Fraueneman
zipation,
s. Frauenfrage.
Frauenemanzipation
3 Wörter, 36 Zeichen
Frauenemanzipation,
s. Frauenfrage.
Die Stellung der Frau in der Gesellschaft zu regeln, ist eine Aufgabe, welche von den bestimmenden Faktoren des sozialen Lebens zu allen Zeiten anerkannt und bei den einzelnen Kulturvölkern in verschiedener Weise gelöst wurde. Eine eigentliche Frauenfrage sah erst das moderne Zeitalter entstehen. Dieselbe ist das Resultat einerseits der rationalistischen Ideen des vorigen Jahrhunderts und anderseits der Rückwirkung, welche eine völlige Umgestaltung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse seit dem Ende des Mittelalters auf die Lage des weiblichen Geschlechts ausübte.
Die Frauenfrage erscheint somit als das hervortretende Bewußtsein von dem Vorhandensein eines Widerspruchs zwischen den Anforderungen, welche vom Standpunkt einer rationellen Gesellschaftsorganisation aus wirklich oder vermeintlich zu erheben sind, und der thatsächlich den Frauen zugewiesenen Stellung. Sie bildet einen besondern Teil der allgemeinen sozialen Frage und berührt, im weitesten Sinn genommen, alle Seiten der weiblichen Existenz, die rechtliche, wirtschaftliche, sittliche und politische.
Mit der Frage zugleich entstand die Frauenbewegung als die Gesamtheit aller Bestrebungen, welche auf die Beseitigung jenes Widerspruchs durch eine Neuregelung der Beziehungen des Weibes zur übrigen Gesellschaft gerichtet sind. Die Frauenbewegung begann mit dem Ausbruch der französischen Revolution zu Ende des vorigen Jahrhunderts. Was sie damals erstrebte, war die völlige Gleichberechtigung beider Geschlechter im öffentlichen und privaten Leben. Mit innerer Konsequenz folgte auf die »Erklärung der Menschenrechte« die von Olympia de Gonges formulierte »Erklärung der Frauenrechte«.
Die Hauptforderungen lauteten auf aktives und passives Wahlrecht und auf Zulassung zu allen Ämtern. Die Frauen erschienen in den bestehenden Klubs und beteiligten sich an den Debatten, auch gründeten sie besondere Frauenklubs und verfochten ihre Sache in eignen Journalen. Als aber ein Teil derselben ihre Geschlechtsgenossinnen öffentlich aufforderte, männliche Kleidung anzulegen, um auch jede äußerliche Unterscheidung der Geschlechter zu beseitigen, entzog der Konvent ihnen das Versammlungsrecht und verfügte die Schließung ihrer Klubs.
Damit hatte die Bewegung vorläufig ihr Ende erreicht. Aufs neue tauchte sie zur Zeit der Julirevolution (1830) auf. Seit dieser Zeit wurde die Bezeichnung Frauenemanzipation üblich. Diesmal trat die Bewegung in engster Verbindung mit dem französischen Sozialismus auf und kulminierte mit dem Saint-Simonismus, der neben seiner Weibergemeinschaft eine Art sozialistischer Madonna, die femme libre, suchte. Realere Gestalt gewann sie erst mit ihrem erneuten Auftreten zur Zeit der Februarrevolution (1848). Von nun ab verbreitete sie sich auch nach andern Ländern, gestaltete sich aber doch nach Umfang und Charakter bei den einzelnen Völkern verschieden. In Europa [* 3] ist England dasjenige Land, in welchem nicht nur die Emanzipationsbestrebungen am weitesten gediehen sind, sondern wo auch zuerst eine praktische Lösung der in Angriff genommen wurde.
Auf Anregung des dortigen sozialwissenschaftlichen Kongresses wurde der erste Verein zur Förderung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts gegründet, dem bald weitere folgten. Von diesen Vereinen sind Handels- und Gewerbeschulen, Arbeitsnachweisungsbüreaus und andre Einrichtungen zur Verbesserung des Frauenloses geschaffen worden. Ein Teil der Bestrebungen richtet sich besonders auf die Beseitigung der ungünstigen Lage, in welcher die Frauen Englands im Widerspruch zu ihrem sonstigen gesellschaftlichen Ansehen hinsichtlich des bürgerlichen Rechtsverkehrs sich befinden.
Eine wesentliche Verbesserung derselben ist durch das Ehefrauen-Eigentumsgesetz von 1882 geschaffen worden. Nicht ohne Erfolg ist man bemüht gewesen, den Frauen einzelne Staats- und Ehrenämter zugänglich zu machen. Im Vordergrund indessen stehen die Bestrebungen für das aktive Wahlrecht. Für die Munizipalwahlen ist den selbständigen steuerzahlenden Frauen dasselbe bereits 1869 erteilt worden, nicht aber den Ehefrauen, die man durch ihre Männer genügend vertreten erachtet.
Das Verlangen nach Erteilung des Stimmrechts für die Parlamentswahlen blieb bisher ohne Erfolg, doch haben die hierauf gerichteten, jährlich sich wiederholenden Anträge seit längerm bedeutende Minoritäten bei den Abstimmungen erzielt. In Deutschland [* 4] hat es an einer politischen Frauenbewegung bisher gänzlich gefehlt, man verfolgt hier nur unmittelbar praktische Ziele. Seit den 60er Jahren ist in Versammlungen und Vereinen eine rege Thätigkeit, vor allem von den Frauen selbst, entfaltet worden, und wie in England gibt auch hier eine Reihe neugeschaffener Institute für Bildung und Erwerb sowie die angebahnte Reform der Mädchenerziehung in den Schulen Zeugnis von der Wirksamkeit der Bemühungen. Besonders zeichnete sich Schweden [* 5] durch das aus, was der Staat ¶
auf dem Gebiet der Frauenfrage geleistet hat, während die andern Regierungen bisher eine völlige Zurückhaltung bewiesen haben. Die romanischen, noch mehr die slawischen Völker stehen den germanischen erheblich nach. Selbst Frankreich, wo doch die ganze Bewegung ihren Ausgangspunkt fand, hat für die Lösung der Frage wenig geleistet.
In mancher Beziehung anders als in Europa liegen die Verhältnisse in Nordamerika, [* 7] wo seit der Mitte dieses Jahrhunderts die Frage ebenfalls im Fluß ist. Hier war die Lage der Frau von jeher eine begünstigte. Der Umstand, daß die weibliche Bevölkerung [* 8] früher allgemein in der Minderzahl gegenüber der männlichen war, führte zu einer hochentwickelten Frauenverehrung. In Verbindung mit den dort herrschenden rationalistisch-demokratischen Anschauungen und Lebensformen und im Zusammenhang mit dem allgemein verbreiteten Wohlstand des Landes sicherte dieselbe den ledigen wie den verehelichten Frauen von vornherein eine freiere und selbständigere Stellung als bei den Völkern alter Kultur, befreite sie von der Last der niedrigen Tagesarbeit oder erleichterte ihnen im andern Fall den selbständigen Erwerb.
Bilden doch dort unter den öffentlichen Lehrern die Frauen als Lehrerinnen mit mehr als zwei Dritteilen die Mehrheit. Auch zu andern öffentlichen Ämtern sind sie berechtigt. In den Bundesverwaltungs-Departements zu Washington [* 9] sind mindestens 1300 Frauen als Beamte mit Gehalten von 900-1800 Dollar angestellt. Infolgedessen hat sich die Frauenbewegung hier mehr als irgendwo darauf gerichtet, den Frauen im öffentlichen Leben vermehrte Rechte zu erwerben. In einigen Staaten der Union wurde ihnen das Stimmrecht eingeräumt, während von seiten der Bundesregierung ihnen dasselbe noch versagt blieb. Ein Hauptargument, mit dem die amerikanischen Frauen ihren Anspruch auf Wahlrecht begründen, und das auch von der im J. 1870 in Washington erschienenen weiblichen Deputation verwertet wurde, bildet das Stimmrecht der Neger. Sie empfinden es als eine Zurücksetzung, daß man ihnen versagt, was man einer tiefer stehenden Rasse eingeräumt hat.
Hervorgegangen aus dem Geiste der modernen Zeit, welche jedem Einzelnen das gleiche Recht zusprach und ihn mit dem Verlangen erfüllte, seine Individualität frei und ungehindert zu entfalten, schöpft die Frauenbewegung ihre nachhaltige Kraft [* 10] aus ihrem zugleich wirtschaftlichen Charakter. Im Lauf der Zeit hatte die Stellung der Frauen in der Volkswirtschaft wesentliche Änderungen erfahren. Während des ganzen Mittelalters und noch in den ersten Jahrhunderten der Neuzeit lag beim Vorherrschen der Naturalwirtschaft der Schwerpunkt [* 11] der Produktion im Familienhaushalt.
Nicht nur die Rohprodukte des Ackerbaues wurden von der Familie selbst gewonnen, sondern auch die später von ihr losgelösten gewerblichen Thätigkeiten, z. B. das Bauen, Schlachten, [* 12] Spinnen, [* 13] Weben [* 14] etc., in der Hauptsache dort verrichtet. Dabei bildete das städtische Leben keinen so vollständigen Gegensatz zum ländlichen wie heute. Denn auch die Wirtschaften selbst größerer Städte beruhten meist auf dem Betrieb des Landbaues. Hierdurch war nicht nur reiche Gelegenheit, sondern auch die dringende Notwendigkeit gegeben, weibliche Arbeitskräfte in umfassenderm Maß innerhalb der Hauswirtschaft zu verwenden.
Den ledig Gebliebenen, namentlich der bessern Stände, bot sich außerdem vielfach Unterkunft in den zahlreichen Klöstern, auch war durch Legate, Stiftungen u. dgl. in reichem Maß für sie gesorgt. Mit der zunehmenden Entwickelung der Arbeitsteilung und der Entstehung der modernen, auf der Anwendung von Maschinen und Dampfkraft beruhenden Industrie wurde die ursprüngliche Wirtschaftsverfassung nach und nach gelockert und die Produktion, indem sie für den Absatz arbeitete, mehr und mehr aus den Fesseln der Hauswirtschaft gelöst.
In dem Maß aber, wie sie sich der ursprünglich hauswirtschaftlichen Arbeitszweige bemächtigte, ging den Frauen die einst in der Familie gebotene Arbeitsgelegenheit verloren. Teilweise fand sich Ersatz für das Verlorne. Waren die Frauen unter der Herrschaft der Zünfte von der gewerblichen Arbeit ausgeschlossen gewesen, so erzeugte die moderne Großindustrie die Möglichkeit einer umfangreichen Verwendung ungelernter und schwächerer und damit billigerer Kräfte.
Letztere boten sich außer in den Kindern in den Frauen, deren Erwerbsarbeit, weil ursprünglich nur als Nebenbeschäftigung verrichtet, bei verhältnismäßig starkem Angebot daher niedriger gewertet wurde und ihren niedrigen Preis traditionell auch ferner behielt. Die weiblichen Arbeiter aber, welche nunmehr in die Fabriken eilten oder daheim für die Unternehmer sich beschäftigen ließen, gehörten ausschließlich den untern Schichten des Volkes an. Ihnen gegenüber erwuchs dem Staate die Aufgabe, eine verderbliche Ausnutzung ihrer Arbeitskraft, welche oft genug Gesundheit und Sittlichkeit aufs schlimmste gefährdete, zu verhindern, indem er die von ihnen zu leistende Arbeit nach Maß und Art begrenzte. Diese Aufgabe suchten die industriellen Staaten in der Fabrikgesetzgebung zu lösen, doch ist ihnen dies bisher nur in sehr unvollkommener Weise gelungen.
Vgl. hierüber Fabrikgesetzgebung; ferner Jules Simon, L'ouvrière (2. Aufl., Par. 1861), und die »Ergebnisse der über die Frauenarbeit in den Fabriken auf Beschluß des Bundesrats angestellten Erhebungen« (Berl. 1877).
Anders als bei der eigentlichen Arbeiterbevölkerung gestalteten sich die Verhältnisse in derjenigen Gesellschaftsschicht, welche mit dem Beamtentum und den stehenden Heeren erstand. Einerseits bewirkte hier die wachsende Schwierigkeit, die zur Gründung und Erhaltung einer Familie erforderlichen Mittel zu gewinnen, eine abnehmende Heiratsfrequenz, deren nachteilige Wirkungen die Töchter vermögensloser Familien um so mehr empfanden, als sie kraft der herrschenden Standesanschauungen sich für die Ehe auf gewisse engere Kreise [* 15] beschränkt sahen.
In den protestantischen Staaten verschlimmerte sich die Lage des weiblichen Geschlechts weiter durch die Aufhebung der Klöster. Anderseits verboten hier die herrschenden Vorurteile den ledigen Frauen, sich durch Anteilnahme am öffentlichen Erwerbsleben selbständigen Unterhalt zu schaffen. In diesen Kreisen sah man den einzigen und natürlichen Beruf der Frau darin, Mutter und Gattin zu sein, so daß die ehelose Existenz als beklagenswert, weil ohne Lebenszweck, erscheinen mußte.
Hierdurch wurde nicht nur die sittliche Auffassung der Ehe beeinträchtigt, indem sie oft nur als Versorgungsmittel betrachtet wurde, sondern es litt auch darunter die weibliche Erziehung, die neben der männlichen stark vernachlässigt blieb. So erwuchs in den ledigen Frauen dieser Stände eine ansehnliche Bevölkerungsmasse, die durch Anschauungen und Erziehung darauf angewiesen war, von der Arbeit andrer mitzuleben, und daher überwiegend dem Elend einer unselbständigen, dem Zufall preisgegebenen Existenz verfallen war.
Die Frauenfrage betrifft danach vorzugsweise die ¶
Unverheirateten. In der Hauptsache wird die soziale Stellung des weiblichen Geschlechts stets bestimmt bleiben durch die Ehe und Familie und durch die Aufgaben, welche der Frau in Rücksicht auf diese erwachsen. Im übrigen trägt die Frauenfrage bei den untern Ständen einen andern Charakter als bei den mittlern. Sie berührt mehr die städtische Bevölkerung als die ländliche, wo die naturalwirtschaftlichen Verhältnisse zum Teil fortbestehen. In erster Linie ist sie gerichtet auf die Hebung [* 17] der Erwerbsthätigkeit und Erwerbsfähigkeit, welche hauptsächlich durch eine gründliche Reform der weiblichen Bildung und Erziehung zu bewirken ist.
Die Unvollkommenheit der letztern hatte zur Folge, daß die Frauen bisher wegen mangelhafter Beschaffenheit der Leistungen oder aus übergroßer Konkurrenz auf den wenigen Gebieten, auf welche sie angewiesen waren, nur ein unzulängliches Entgelt für ihre Arbeit erhielten. An eine verbesserte allgemeine Schulbildung, welche die Frauen auch mehr für ihren Beruf in der Familie vorzubereiten hätte, muß sich eine fachliche Fortbildung anschließen, um ihnen den Erwerb, wenn sie dessen bedürfen, überhaupt aber die Erfüllung eines eigentlichen Berufs zu erleichtern.
Denn auch dann, wenn es nicht der Gewinnung des Lebensunterhalts gilt, haben die Frauen, gleich den Männern, Pflichten gegen die Gesellschaft, und soweit es nicht im Dienste [* 18] der Familie geschehen kann, sollen sie diese Pflichten in einer andern für ihr Geschlecht geeigneten Weise erfüllen. Erst damit, daß man Anlagen und Fähigkeiten der Frauen in ähnlicher Weise entwickelt wie beim männlichen Geschlecht, zugleich aber das Entgelt für ihre Leistungen ohne Rücksicht auf das Geschlecht bemißt, werden Arbeits- und Erwerbsfreiheit auch für die Frauen ihre volle Bedeutung erlangen.
Hand [* 19] in Hand mit der Bildungs- und Erziehungsreform muß eine Vermehrung der Arbeitsgelegenheit gehen. Zu diesem Behuf gilt es, die bestehenden Vorurteile und Gewohnheiten zu besiegen, welche zur Zeit auf vielen Gebieten der menschlichen Thätigkeit die umfassendere Verwendung weiblicher Arbeitskräfte hindern. Manches ist bereits darin erreicht worden, wie das Beispiel der Verwendung von Frauen für den Post-, Telegraphen- und Eisenbahndienst in vielen Staaten beweist.
Eine völlige Gleichstellung der Geschlechter auf allen Arbeitsgebieten kann allerdings nicht das Ziel sein. Denn trotz der gegenteiligen Behauptung Mills u. a. begründet das Geschlecht eine natürliche Verschiedenheit der körperlichen, geistigen und Gemütsanlagen, die Berücksichtigung verdient. Wie die schwere körperliche Arbeit und der Waffendienst, so wird auch die leitende geistige Thätigkeit den Männern stets vorbehalten bleiben. Die genauere Grenzbestimmung aber wird erst durch eine reichere Erfahrung gewonnen und überhaupt nicht mit absoluter Gültigkeit festgestellt werden können.
Gegenwärtig erscheinen die Frauen oft selbst noch in solchen Beschäftigungen von den Männern verdrängt, für welche, wie auf dem Gebiet des Elementarunterrichts, der Mädchenerziehung, der Krankenpflege u. a., ihre natürliche Befähigung nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden kann. Indem man die Erziehung verbessert und das Gebiet der weiblichen Wirksamkeit erweitert, wird zugleich die sittliche Würde der Frauen erhöht werden und wird man auf diesem Weg wirksamer als mit bloßen Polizeimaßregeln dem weitern Umsichgreifen der Prostitution steuern. Denn in der materiellen Not der ledigen weiblichen Bevölkerung ruht eine der wichtigsten Ursachen für die bedenkliche Ausbreitung des Übels.
Die Frauenbeschäftigungsfrage brachte für Deutschland im J. 1865 zunächst Präsident Lette in Berlin [* 20] in Fluß, indem er unter dem Protektorat der Kronprinzessin Viktoria einen Verein zur Förderung der Erwerbsthätigkeit des weiblichen Geschlechts gründete (s. Frauenvereine II). Dieser Verein, später Lette-Verein genannt, hat sich zur Aufgabe gesetzt:
1) Beseitigung der Vorurteile und Hindernisse, die der höhern Bildung und der Erwerbsthätigkeit der Frauen im Weg stehen;
2) Förderung der gewerblichen Ausbildung der Frauen;
3) Arbeitsvermittelung (mit Ausschluß der niedern Dienstverrichtungen);
4) Einrichtung von Verkaufsstellen für Frauenarbeiten;
5) Schutz selbständig beschäftigter Frauen gegen sittliche und wirtschaftliche Schäden. Eine Frucht des Lette-Vereins ist die Handels-, Gewerbe- und Zeichenschule für Frauen und Töchter in Berlin. Sodann rief Frau Luise Otto-Peters in Leipzig [* 21] den Allgemeinen deutschen Frauenverein ins Leben. 1866 ward in Berlin der Viktoria-Bazar als ein Verkaufslokal für Frauenarbeiten gegründet. Die erste Gewerbeschule für das weibliche Geschlecht schuf Direktor Nöggerath in Brieg; [* 22] eine ähnliche wurde in Hamburg [* 23] unter Frau Wüstenfeld sowie ein Paulson-Stift für das weibliche Geschlecht eingerichtet; in Prag [* 24] rief Professor C. Th. Richter eine Handelsschule für dasselbe ins Leben, während in Leipzig seit 1863 die Lehranstalt für erwachsene Töchter zur Ausbildung für den kaufmännischen Geschäfts- und Gewerbebetrieb besteht. Auch in München, [* 25] Nürnberg, [* 26] Stuttgart, [* 27] Darmstadt [* 28] gibt es solche Institute.
Einen besondern Teil der weiblichen Erziehungsfrage bildet die Frage, ob Frauen zum Studium der Wissenschaften zuzulassen seien. Die übrigens schwer zu begründende Behauptung der Gegner des Frauenstudiums, daß dem weiblichen Geschlecht die Befähigung zur selbständigen wissenschaftlichen Forschung abgehe, kann nicht als entscheidend gelten. Der weit überwiegenden Mehrzahl der Studierenden dient der wissenschaftliche Universitätsunterricht nur als Vorbereitung für die höhern praktischen Berufsfächer, und daß auch Frauen den Anforderungen des sogen. Brotstudiums entsprechen können, hat die Erfahrung genügend gezeigt. In der That haben nicht wenige Frauen in der Pflege der Wissenschaften bereits Hervorragendes geleistet. Das griechische Altertum kannte einzelne Ärztinnen und brachte noch zum Schluß in Alexandria die berühmte, 415 v. Chr. vom Pöbel ermordete Philosophin Hypatia hervor. Berühmt als Dichterin in lateinischer Sprache [* 29] ist die sächsische Nonne Hroswitha (gest. 967) in Gandersheim.
Italien [* 30] hatte seine gelehrten Frauen im Mittelalter und vorzüglich in der Zeit des Humanismus. Auch in Deutschland weist namentlich das Jahrhundert von 1750 bis 1850 eine stattliche Reihe weiblicher Doktoren in der medizinischen u. philosophischen Fakultät und andre gelehrte Frauen auf, unter denen Christiane Erxleben, geborne Leporin (1754), welche auch eine »Gründliche Untersuchung der Ursachen, welche das weibliche Geschlecht vom Studio der Medizin abhalten« geschrieben hat, Christiane Dilthey, spätere Frau Büsching (1755), Dorothea Schlözer, spätere Frau Rodde (1787), Karoline Herschel sowie Mutter und Tochter v. Siebold (1815 u. 1817) besonders bekannt sind. Wie weit Frauen zum Universitätsstudium zuzulassen seien, ist deshalb vielmehr davon abhängig zu machen, wie weit die Ausübung der höhern Berufsarten als vereinbar mit dem Naturell und der Leistungsfähigkeit der Frauen sowie mit den tiefer begründeten sittlichen ¶