Güterzusam
menlegung,
s. Dismembration.
Güterzusammenlegung
20 Wörter, 191 Zeichen
Volkswirtschaft — Agrarisches (Rationalökonomik des Ackerbaues)
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Güterzusammenlegung,
s. Dismembration.
Im Das Lexikon des Zeitungslesers, 1951
Güterzusammenlegung.
Maßnahme zur Zusammenlegung von Grundstücken, die in viele kleine Parzellen zerfallen, um bessere Bewirtschaftung zu erlauben.
(lat., »Zergliederung«, Bodenzerstückelung), die Zerteilung landwirtschaftlicher Güter in kleine Güter und Parzellen im Gegensatz zur Erhaltung größerer geschlossener Güter. Dismembrationsgesetzgebung ist eine Gesetzgebung, welche die Dismembration zu verhindern sucht. Es ist heute noch eine Streitfrage, ob der Staat für bäuerliche Besitzungen das Recht der freien Teilbarkeit, das im übrigen allgemein als das richtige Grundprinzip der ländlichen Grundeigentumsordnung anerkannt wird, geben soll oder nicht (Dismembrationsfrage).
Die Verteidiger einer Dismembrationsgesetzgebung gehen davon aus, daß die Erhaltung eines möglichst schuldenfreien, in seiner Existenz gesicherten Bauernstandes eine Lebensfrage für jeden Staat sei, behaupten aber, daß die freie Teilbarkeit und das gleiche Erbrecht notwendig den Bauernstand vernichten. Bei diesem Rechtszustand wolle jeder Miterbe Land haben. Die natürliche Vermehrung der Bevölkerung [* 5] führe daher zu einer Verkleinerung der Güter, die allmählich so klein würden, daß sie ihre Besitzer nicht mehr zu ernähren vermöchten (Zwergwirtschaft).
Die weitere Folge sei die Verschuldung, allmählich die Überschuldung der Besitzer und der Untergang der Bauerngüter und des Bauernstandes. Die überschuldeten Güter würden von Kapitalisten angekauft, zu neuen großen Gütern zusammengelegt, die Bauern sänken zu Tagelöhnern herab, die Latifundienwirtschaft werde die herrschende Wirtschaftsform. Aus der Notwendigkeit einer solchen Entwickelung folgern sie das Recht und die Pflicht des Staats, sie durch eine Dismembrationsgesetzgebung zu verhindern.
Die Richtigkeit des Ausgangspunktes dieser Ansicht ist zuzugeben, ebenso die Möglichkeit einer solchen Entwickelung. Aber die Forderung einer Dismembrationsgesetzgebung dürfte für die Gegenwart trotzdem nicht gerechtfertigt erscheinen.
Zunächst ist die behauptete Entwickelung an sich keine notwendige. Die Ansicht stützt sich auf die Annahme, daß bei freier Teilbarkeit und gleichem Erbrecht jeder der Miterben stets oder doch in der Regel Land haben wolle, und daß die Eltern einer unvernünftigen Zersplitterung ihres Gutes nie entgegentreten würden. Diese Annahme ist aber nicht, jedenfalls nicht in dieser Allgemeinheit zutreffend. Ihr steht entgegen, daß auch Söhne von Bauern sich andern Berufsarten zuwenden und diese gar nicht das Bedürfnis nach eignem Landbesitz haben; ferner daß doch auch die wirtschaftliche Einsicht in die Nachteile der Bodenzersplitterung vielfach unvernünftige Teilungen verhindern, namentlich die Verfügungsfreiheit der Eigentümer bei einem Teil der Bauern bewirken wird, daß ihr Gut entweder noch bei ihren Lebzeiten oder nach ihrem Tod auf Einen Erben übergeht. Die Geschichte der Vergangenheit wie der Gegenwart liefert zahlreiche Beweise, daß die angeblich notwendige Entwickelung nicht eingetreten ist.
Auf der andern Seite hat die Unteilbarkeit, mit welcher in der Regel eine feste Erbfolgeordnung verbunden ist, unzweifelhaft erhebliche Nachteile, welche bei freier Teilbarkeit fortfallen. Wenn die Erben den Wert des Gutes zu gleichen Teilen erben, so wird dadurch die Verschuldung der Güter befördert. Werden aber, um das zu verhindern, die Erben ungleich behandelt, so daß der übernehmende, meist herkömmlich berechtigte Erbe, sei es der älteste oder der jüngste Sohn, das Gut mit einem Präzipuum oder gegen eine niedrige Taxe oder gegen eine gering bemessene Abfindung der übrigen Erben erhält, so liegt darin eine anderweitig nicht auszugleichende ungerechte Benachteiligung der übrigen Erben.
Diese Geschlossenheit der Höfe mit der festen Erbfolgeordnung wirkt auch schädlich auf das bäuerliche Familienleben, auf das Verhältnis der Geschwister zu einander, ebenso auf die Ausbildung des Anerben, auf den Wirtschaftsbetrieb und auf das Gemeindeleben. Die Institution ist dem landwirtschaftlichen Fortschritt hinderlich. Die Güter kommen nicht in die Hände der besten Wirte, die Größe der Güter läßt sich nicht entsprechend der Betriebskraft des Eigentümers gestalten. Endlich ist das Aufsteigen besitzloser Arbeiter zu Kleinbesitzern bei dieser Rechtsordnung sehr erschwert, resp. unmöglich.
Dazu kommt, daß die vorgeschlagenen Maßregeln einer Dismembrationsgesetzgebung entweder unausführbar sind, oder den beabsichtigten Zweck nicht, resp. nur sehr unvollkommen erreichen lassen, oder sonst erheblichen Bedenken unterliegen, Die Maßregeln ¶
wollen eine zu große Zersplitterung teils direkt verhindern, teils erschweren.
Zu jenen gehört 1) die Bestimmung einer gesetzlichen Minimalgröße für ein Gut, 2) die obrigkeitliche Genehmigung im konkreten Teilungsfall. Ad 1). Es könnte doch nur eine Minimalgröße gewählt werden, bei welcher sich ein bestimmter Reinertrag, hinreichend für die Ernährung einer Durchschnittsfamilie, bei gemeingewöhnlicher Bewirtschaftung erzielen ließe. Aber das Raummaß eines solchen Gutes läßt sich für ein Land gar nicht einheitlich bestimmen, da es nach Bodenbeschaffenheit, Klima, [* 7] Lage des Gutsareals (ob dieses zusammenliegend oder zerstreut), Wirtschaftssystem etc. ein verschieden großes ist, und soll die Maßregel einen Erfolg haben, so wäre die notwendige Konsequenz, daß diese Güter gesetzlich nicht verschuldet werden dürfen. Ad 2). Wenn aber in jedem einzelnen Fall eine Behörde entscheiden soll, ob nach Lage der Verhältnisse die beabsichtigte Teilung gerechtfertigt ist oder nicht, so wird der Verwaltung eine Aufgabe zugewiesen, die sie nicht erfüllen kann, und die um so bedenklicher erscheinen muß, als für derartige Entscheidungen nicht allgemein gültige Normen aufgestellt werden können, mithin der Willkür der betreffenden Verwaltungsorgane Thür und Thor geöffnet sind. In beiden Fällen kommt noch in Betracht, da doch keinenfalls die Gesetzgebung den Erwerb von Parzellen durch landwirtschaftliche und andre Arbeiter verhindern darf, die Schwierigkeit, wenn nicht Unmöglichkeit, diese Ländereien von den Besitzungen zu sondern, die der Dismembrationsgesetzgebung unterliegen sollen.
Die Teilung erschwerende Maßregeln sind namentlich: strengere Formen für Parzellierungsverträge, die höhere Besteuerung solcher Verträge, die Erschwerung oder gar Bestrafung der gewerbsmäßigen Betreibung der Dismembration (sogen. Hofmetzgerei oder Güterschlächterei). Aber erfahrungsgemäß nützen diese Maßregeln sehr wenig.
Die richtigere Politik wird daher sein, das Prinzip der freien Teilbarkeit zu sanktionieren und auf eine Hebung [* 8] der landwirtschaftlichen Einsicht hinzuwirken, die das beste Heilmittel gegen unverständige Aufteilungen ist. Aber wegen der möglichen Gefahren der freien Teilbarkeit muß die Staatsverwaltung die Bewegung in der Veräußerung, Vererbung, Teilung, Verschuldung bäuerlicher Güter aufmerksam verfolgen, eine genaue Statistik darüber haben. Ein wichtiges Gegenmittel sind auch Flurregelungen (s. d.). Unbedenklich an sich und unzweifelhaft geeignet, unwirtschaftlicher Zersplitterung des bäuerlichen Grundbesitzes vorzubeugen, wo die Gefahr einer solchen bei freier Teilbarkeit in einer bäuerlichen Bevölkerung vorhanden ist, ist ein subsidiäres bäuerliches Intestaterbrecht (sogen. Anerbenrecht, Höferecht), wenn es richtig normiert wird (s. Höferecht).
Keine eigentliche Dismembrationsmaßregel ist die gesetzliche Bestimmung eines Parzellenminimums bei Teilung von Parzellen, wie sie z. B. in Baden, [* 9] Hessen, [* 10] Nassau, Weimar [* 11] besteht.
In Frankreich und in allen Ländern des Code Napoleon besteht die freie Teilbarkeit zu Recht, ebenso in England. Auch in den meisten deutschen Staaten sind die frühern Dismembrationsgesetze, welche seit dem 16. Jahrh. übrigens in erster Reihe zum Schutz grundherrlicher und fiskalischer Interessen eingeführt wurden, verschwunden. In Preußen [* 12] hoben schon die Landeskulturedikte vom und die Teilungsverbote auf, das Prinzip der freien Teilbarkeit wurde sogar in die Verfassungsurkunde (Art. 42) aufgenommen und nach 1866 auch in den neuen Provinzen durchgeführt (Verordnung vom für Kurhessen, Verordnung vom für die andern Gebietsteile).
In den östlichen Provinzen sollte durch das Gesetz vom (teilweise abgeändert, resp. ergänzt durch Verordnung vom Gesetz vom Gesetz vom die Parzellierung erschwert werden, indem für Parzellierungsverträge strengere Formen vorgeschrieben wurden; das Gesetz vom hob aber diese Beschränkungen auf und stellte jene Verträge den andern Verträgen über Veräußerung von Immobilien gleich. Ähnlich die Gesetzgebung in Hessen-Darmstadt (1811, 1857 und 1866), Bayern [* 13] (seit 1825), Württemberg [* 14] (1812), Baden, Gotha [* 15] etc. Die weitestgehende Dismembrationsgesetzung hat noch Sachsen [* 16] (Gesetz vom s. darüber Leuthold, Sächsisches Verwaltungsrecht 1878, S. 301), aber es können Dispensationen von den Dismembrationsbeschränkungen stattfinden, und den Dispensationsgesuchen wird fast regelmäßig entsprochen.
Litteratur. A. Meitzen, Art. »Landwirtschaft«, 2. Teil in Schönbergs »Handbuch der politischen Ökonomie«; Rau, Grundsätze der Volkswirtschaftspolitik (5. Aufl. 1862, § 76-83; dort auch weitere Litteratur);
Roscher, Nationalökonomik des Ackerbaues etc., § 88 ff., § 139 ff.; R. v. Mohl, Die Polizeiwissenschaft (3. Aufl., Bd. 2, § 114);
Lette, Die Verteilung des Grundeigentums etc. (Berl. 1858);
Derselbe, Die Verteilungsverhältnisse des Grundbesitzes und die Gesetzgebung in betreff der Teilbarkeit etc. (das. 1859);
Stüve, Wesen und Verfassung der Landgemeinden etc. (Jena [* 17] 1851);
L. v. Stein, Bauerngut und Hufenrecht (Stuttg. 1882);
A. v. Miaskowski, Das Erbrecht und die Grundeigentumsverteilung im Deutschen Reich (Bd. 22 der »Schriften des Vereins für Sozialpolitik«, Leipz. 1882).