbriefes vom und des 1332 mit Luzern
und den übrigen Waldstätten geschlossenen Bundes,
sowie das Original des Bundesbriefes von 1359. 1386 kämpften 100 Bürger von Gersau bei Sempach an der Seite der Eidgenossen,
und einer von ihnen brachte aus diesem Kampf das Panner von Hohenzollern als Siegeszeichen mit nach Hause. 1390 kaufte
sich Gersau um die Summe von 3450 Gulden von seinen Pfandherren vollständig los. 1422 stellte die kleine Republik ein kleines
Kontingent zu den im Tessin
kämpfenden Eidgenossen, und 1433 anerkannte Kaiser Sigismund ihre Unabhängigkeit.
Im alten Zürichkrieg 1440 hatten sich 20 Gersauer den Schwyzern angeschlossen, 100 Bürger des Ortes zeichneten sich 1531 in
der Schlacht bei Kappel aus, und im Bauernkrieg von 1653 hielt der kleine Freistaat fest zu Luzern.
Auch 1655, 1664 und 1712 stellte
Gersau seine Mannschaft getreu den Waldstätten zur Verfügung. Nachdem sich Gersau 1712-1798 einer Zeit
glücklicher Ruhe
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erfreut hatte, ergriff es gegen die französische Invasion die Waffen, musste sich aber der Uebermacht beugen, worauf am französische
Truppen das Ländchen besetzten und seine Staatskasse und Panner mit Beschlag belegten. Am 30. September desselben Jahres wurde Gersau
dem helvetischen Kanton Waldstätten angegliedert, erhielt dann durch die Mediationsakte neuerdings eine
Art von Selbständigkeit und erlangte 1814 von den vier Urkantonen seine Anerkennung als Freistaat.
Als der Kanton Schwyz
aber 1816 trotzdem Miene machte, das kleine Gebiet sich einzuverleiben, erhob Gersau bei den übrigen Urkantonen
Beschwerde und unterbreitete 1817 der Tagsatzung eine urkundlich wohl belegte Denkschrift zur Verteidigung
seiner 500 jährigen Freiheit. Allein schon am wurde Gersau endgiltig dem Kanton Schwyz
angegliedert und bildete vom an
den kleinsten Bezirk dieses Kantons, dem man seiner geringen räumlichen Ausdehnung ungeachtet in Anbetracht der ehemaligen
Unabhängigkeit des Ländchens den zweiten Rang unter den schwyzerischen Bezirken zugestand. Der erste
Landammann der Republik Gersau war Johann Heinzer (1390), der letzte J. M. A. Camenzind (1816).
Die höchste Gewalt des einstigen Freistaates war der Landsgemeinde vorbehalten, der der Landrat jedes Jahr einen Rechenschaftsbericht
über seine Verwaltung und Rechnungsführung vorlegen musste. Die Entscheidung in Kriminalsachen stand der Landsgemeinde,
in Zivilsachen der Verwaltungsbehörde zu, wobei jedoch gegen ein Urteil dieser letzteren Berufung an
die Landsgemeinde eingelegt werden konnte. In diesem Falle war der Appellant verpflichtet, jedem ihrer Mitglieder eine kleine
Geldentschädigung zu bezahlen.
Wenn ein Bürger sich eine Frau von auswärts holte, musste er deren Mitgift der Behörde abliefern, die
sie in der Landeskanzlei verwahrte. Die Bürger hatten das Recht, veräusserte Grundstücke im Zeitraum eines Monates wieder
an sich zurück zu ziehen. Das Ländchen ist reich an Sagen. Den öftern Neckereien ihrer grössern Nachbarn pflegten die
Bürger von Gersau die treffende Antwort nicht schuldig zu bleiben, so dass in dieser Beziehung eine
ganze Anzahl von guten Anekdoten erzählt wird.
Manche alte Volksbräuche haben sich noch bis heute erhalten. Ein besonders eigenartiger Brauch war die bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts
gefeierte Fecker-Kilbi, ein jährlich wiederkehrendes Fest der Heimatlosen, bei welchem Anlass alle Bettler von Gersau und
den umliegenden Gegenden hier eine Art Tagsatzung abzuhalten pflegten und sich drei Tage lang ein vergnügtes
Leben gönnen durften, ohne von den Behörden belästigt zu werden. 1064: Gersowe. (Vergl. Osenbrüggen Ed. Neue kulturhistor.Bilderaus derSchweiz. Leipzig 1864. - Rigert, Pfarrer Caspar. Kurzgefasste Geschichte des Freystaates Gersau. 2. Aufl., mit
Nachtrag. Zug
1817. Es ist dies die im Auftrag der Behörden verfasste und der Tagsatzung von 1817 eingereichte
Denkschrift zum Schutze der Unabhängigkeit von Gersau. - Camenzind, Damian. Geschichte des Freistaates Gersau nach den Quellender Archive. 1861. - Gautier, Ad. La républ. de Gersau.Genève 1868. - Steinauer, D. Geschichte desFreistaatesSchwyz.
2 Teile. Einsiedeln 1861. - Geschichte der Republik Gersau [im Geschichtsfreund. Jahrg. 19].).