Freie
Bühne, ein im Herbst 1889 nach dem Vorbild des von Ch. Antoine in Paris [* 2] begründeten Théâtre libre von Schriftstellern und Kunstfreunden in Berlin [* 3] gebildeter Verein, der sich zur Aufgabe stellte, «eine Bühne zu begründen, welche frei ist von den Rücksichten auf Theatercensur und Gelderwerb». Die Räume eines Theaters mietend, unterschied er sich von Dilettantenvereinen dadurch, daß er die Stücke durch berufsmäßige Schauspieler darstellen ließ.
In der Auswahl der dramat. Werke und in der Art ihrer schauspielerischen
Darstellung sollten «die Ziele einer der
Schablone und dem Virtuosentum abgewandten lebendigen Kunst angestrebt werden». Ferner
erklärte die Freie Bühne:
«Wir binden uns an keine ästhetische
Theorie und schwören auf kein Programm, sondern heißen alles
willkommen, was frei und groß und lebend ist; nur das Werk der erstarrten Form bleibe uns fern, das
Produkt der Berechnung und der
Konvention.» Die Aufführungen waren nur den Vereinsmitgliedern zugänglich.
Die Freie Bühne
wollte der modernen realistischen
Richtung durch Privataufführungen die
Anerkennung der Zeitgenossen erringen, weil
auf den öffentlichen
Theatern polizeiliche Censur und private Bedenken der Bühne
nleiter diesen Bestrebungen mehrfach
im Wege standen. Hervorragend beteiligt an der
Begründung waren: Otto
Brahm,
Paul Schlenther, H. Hart, J. Hart und Julius
Stettenheim.
Im ersten Spieljahre 1889/90 zählte der
Verein über 600 Mitglieder;
der Spielplan führte Stücke an, wie: «Vor Sonnenaufgang» von Gerh. Hauptmann, «Gespenster» von Ibsen, «Familie Selicke» von Holz [* 4] und Schlaf u. s. w. Im zweiten Spieljahre 1890/91 hatte sich die Mitgliederzahl erheblich vermindert.
Bei Anfang des dritten Spieljahres 1891/92,
in dem nur
Strindbergs «Comtesse Julie» aufgeführt wurde, sah sich der Vorstand
genötigt, den
Verein auf zum
Teil neuer Grundlage zu rekonstruieren: eine bestimmte Anzahl von
Vorstellungen sollte nicht mehr
gewährleistet werden, «weil die öffentlichen
Theater
[* 5] dem modernen Realismus, soweit er von echten, dramat.
Talenten vertreten wird, zugänglicher geworden waren, als es vor
Begründung der Freie Bühne
der Fall war». 1892/93 kamen «Die
Weber» von G. Hauptmann und «Dämmerung» zur Aufführung.
Nach dem
Muster dieser Freie Bühne
bildeten sich neue
Vereinigungen zu gleichen oder ähnlichen Zwecken; in
Berlin
selbst entstand (1890) ein Konkurrenzverein Deutsche
[* 6]
Bühne, der «nur Neuheiten deutscher Schriftsteller auf dem Gebiet des
modern-realistischen und histor.-realistischen
Dramas» in seinem Spielplan verzeichnete.
Schon nach den fünf Aufführungen
des ersten Spieljahres trat der
Verein nicht mehr in die Öffentlichkeit. – Eine sehr rege Thätigkeit
zeigt hingegen die
Freie Volksbühne
, die sich 1890 unter
Bruno Wille, J. Hart u. a. bildete; ihre
Tendenz ist: «die socialistische
Weltanschauung in geeigneten Werken von der
Bühne herab zu verbreiten». Die Plätze zu den Aufführungen der
Freien Volksbühne
werden durch das Los bestimmt, das die Mitglieder aus
Urnen ziehen. Die Mitgliederzahl dieses
Vereins war
bald so groß, daß
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