Die Fortbildungsschulen haben die allgemeine
Volksschule, deren
Unterricht sie ergänzen sollen, zur Voraussetzung.
Sie konnten daher erst entstehen, seitdem diese zu einer allgemeinern Verbreitung gelangt ist, d. h.
seit dem vorigen
Jahrhundert. Zuerst wurde der Fortbildungs- oder Wiederholungsunterricht an die kirchlichen
Katechesen am Sonntagnachmittag angeschlossen, so in
Württemberg
[* 2] seit 1735,
Baden
[* 3] 1756,
Preußen
[* 4] 1763,
Österreich
[* 5] seit
Joseph II.,
Bayern
[* 6] 1803. Auch außerhalb
Deutschlands
[* 7] verfiel man auf diesen naheliegenden Weg, woraus die besonders in
England,
Nordamerika
[* 8] etc. verbreiteten, vorwiegend religiösen
Sonntagsschulen (s. d.) hervorgingen. - Die eigentlichen Fortbildungsschulen haben
sich in unserm
Jahrhundert in der doppelten Gestalt der gewerblichen (städtischen) und allgemeinen (ländlichen)
Fortbildungsschule weiter entwickelt.
Nach § 106 und 142 der
Gewerbeordnung für den Norddeutschen
Bund vom dürfen die
Gemeinden für die Fortbildungsschulen den
Schulzwang
für
Gesellen,
Lehrlinge und
Gehilfen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr einführen. Die staatliche Unterstützung wird meistens
davon abhängig gemacht, daß die
Gemeinden dieses
Recht benutzen. Die gewerblichen Fortbildungsschulen stehen seit in
Preußen wieder unter dem Handelsminister. In ihnen bildet das
Zeichnen den Hauptgegenstand des
Unterrichts.
Die eigentümliche Form der landwirtschaftlichen Fortbildungsschulen, die vorzüglich in
Württemberg (seit 1856) und
Nassau sich verbreitet
hatten, scheint sich gegenüber der allgemeinen ländlichen Fortbildungsschule nicht halten zu können, da selbst in landwirtschaftlichen
Kreisen die Überzeugung immer mehr Platz greift, daß es für die reifere
Jugend viel mehr auf Ergänzung
und Vertiefung der Volksschulbildung und
-Erziehung ankommt als auf technische Vorbildung für den besondern Lebensberuf.
In
Preußen, wo es übrigens an erfreulichen
Ansätzen schon seit längerer Zeit nicht gefehlt hat, ist besonders seit 1876 von
seiten des
Staats auch für diese Art der Fortbildungsschule viel geschehen.
Den Bemühungen der Behörden kommen auch hier in manchen Gegenden gemeinnützige
Vereine, unter denen
neben den
Gewerbevereinen und landwirtschaftlichen
Vereinen vor allen die deutsche
»Gesellschaft für Verbreitung von
Volksbildung«
zu nennen ist, fördernd entgegen. In ihren höhern Entwickelungsformen grenzen die an die gewerblichen
Fachschulen (s. d.),
in Preußen 1881-1890 (nach der Denkschrift des Handelsministeriums vom April 1891). Mit den gewerblichen
Fachschulen (s. d.) haben in Preußen die Fortbildungsschulen das doppelte Geschick geteilt, später als in den meisten andern
StaatenAufmerksamkeit und kräftige Förderung von seiten des Staates zu erfahrenund dann nicht sofort einen festen Anschlußpunkt
im Organismus der Staatsbehörden zu finden, sondern die Stelle im Verwaltungssystem wiederholt wechseln zu müssen.
Beides geschah, und infolge davon erging ein Erlaß des Kultusministers, worin dieser allen
Provinzialbehörden die nachdrückliche Förderung der Fortbildungsschulen als einer für das gemeine Wohl überaus bedeutsamen Angelegenheit
zur Pflicht machte. Damit Zugleich wurden »Grundzüge für die Einrichtung gewerblicher
Fortbildungsschulen« herausgegeben. Darin, wie in der nachfolgenden nähern Anweisung vom ward den Fortbildungsschulen die doppelte
Aufgabe gestellt, »die sittliche Tüchtigkeit der aus der Volksschule entlassenen Jugend zu befestigen und zu erhöhen und
ihre Gewerbstüchtigkeit zu fördern«; es soll darum Gewicht darauf gelegt werden, daß in den Lehrplänen der Fortbildungsschulen nicht nur
die technischen, sondern auch die ethischen Lehrfächer (jedoch mit Ausschluß des eigentlichen, konfessionellen
Religionsunterrichts) angemessene Berücksichtigung finden. Am folgte ein entsprechender Erlaß des Kultusministers
mit »Grundzügen für die Einrichtung ländlicher Fortbildungsschulen«. Auch
deren Aufgabe ist nach der Ansicht des Ministers eine doppelte, »die Volksschulbildung ihrer Zöglinge zu befestigen,
zu ergänzen und sie, soweit die Möglichkeit dazu sich bietet, mit besonderer Rücksicht auf die ländlichen
Gewerbe und den Betrieb der Landwirtschaft zu erweitern«. Als wichtiges Hilfsmittel für die gewerblichen Fortbildungsschulen bot sich
die in § 106 und 142 der Reichsgewerbeordnung vom begründete
Möglichkeit,
den Besuch einer derartigen Schule für die beteiligten Kreise
[* 30] durch Ortsstatut obligatorisch zu machen. Der
Minister schrieb nämlich im Erlaß vom vor, daß die Bewilligung eines neuen Staatszuschusses in der Regel nur solchen
Fortbildungsschulen zu gute kommen sollte, für die von jener Möglichkeit wirklich Gebrauch gemacht worden wäre. Nur ausnahmsweise durfte
hiervon da abgesehen werden, wo nach Lage der Umstände bestimmt zu erwarten war, daß die Schule auch
ohne Schulzwang allgemein besucht sein würde und demnach die heilsame Absicht auch ohne zwingendes Ortsstatut zu erreichen
wäre.
Außerdem machte der Minister, da gedeihliche Entwickelung der gewerblichen Fortbildungsschulen erst zu erwarten wäre, wenn die Gemeinden sich
der Sache annähmen, die Bewilligung der Staatszuschüsse davon abhängig, daß in jedem Fall die Gemeinde
die Kosten für Lokal, Heizung
[* 31] und Beleuchtung
[* 32] allein trüge und für die übrigen Bedürfnisse der Schule mindestens den gleichen
Beitrag leistete wie der Staat. Auf diesen Grundlagen war bereits das Fortbildungswesen mehr und mehr gefördert, als 1879 das
gesamte technische Unterrichtswesen an das Kultusministerium überging und es dadurch möglich ward, und
Fachschulen, die einander so nahe berühren und so vielfach ineinander übergehen, zu einem Ganzen zusammenzufassen und
unter eine einheitlich geleitete Ministerialabteilung zu stellen, in der die technischen Hochschulen und Oberrealschulen (ehedem
Gewerbeschulen) den Geheimrat Wehrenpfennig, die Fortbildungsschulen dagegen mit den mittlern und niedern gewerblichen Fachschulen
den Geheimrat Lüders als besondern Leiter behielten und erhielten.
Von der Hand
[* 33] dieses letztern genauen Kenners des preußischen Gewerbe- und namentlich gewerblichen Schulwesens stammen denn
auch die drei Denkschriften von 1881, 1883, in denen seitens des Schulministeriums, und die ausführlichere des Jahres 1891,
in der seitens des Handelsministeriums über die weitere Entwickelung wie des Fachschul-, so des Fortbildungsschulwesens
der ständigen Kommission für das technische Unterrichtswesen Rechenschaft gegeben wurde.
Unmittelbar mit den Fortbildungsschulen beschäftigt sich allerdings nur der dritte und letzte dieser Berichte, der darum in dem ihnen gewidmeten
zweiten Teil auch etwas weiter ausholt. Mit nämlich wurde, wie näher im Artikel »Fachschulen«
dargelegt worden, das mittlere und niedere Fachschulwesen (mit den einzelnen dort angegebenen Ausnahmen) samt allen Fortbildungsschulen dem
Ministerium für Handel und Gewerbe teils wieder, teils neu zugewiesen. Mit ihnen ging von den beiden genannten Aufsichtsbeamten
der Geheimrat Luders zum Handelsministerium zurück.
In dem von der Denkschrift des Jahres 1891 umfaßten Zeitraum hat das Fortbildungsschulwesen im preußischen Staat eine ziemlich
wechselvolle Geschichte durchlebt. Zunächst sah schon 1884 der Kultusminister sich veranlaßt, seine in den Grundzügen
vom niedergelegten Ansprüche an den Unterricht der gewerblichen Fortbildungsschulen anders festzustellen. Der Erlaß vom führt
in dieser Hinsicht das Folgende aus: Nach damals angestellter Erhebung zählte der preußische Staat 1261 Fortbildungsschulen, davon 644 gewerbliche, 617 ländliche,
mit 68,712 Schülern, deren 58,317 die gewerblichen, 10,395 die ländlichen Anstalten besuchten. Es kam bei dieser Erhebung
jedoch zu Tage, daß, ganz abgesehen von dem meist sehr bescheidenen Zuschnitt der ländlichen Fortbildungsschulen, auch
die Mehrzahl der gewerblichen Schulen nur über eine Unterrichtszeit von 4-6 Stunden¶
mehr
wöchentlich verfügte. Die Grundzüge von 1874 hatten einen zweistufigen Aufbau der Fortbildungsschulen als Regel vorausgesetzt, wobei der
Unterstufe die Aufgabe zugedacht war, im Dienste
[* 35] allgemeiner Fortbildung thunlichst sämtliche Lehrgegenstände einer gehobenen
Volksschule zu umfassen, während der Oberstufe die berufliche Fortbildung leitender Gesichtspunkt sein und demgemäß dort
ein womöglich achtstündiger Zeichenunterricht eintreten sollte. Gegenüber der erfahrungsgemäß viel
kürzern zu Gebote stehenden Unterrichtszeit ließ sich das nicht festhalten ohne Gefahr der Zersplitterung und der Versäumnis
des praktisch Wichtigsten und Wertvollsten.
Der Minister bestimmt daher: »Bei Annahme einer Unterrichtszeit von wöchentlich 6 Stunden wird die gewerbliche Fortbildungsschule
auf die Lehrgegenstände sich beschränken müssen, welche nach dem Bedürfnis des Handwerks und des kleinern
Gewerbstandes am nächsten liegen, und das sind nach allgemeinem Anerkenntnis das Deutsche, das Rechnen nebst den Anfängen
der Geometrie und (für die Mehrzahl der Handwerkslehrlinge) das Zeichnen. Jedem dieser Gegenstände werden in der Regel 2 Stunden
zu widmen sein«, so jedoch, daß, wo irgend möglich, im weitern Fortschritte derselbe Schüler auf einer
obern Stufe bei eingeschränkter Teilnahme an den beiden übrigen Fächern mehr Stunden (etwa 4) auf das Zeichnen zu verwenden
hat.
Da es keinen Erfolg verspricht, die wenigen Stunden derart zu teilen, daß neben dem Deutschen noch Geschichte, Geographie, Naturlehre
besonders behandelt werden, so muß thunlichst das Lesebuch für diese Fächer
[* 36] mit aufkommen und Stücke enthalten, deren Lektüre
und Besprechung für sie fruchtbar gemacht werden kann. Rechnen und Raumlehre müssen sich eng den Bedürfnissen des gewerblichen
Lebens anschließen. Das Kopfrechnen ist so zu üben, daß schriftliches Rechnen erst da einzutreten
braucht, wo die Zahlen wegen ihrer Größe schwer im Gedächtnis haften. Wo irgend möglich, muß jeder Schüler lernen, Umfang
und Inhalt geradlinig begrenzter ebener Figuren und des Kreises sowie Oberfläche und Inhalt von Körpern mit ebenen Flächen und
der Kugel zu berechnen. Im Zeichnen ist mit Übung des Augenmaßes und der Handfertigkeit an einfachen Figuren
nach Wandtafeln, dann nach einfachen Holzmodellen und Werkzeugen zu beginnen.
Außerdem ist Wert zu legen auf Gebrauch von Zirkel, Lineal, Reißfeder bei Darstellung von Flächenmustern und vom Auf-, Grund-
und Seitenriß einfacher Körper. Erst danach darf zur Darstellung von Körpern in gerader und schiefer Projektion,
[* 37] Abwickelungen, Schnitten, Durchdringungen, Geräten, Maschinenteilen mit Rücksicht auf den besondern Beruf der einzelnen Schüler
fortgeschritten werden. Die Erweiterung des Lehrplanes bei günstiger gestellten Fortbildungsschulen richtet sich nach den Umständen. Wo dagegen
gar nur 4 Stunden in der Woche verfügbar sind, empfiehlt der Minister, für die Unterstufe ganz vom Zeichnen abzusehen
und diesem dafür die Zeit auf der Oberstufe ganz oder vorwiegend zu widmen. Wünschenswert ist, daß bei Tage, d. h. thatsächlich
am Sonntag, gezeichnet wird. Davor jeder Neubewilligung staatlicher Zuschüsse der Lehrplan der betreffenden Schule genau vereinbart
wird, was besonders noch ein Erlaß des Handelsministers vom den Mittelbehörden einschärft,
so haben diese Vorschriften auf das innere Leben der preußischen Fortbildungsschulen bereits segensreich eingewirkt.
ErnsteGefahr drohte den Fortbildungsschulen von einer andern Seite. Nach den preußischen Erfahrungen gedeiht (wenigstens in kleinern und mittlern
Städten) der
Fortbildungsunterricht fast nur da, wo der Besuch der Fortbildungsschulen den Lehrlingen und mittelbar ihren Lehr-Herren
als Pflicht auferlegt werden darf. In Süddeutschland (Bayern, Württemberg, Baden) hat man freilich mit der bloßen Empfehlung
und Ermutigung durch Prämien und Beihilfen gute Ergebnisse erzielt. Allein, abgesehen von den dort für das Gewerbe durchweg
günstigern Verhältnissen und dem gegenüber dem preußischen Osten durchschnittlich höhern Stande der Schulbildung, ist
zu beachten, daß in diesen Staaten unmittelbare Besuchspflicht zwar für die gewerblichen Fortbildungsschulen nicht, wohl aber für die allgemeinen
Fortbildungsschulen besteht, und daß der thatsächliche Besuch jener von der Pflicht zum Besuche dieser befreit.
Die preußische Erfahrung hatte dazu geführt, daß bereits in der Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes, die 1871 auf
das Deutsche Reich überging, den Gemeinden das Recht eingeräumt war, die Lehrlinge bis zu 18 Jahren zum Besuch der gewerblichen
Fortbildungsschulen des Ortes zu verpflichten. Dieser gesetzlichen Bestimmung haftete nur der Mangel an, daß nicht zugleich den Gemeinden das
Recht gegeben war, mutwilligen Nichtbesuch der Fortbildungsschulen seitens der Lehrlinge oder vorschriftswidriges Zurückhalten
der Lehrlinge durch die Meister unter Strafe zu stellen.
Dies hatte die beteiligten Minister bereits 1871 (4. März) veranlaßt, den Weg zu empfehlen, daß neben dem Ortsstatut, das den
Besuch der Fortbildungsschulen den Beteiligten auferlegte, durch eine besondere Polizeivorschrift die Zuwiderhandelnden
mit Strafe bedroht würden. Für beides waren Formeln festgesetzt und vielfältig empfohlen, so daß in
einer größern Zahl von Städten die Angelegenheit befriedigend geordnet schien. Da sprach in einem Erkenntnis vom das
vormalige preußische Obertribunal einer derartigen Polizeiverordnung aus der Stadt Solingen
[* 38] die Rechtsverbindlichkeit ab,
»weil die Sorge für eine gewissen Gesellschaftsklassen noch
über Maß und Dauer der Volksschulpflicht Zu beschaffende Bildung nicht zu den an der maßgebenden Stelle des Gesetzes über
die Polizeiverwaltung vom bezeichneten Gegenständen ortspolizeilicher Vorschriften gehörte«. Das Obertribunal
nahm sogar an, daß die Fassung dieser Gegenstände unter den Ausdruck »alles, was im besondern polizeilichen Interesse der
Gemeinden und ihrer Angehörigen geordnet werden muß«, die landespolizeiliche Ordnung des Besuches der Fortbildungsschulen ausschlösse. Daß
der angeführte Paragraph nach der Gesetzsammlung richtiger lautet: »Alles, was im besondern Interesse der Gemeinden und ihrer
Angehörigen polizeilich geordnet werden muß«, kann dem gegenüber wenig austragen. Indes eignete anfangs das seit 1879 zuständige
Kammergericht zu Berlin die Auslegung des Vorgerichts sich nicht an und erkannte in einer analogen Berufungssache eine
derartige Polizeivorschrift als rechtskräftig an, da der Zwang zum Besuch der Fortbildungsschulen im besondern Interesse der Gemeinden läge.
Erst kam das Kammergericht, indem es das Gesetz von 1850 in der schon vom Obertribunal angenommenen
Wortfassung citiert, auf die ablehnende Haltung zurück und hielt in mehreren folgenden Fällen diese aufrecht. Selbstverständlich
lenkten nun auch die niedern Gerichte in denselben Weg ein, und die Folge war eine Unsicherheit des Bestandes der Fortbildungsschulen, die namentlich
in den ProvinzenPosen
[* 39] und Westpreußen
[* 40] zu empfindlichem Rückgang der guten Sache führte. Erst durch eine
Novelle zur Reichsgewerbeordnung vom ist diesem schlimmen Zustand ein Ende bereitet. Nach ihr lautet
¶
mehr
nunmehr § 120 dieses Gesetzes, wie folgt: Die Gewerbeunternehmer sind verpflichtet, ihren Arbeitern unter 18 Jahren, welche
eine von der Gemeindebehörde oder vom Staat als Fortbildungsschule anerkannte Unterrichtsanstalt besuchen, hierzu die erforderlichen
Falls von der zuständigen Behörde festzusetzende Zeit zu gewähren. Am Sonntag darf der Unterricht nur stattfinden, wenn
die Unterrichtsstunden so gelegt werden, daß die Schüler nicht gehindert sind, den Hauptgottesdienst
oder einen für sie eingerichteten besondern Gottesdienst ihrer Konfession zu besuchen.
Ausnahmen von dieser Bestimmung kann die Zentralbehörde für bestehende Fortbildungsschulen, zu deren Besuch keine Verpflichtung besteht,
bis zum gestatten. Durch statutarische Bestimmung einer Gemeinde oder eines weitern Kommunalverbandes
kann für männliche Arbeiter unter 18 Jahren die Verpflichtung zum Besuch einer Fortbildungsschule, soweit diese Verpflichtung
nicht landesgesetzlich besteht, begründet werden. Auf demselben Wege können die zur Durchführung dieser Verpflichtung erforderlichen
Bestimmungen getroffen werden.
Insbesondere können durch statutarische Bestimmung die zur Sicherung eines regelmäßigen Schulbesuchs den
Schulpflichtigen sowie deren Eltern, Vormündern und Arbeitgebern obliegenden Verpflichtungen bestimmt und diejenigen Vorschriften
erlassen werden, durch welche die Ordnung in der Fortbildungsschule und ein gebührliches Verhalten der Schüler gesichert wird.
Von der durch statutarische Bestimmung begründeten Pflicht zum Besuch einer Fortbildungsschule sind diejenigen befreit, welche
eine Innungs- oder andre Fortbildungs- oder Fachschule besuchen, sofern der Unterricht dieser Schule von
der höhern Verwaltungsbehörde als ein ausreichender Ersatz des allgemeinen Fortbildungsschulunterrichts anerkannt wird."
Man darf hoffen, daß auf dieser Grundlage die schädlichen Folgen der eingetretenen Rechtsunsicherheit bald wieder ausgeglichen
sein werden und zugleich ein neuer Aufschwung des Fortbildungsschulwesens überhaupt in Preußen eintreten
wird.
Diese Hoffnung gilt besonders auch für die bereits genannten ProvinzenPosen und Westpreußen, deren eigenartige Verhältnisse
hier noch kurz berührt werden müssen. Durch das Gesetz vom (eins der sogen. Polengesetze) ist der Minister für
Handel und Gewerbe ermächtigt, in beiden Provinzen Fortbildungsschulen aus Staatsmitteln zu errichten und zu unterhalten
und an denjenigen Orten, in denen die Verpflichtung zum Besuch der Anstalten nicht durch Ortsstatut begründet wird, diese
Verpflichtung den Arbeitern unter 18 Jahren aufzuerlegen; jedoch darf auch nach diesem Gesetz schon Sonntags während der Stunden
des Hauptgottesdienstes nicht unterrichtet werden.
Auf Grund dieses Gesetzes wurden die Magistrate aller Städte von 1000 Einw. und darüber, mit Ausnahme von
Posen und Danzig,
[* 42] aufgefordert, Ortsstatute zu erlassen, durch die den noch nicht 18 Jahre alten Lehrlingen, Gesellen, Gehilfen
und gewerblichen Arbeitern die Verpflichtung zum Besuch der zu errichtenden staatlichen Fortbildungsschulen auferlegt
wurde. Dieser Aufforderung haben alle Magistrate bis auf drei in kleinen Orten entsprochen, und für diese
hat der Handelsminister von der ihm erteilten Befugnis Gebrauch gemacht und die Verpflichtung ausgesprochen. Auch die nach
damaliger Sachlage notwendigen Polizeiverordnungen ergingen für alle Städte, und das Werk nahm noch bis 1890 einen im wesentlichen
erfreulichen Fortgang. Über die dann eingetretenen Schwierigkeiten
wie
über die gesetzliche Gegenmaßregel ist bereits berichtet worden.
Der Bestand der in der preußischen Monarchie war im J. 1890: 573 obligatorische gewerbliche Schulen mit 61,338 Schülern (davon
in Posen und Westpreußen 159 Schulen mit 12,013 Schülern), 367 fakultative gewerbliche Fortbildungsschulen mit 43,704 Schülern, 727 ländliche
Fortbildungsschulen mit 11,144 Schülern. Den gewerblichen Fortbildungsschulen müssen aber, um das Bild nicht unvollständig zu lassen,
noch 289 Innungsschulen mit 12,118 Schülern und 35 andre von gewerblichen Verbänden begründete niedere Fachschulen, die hierher
gehören, mit 2408 Schülern zugerechnet werden, so daß im ganzen herauskommen: 1264 gewerbliche Fortbildungsschulen mit 119,568
Schülern und (die ländlichen eingerechnet) 1991 Fortbildungsschulen überhaupt mit 130,712
Schülern.
Diese Zahlen zeigen gegen 1882 einen erheblichen Fortschritt. Allein der Fortschritt ist wahrscheinlich größer, als die
Zahlenan sich annehmen lassen, da die oben angegebene Summe von 1882 (1261 Schulen und 68,712 Schüler), wie nachträglich erkannt
worden, eine Anzahl von Anstalten einschließt, die nicht unter den Begriff der Fortbildungsschulen gehören. Entsprechend
hat auch der Aufwand des Staates für die Fortbildungsschulen zugenommen. Er betrug noch 1885 nur 177,000 Mr., 1886 wurden daraus 197,000 Mk.,
denen damals für Posen und Westpreußen 200,000 (zusammen 397,000) Mk. hinzutraten. Im Staatshaushalt für 1890/91 betrug der
Ansatz für Posen und Westpreußen 350,000 Ml. und für die übrige Monarchie 440,000 Mk., zusammen 790,000
Mk.
Der Fortschritt auf diesem Gebiet während der letzten Jahre war bedeutend und gereicht dessen berufenen Pflegern zur hohen
Ehre. Allein das Ergebnis für sich genommen ist noch lange kein genügendes. Darüber täuscht der Verfasser der Denkschrift
sich am allerwenigsten. Vielmehr deutet er zum Schlüsse seiner lehrreichen Arbeit noch in kurzer Übersicht die überreiche
Fülle gewichtiger Aufgaben an, welche in nächster Zukunft der Verwaltung des preußischen Fortbildungsschulwesens noch warten.
Sie gelten nur teilweise der dringend nötigen Vermehrung derSchulen, deren Notwendigkeit jeder vergleichende Blick auf die
außerpreußischen Staaten des DeutschenReiches unwidersprechlich einleuchten läßt. Ebenso wesentlich
ist eine Reihe von Punkten, deren Wert auf dem innern Gebiet liegt. Freilich ist auch die Abhilfe in diesen Punkten wesentlich
eine Geldfrage. »Es erhellt dies schon daraus, daß bei weitem der größere Teil
der Summe von 203,000 Mk., um die der zu Zuschüssen für Fortbildungsschulen bestimmte
Fonds vor zwei Jahren erhöht worden ist, zur Verbesserung schon vorhandener Anstaltenverwendetwerden mußte. Mit reichlichen
Mitteln ließe sich noch die Teilung vieler überfüllter Klassen, die Vermehrung des Unterrichts, die Verbesserung der Schullokale,
der Beleuchtung und des Inventars, die Vermehrung und Beschaffung besserer Lehrimttel, die unentgeltliche
Abgabe oder das Darleihen von Zeichemnaterialien oder Zeichengeräten an unbemittelte Schüler, die Vermehrung derPrämien für
fleißige Schüler und die Einrichtung von Schülerbibliotheken sowie die Beschaffung von einigen zum Selbststudium für die
Lehrer nötigen Werken möglich machen.« Allgemein empfunden wird der Mangel an recht geeigneten Lesebüchern
für Fortbildungsschulen, wiewohl in dieser Hinsicht ganz beachtenswerte Versuche bereits gemacht worden. Fast schwerer
noch wiegt der Mangel eigentlicher Fachbildung bei der Mehrzahl der Lehrer, der wenigstens an den gewerblichen Fortbildungsschulen nachteilig
wirkt. Der
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