Titel
Freiwillige
,
im
Gegensatz zu Ausgehobenen
(Kantonisten, Konskribierten) diejenigen
Militärpersonen, welche aus freiem
Willen in Militärdienste treten, entweder um
Soldat von
Beruf zu werden, an einem
Feldzug teilzunehmen, oder um ihrer
Militärpflicht
vor
Eintritt des dienstpflichtigen
Alters zu genügen etc. Es sind zu unterscheiden:
Einjährig-Freiwillige und
Drei- oder Vierjährig-Freiwillige.
1) Einjährig-Freiwillige. Die allgemeine Wehrpflicht machte aus Billigkeitsrücksichten notwendig, denjenigen jungen Männern, die eine höhere wissenschaftliche Bildung sich erworben, sich selbst ausrüsten, bekleiden und verpflegen und doch nicht Berufssoldat werden wollen, eine kürzere aktive Dienstzeit als die für Ausgehobene geltende zu gestatten. Dem Vorbild Preußens [* 3] sind auch andre Staaten gefolgt; in Frankreich hat diese Institution sich nicht bewährt und ist wieder abgeschafft worden. In Deutschland [* 4] bilden die Einjährig-Freiwilligen den Ersatz für die Offiziere der Reserve und Landwehr. Man verlangt von ihnen die Reife für die Obersekunda der Gymnasien und Realgymnasien, die entweder durch ein Schulzeugnis der betreffenden Lehranstalt (die Namen derselben mit den ihnen zustehenden Befugnissen werden von Zeit zu Zeit durch das Reichskanzleramt bekannt gemacht) oder durch Ablegung einer Prüfung vor der am Sitz der Bezirksregierung bestehenden Prüfungskommission für Einjährig-Freiwillige nachzuweisen ist, ¶
mehr
welche daraufhin dem Betreffenden einen Berechtigungsschein zum einjährig-freiwilligen
Dienst erteilt. Junge Seeleute von
Beruf sowie Maschinisten, welche die Berechtigung zum einjährigen Dienst erlangt oder das Steuermannsexamen für große Fahrt
bestanden haben, genügen ihrer Dienstpflicht in der Flotte als Einjährig-Freiwillige, ohne zur Selbstbekleidung und Selbstverpflegung
verpflichtet zu sein. -
Die Berechtigung zum einjährig-freiwilligen
Dienst darf nicht vor vollendetem 17. Lebensjahr und muß
vor 1. April des ersten Militärpflichtjahrs bei derjenigen Prüfungskommission nachgesucht werden, in deren Bezirk der Wehrpflichtige
gestellungspflichtig ist. Bei dieser Kommission hat er sich spätestens bis 1. Febr. des ersten Militärpflichtjahrs schriftlich
zu melden und dieser Meldung a) ein Geburtszeugnis, b) ein Einwilligungsattest des Vaters oder Vormundes
mit der Erklärung über die Bereitwilligkeit und Fähigkeit, den Freiwilligen
während einer einjährigen aktiven Dienstzeit
zu bekleiden, auszurüsten und zu verpflegen, c) ein Unbescholtenheitszeugnis, welches für die Zöglinge höherer
Schulen durch den Direktor derselben, für andre junge Leute durch die Polizeibehörde auszustellen ist,
im Original sowie d) einen selbstgeschriebenen Lebenslauf beizufügen.
Außerdem ist das Schulzeugnis für die wissenschaftliche Befähigung zum einjährig-freiwilligen
Dienst beizuschließen oder
in der Meldung das Gesuch um Zulassung zur Prüfung auszusprechen, wobei anzugeben ist, in welchen zwei fremden Sprachen der
sich Meldende geprüft sein will. Erlangt ein Schüler die fragliche Reife erst zu Ostern des ersten Militärpflichtjahrs,
so kann bei rechtzeitiger Anmeldung unter Bescheinigung des Schulvorstandes, daß der Betreffende am Schluß des Schuljahrs
die Reife erlangt haben wird, die Entscheidung der Ersatzkommission über ihn bis dahin ausgesetzt werden.
Vom Nachweis der wissenschaftlichen Befähigung dürfen Künstler, Schauspieler etc. von hervorragender Leistung auf Grund amtlich beglaubigter Zeugnisse entbunden werden. Versäumte Meldung zur Erlangung des Berechtigungsscheins zieht den Verlust der Vergünstigung nach sich. Im Besitz des Berechtigungsscheins kann der wirkliche Eintritt bis zum vierten Militärpflichtjahr verschoben werden, doch muß beim Eintritt in das militärpflichtige Alter die Anmeldung bei der Ersatzkommission ihres Gestellungsorts unter Vorzeigung des Berechtigungsscheins mündlich oder schriftlich erfolgen.
Zum Eintritt steht die Wahl des Truppenteils frei; Eintrittstermine sind bei der Infanterie 1. Okt. und 1. April, Train 1. Nov., bei allen übrigen Waffengattungen (einschließlich Jäger) 1. Okt., Ausnahmen verfügt das Generalkommando. Die Anmeldung zum Eintritt hat unter Vorzeigung des Berechtigungsscheins und eines obrigkeitlichen Führungsattestes beim Truppenteil im Lauf des dem Eintrittstermin vorangehenden Vierteljahrs zu erfolgen. Der Truppenkommandeur hat die ärztliche Untersuchung zu veranlassen.
Als untauglich abgewiesene Freiwillige
haben sich binnen vier Wochen bei der Ersatzkommission unter Vorzeigung ihres Berechtigungsscheins
zu melden, worauf die Oberersatzkommission die Entscheidung trifft. Wem die Mittel zum einjährig-freiwilligen
Dienst fehlen, darf auf einen wohlbegründeten Antrag an das Generalkommando auf Anweisung des letztern vom Truppenteil Geld-
und Brotverpflegung, Bekleidung und Quartier erhalten. Einjährig-Freiwillige werden neben der Ausbildung im praktischen Dienst noch besonders
unterrichtet und, wenn sie Reserveoffiziere zu werden wünschen und sich
hierzu als geeignet erweisen, nach
sechs Monaten zu Gefreiten ernannt.
Nur diesen wird dann die weitem spezielle Ausbildung behufs Ablegung des Reserveoffizierexamens zu teil. Bei der Entlassung
werden Freiwillige
, welche diese Prüfung bestanden haben, als Unteroffiziere, alle andern als Gemeine mit sechsjähriger Reserveverpflichtung
den Bezirkskommandos überwiesen. Vor weiterer Beförderung müssen die Unteroffiziere eine achtwöchentliche Dienstleistung
bei ihrem Truppenteil durchmachen, nach welcher sie zu Vizefeldwebeln ernannt werden; sie können dann auf ihren Wunsch, sobald
sie eine den Verhältnissen des Offizierstandes entsprechende Lebensstellung einnehmen, zu Reserveoffizieren gewählt und
in Vorschlag gebracht werden.
Approbierte Apotheker können als einjährig-freiwillige Pharmazeuten bei einer Militärapotheke dienen. Anmeldung beim Korps-Generalarzt. Mediziner dienen nach bestandenem Staatsexamen nur ½ Jahr mit der Waffe und das zweite Halbjahr als einjährig-freiwillige Ärzte, wenn sie in das Sanitätsoffizierkorps aufgenommen werden wollen. Die nach § 29 der Gewerbeordnung vom approbierten Tierärzte können als einjährig-freiwillige Tierärzte bei der Kavallerie oder Feldartillerie dienen.
Vgl. »Bestimmungen über den einjährig-freiwilligen Dienst im Heer und in der Marine sowie über die Dienstverhältnisse im Beurlaubtenstand. Auf Veranlassung des preußischen Kriegsministeriums zusammengestellt« (2. Abdruck, Berl. 1880);
Liebau, Die wissenschaftliche Befähigung für den einjährig-freiwilligen Dienst (2. Aufl., das. 1885);
weitere Schriften von Dilthey (16. Aufl., das. 1885),
Simon (4. Aufl., das. 1885);
über die österreichischen Verhältnisse: »Der Einjährig-Freiwillige im k. k. Heer« (Wien [* 6] 1883).
2) Drei- oder Vierjährig-Freiwillige können, letztere bei der Kavallerie, vom 17. Lebensjahr an eintreten. Die Erlaubnis hierzu haben sie bis zum 31. März ihres ersten Militärpflichtjahrs bei dem Zivilvorsitzenden der Ersatzkommission unter Vorlegung des Einwilligungsscheins des Vaters oder Vormundes und eines obrigkeitlichen Führungsattestes nachzusuchen. Mit dem ihm hierauf erteilten Meldeschein meldet der Freiwillige sich bei dem von ihm gewählten Truppenteil und kann jederzeit eingestellt werden, wenn er auf Beförderung dienen will. Von der erfolgten Einstellung hat der Truppenteil die Ersatzkommission zu benachrichtigen. Eine besondere Art Freiwillige waren die Nationalfreiwilligen der Franzosen in den ersten Revolutionsjahren, welche die Aushebung entbehrlich machen sollten, was sich aber undurchführbar erwies. -
Im Krieg pflegen zu besonders gefahrvollen Unternehmungen, Rekognoszierungen etc. ebenfalls Freiwillige aus den Truppen aufgerufen zu werden.
Vgl. Freikorps und Freiwillige Jäger.