Titel
Franchi
(spr. -ki), 1) Alessandro, Kardinalstaatssekretär, geb. zu Rom [* 2] als Sohn eines Notars, ward im römischen Seminar erzogen, wo er sich durch seine bedeutende Begabung und erfolgreichen Fleiß auszeichnete, erlangte die Gunst des Kardinalstaatssekretärs Lambruschini, ward von Pius IX. 1846 zum Monsignore und Kämmerer erhoben und 1848 an den Kaiser Ferdinand von Österreich [* 3] geschickt, um diesen zur freiwilligen Abtretung seiner italienischen Länder zu bewegen, was ihm aber nicht gelang. 1853 wurde er zum interimistischen Geschäftsträger in Madrid, [* 4] 1856 zum Erzbischof von Salonichi in partibus infidelium und zum Nunzius in Florenz [* 5] ernannt, wo er einen hervorragenden Anteil an der Bekämpfung der Politik Cavours hatte.
Nach dem
Sturz des Großherzogtums 1859 kehrte Franchi
nach
Rom zurück und ward
Staatssekretär für die kirchlichen Angelegenheiten. 1868 ging
er zum zweitenmal nach
Madrid als
Nunzius; nach
Isabellas Vertreibung 1869 zurückberufen, beteiligte er
sich an den Vorarbeiten zum vatikanischen
Konzil. Als 1871 das
Schisma in der armenischen
Kirche ausbrach und die
Pforte die
Anti-Infallibilisten begünstigte, ward Franchi
nach
Konstantinopel
[* 6] gesendet, um den
Sultan für den
Vatikan
[* 7] zu gewinnen und dem infallibilistischen
Patriarchen Hassun wieder zur allgemeinen
Anerkennung zu verhelfen. Er erreichte auch durch
Verhandlungen
mit dem
Großwesir
Aali Pascha seinen
Zweck, doch vereitelte der
Tod des letztern die Ausführung der verabredeten Maßregeln.
Am ward Franchi
zum
Kardinal ernannt und 1874
Präfekt der
Propaganda, in welcher
Stellung er eine eifrige und erfolgreiche
Thätigkeit entwickelte. Nach
Pius' IX.
Tod beförderte er die
Wahl
Leos XIII. und ward von diesem
zum
Staatssekretär ernannt. Im
Gegensatz zu dem schroffen Auftreten
Pius' IX. schlug er mit Zustimmung des
Papstes eine gemäßigte
Politik gegen die Mächte ein und hatte in
Bayern
[* 8] und
Preußen
[* 9] dadurch schon nicht unbedeutende Erfolge
erzielt, als
¶
mehr
er plötzlich durch einen Anfall von Sumpffieber (nicht ohne Verdacht der Vergiftung) dahingerafft wurde.
2) Ausonio, ital. Philosoph, geb. zu Pegli bei Genua,
[* 11] mit seinem eigentlichen Namen Cristoforo Bonavino, widmete sich
dem geistlichen Stand, legte jedoch das geistliche Kleid ab, um in den beiden Werken: »Il razionalismo
del popolo« (Genf
[* 12] 1856; 3. Aufl., Mail. 1864) und »La religione del secolo XIX« (Genf
1853; neue Ausg.,
Mail. 1859) als der erste gegen die nationale scholastische und orthodoxe Philosophie Front zu machen. Sein Werk »La filosofia
delle scuole italiane« (Capolago 1852, Flor. 1862; ein »Appendice« dazu, Genua 1853, Mail. 1866) polemisiert
namentlich gegen Mamianis »Bekenntnisse eines Metaphysikers«, deren platonisierende
Richtung Franchis
kühl-rationalistischer Denkart widerstrebte. Franchi
begründete damals auch ein Journal: »La ragione« (Turin
[* 13] 1854-57, 7 Bde.),
in welchem er mit gleichem Freimut vorging.
Trotz seiner scharfen Polemik gegen die orthodoxe Philosophie übertrug ihm die neue italienische Regierung 1860 die
Professur der Philosophie der Geschichte an der Akademie zu Pavia und später (1863) an der Accademia scientifico-letteraria
zu Mailand.
[* 14] In dieser Stellung veröffentlichte Franchi
die »Letture su la storia della filosofia
moderna« (Mail. 1863, 2 Bde.) und »Prolusione al corso di filosofia nell' accademia scientifico-letteraria di Milano«
(Turin 1868),
die weniger allgemeinen Beifall fanden als seine frühern polemischen Schriften. In dem spätern Werk: »Sulla teorica del giudizio« (Mail. 1870, 2 Bde.),
versuchte er die Natur der »a priori synthetischen Urteile« Kants zu begründen. Weiter erschienen: »Saggi di critica e polemica« (Mail. 1870-72, 3 Bde.);
»Nuovi elementi di grammatica generale applicati alla lingua italiana« (das. 1866, 2. Aufl. 1874) und die Broschüre »La caduta del principato ecclesiastico e la restaurazione dell' imperio germanico« (das. 1871).