Titel
Fischereirecht
und Fischereipflege. Die Fischerei, [* 2] d. h. die Aneignung der im Meer und in den Binnengewässern vorkommenden Wassertiere (Fische [* 3] und andre nutzbare Tiere, wie Walfische, Seehunde, Krebse, Muscheln [* 4] 2c.), ist wegen ihrer volks- und privatwirtschaftlichen Bedeutung schon in älterer Zeit vereinzelt Gegenstand rechtlicher Ordnung und pfleglicher Fürsorge gewesen und erheischt in neuerer Zeit eine solche in erhöhtem Grade, da die vervollkommten, den Massenfang ermöglichenden Fischereigeräte und (soweit die Binnengewässer in Betracht kommen) auch die konkurrierenden Interessen der Industrie und der Landeskultur die Erhaltung des Fischbestandes und die Nachhaltigkeit der Fischereiwirtschaft mehr und mehr in Frage stellen.
Eine besonders eingehende rechtliche Ordnung hat die Binnenfischerei erfahren, wobei namentlich folgende Punkte in Betracht kommen:
1) Das Recht zur Ausübung der Fischerei steht, entsprechend der desfallsigen rechtsgeschichtlichen Entwickelungen den öffentlichen (schiff- und floßbaren) Gewässern meist dem Staat, in den andern Gewässern meist dem Ufereigentümer (Adjazenten) zu und unterliegt in letzterer Beziehung dem gegründeten Bedenken, daß, wo die Fischereiberechtigungen auf kurze Entfernungen wechseln, in der Regel eine rücksichtslose Ausbeutung der Fischwasser Platz greift und für eine pflegliche Bewirtschaftung (durch Einsetzen von Brut 2c.) nichts geschieht, weil bei dem ständigen Wechsel der Fische flußauf- und abwärts keine Sicherheit besteht, daß die Früchte solchen Thuns dem Besitzer der betreffenden Wasserstrecke zu gute kommen.
Noch nachteiliger als diese Adjazentenfischerei erscheint die Koppelfischerei (bei der an derselben Wasserstrecke mehrere
fischereiberechtigt sind) und die freie und wilde
Fischerei (bei der jedem
Angehörigen einer
Gemeinde das
Recht des Fischfanges zusteht). Aus diesen
Gründen hat man meist diese letztern
Arten von Fischereiberechtigungen aufgehoben
oder doch eingeschränkt, den Nachteilen der Adjazentenfischerei aber durch die Ermöglichung der
Bildung von größern, gemeinsamer
Bewirtschaftung unterliegenden Fischereigebieten (Fischereir
evieren in
Österreich)
[* 5] nötigen Falls im
Zwangsweg zu begegnen gesucht; oder man hat, analog der Regelung der Jagdberechtigungen, den
Adjazenten die Ausübung ihrer
Fischereir
echte zu gunsten der
Gemeinde abgesprochen, wobei dann für diese
Gemeinde- oder Genossenschaftsfischwasser meist
die
Verpachtung, und zwar auf eine längere Zeit (6-12 Jahre), vorgeschrieben und den Pachtern eine verständige Hege (Einsatz
von
Brut,
Anlage von Laichplätzen 2c.) zur
Pflicht gemacht wird.
2) Die Regelung der Art der Ausübung des Fischereir
echtes (Fischereipolizei) begreift einerseits gewisse Beschränkungen
in sich, denen der Fischfang im
Interesse der Nachhaltigkeit der Fischereiwirtschaft zu unterwerfen ist, und hat anderseits
die Fernhaltung von Schädigungen des Fischbestandes durch Dritte
zum Gegenstand. a) Die polizeilichen Beschränkungen der Fischerei treten in folgenden Beziehungen zu Tage: es werden solche Fangweisen und Fanggeräte für unzulässig erklärt, deren Anwendung eine Massenvernichtung der Fische (wie beim Gebrauch von explodierenden oder giftigen Substanzen, bei dem Trockenlegen von Wasserläufen 2c.) oder aber den Fang von jungen, unausgewachsenen Fischen, welche zur Fortpflanzung der Art noch nichts haben beitragen können, zur Folge haben würde, und wird aus dem letztern Gesichtspunkt eine bestimmte Maschenweite der Netze vorgeschrieben (z.B. für den Lachsfang eine solche von 6 cm, für den Fang andrer Fischarten von je nachdem 3 cm und weniger) mit der Folge, daß der Gebrauch von Netzen mit geringerer Maschenweite straffällig macht und solche verbotswidrig verwendete Netze (wohin auch Reusen gezählt werden) eingezogen werden dürfen. Es werden ferner aus ähnlichen Gründen für die einzelnen Fischarten sogen. Schonmaße oder Mindestmaße bestimmt, d. h. der Fang und der Verkauf von Fischen unter einer bestimmten Größe wird als unzulässig erklärt, wobei die Schonmaße dem natürlichen Größenverhältnis der einzelnen Fischarten angepaßt sind und meist zwischen 15 und 30 cm sich bewegen, für die ganz großen Fischarten (wie den Lachs) aber noch höher gegriffen sind (meist 50 cm). Es wird endlich darauf Bedacht genommen, den einzelnen Fischarten während der Zeit der Laichreife und der Laichabsetzung eine gewisse Ruhe zu gewähren und den abgesetzten Laich vor der Gefahr der Beschädigung durch am Boden streifende Netze zu bewahren, auf welcher Erwägung die Einführung der Schonzeiten beruht.
Diese Schonzeiten sind entweder absolut gestaltet, d.h. es ist während bestimmter Jahreszeiten [* 6] der Fischfang auf jede Art von Fischen gänzlich untersagt (Frühjahrsbann, Herbstbann), oder aber die Schonzeiten werden den Laichzeiten der einzelnen Fischarten angepaßt, derart, daß nur der Fang der einer Schonzeit unterworfenen bestimmten Fischarten für diese Zeit verboten, der Fang der übrigen Fischarten aber frei gegeben ist (Individualschonzeitsystem, auch relatives oder natürliches Schonsystem); die Ordnung der Schonzeit in letzterm Sinne, welche den Fischer nicht mehr in der Ausübung seines Gewerbes einengt, als die Rücksicht auf die Erhaltung der Art erfordert, gilt namentlich im südlichen Deutschland, [* 7] in Österreich, in der Schweiz, [* 8] während im mittlern und nördlichen Deutschland die absoluten Schonzeitsysteme eingeführt sind, und wieder in andern Ländern (wie in Frankreich) eine Verbindung beider Systeme (absolute Schonzeit für die Frühjahrs- und Sommerlaicher, relative für die Winterlaicher) Rechtens ist. Im Geltungsgebiet der absoluten Schonsysteme wird dabei, um der Fischerbevölkerung während der Dauer derselben den Erwerb nicht völlig zu verschließen, wohl auch der Fang an einzelnen Tagen der Woche zugelassen (so in der norddeutschen Staatengruppe), wodurch freilich der Erfolg der Schonzeitvorschriften nicht unwesentlich beeinträchtigt wird.
Aus diesem Grunde verdienen die relativen (Individual-) Schonzeitsysteme den Vorzug, und letzterer wird noch erhöht durch die Möglichkeit, bei dieser Art der Ordnung das Marktverbot streng durchzuführen, d. h.jede Art von Veräußerung von Fischen, welche einer Schonzeit unterworfen sind, während der Dauer der Schonzeit zu untersagen. b) Nicht minder wichtig als die vorgedachten polizeilichen Beschränkungen des Fischerei-Ausübungsrechts ist die polizeiliche Hintanhaltung von ¶
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Schädigungen des Fischbestandes durch Dritte. Dahin zählt im besondern das Verbot der Einleitung giftiger oder sonst schädlicher gewerblicher oder landwirtschaftlicher Abwässer in Fischwasser, wie überhaupt der Verunreinigung von Wasserläufen;
das Verbot der Zulassung von Wassergeflügel in die Gewässer, namentlich zur Laichzeit;
das Verbot des gänzlichen Ablassens von Wasserläufen, namentlich von Kanälen, ohne vorherige Benachrichtigung des Fischereiberechtigten;
das Verbot der Vornahme von Korrektionsarbeiten, der Entnahme von Sand, Schlamm 2c. aus den Wasserläufen in der Laichzeit der vorherrschenden Fischarten u. a. m. Hierher gehört auch die Fernhaltung jener Schädigungen, welche aus dem Bestehen von Wehren (Stauwerken) dadurch sich ergeben, daß sie den Wechsel der Fische flußaufwärts in die Laichreviere hindern, aus welchem Grunde den Wasserwerksbesitzern bei der Neuanlage von Stauwerken die Errichtung von sogen. Fischewegen (Fischleitern, Fischpässen) auf ihre Kosten auferlegt und den Inhabern bestehender Wasserwerke die Verpflichtung angesonnen werden kann, die Anlage von solchen Fischwegen auf Kosten des Fischereiberechtigten zu dulden. So hat ferner die Beobachtung des Eintretens von Fischen (namentlich Aalen) bei ihrer Wanderung flußabwärts in die Turbinen zur Vorschrift der Anbringung von Schutzgittern an solchen Veranlassung gegeben.
Endlich erstreckt sich die Vorsorge auch auf die Ermöglichung der Vertilgung der der Fischerei schädlichen Tiere (Fischotter, [* 10] Reiher, Kormorane 2c.) durch den Fischereiberechtigten ohne Zustimmung des Jagdberechtigten, wobei aber aus jagdpolizeilichen Rücksichten die Anwendung von Schußwaffen dem Fischereiberechtigten meist versagt bleibt, wohl auch (unzweckmäßigerweise) die Ablieferung der gefangenen schädlichen Tiere, soweit sie als jagdbar gelten, an den Jagdberechtigten vorgeschrieben ist.
Die Durchführung sämtlicher vorgenannter Polizeivorschriften ist durch entsprechende Strafvorschriften und die Einrichtung einer ausreichenden Fischereiaufsicht sowie durch die Auflage der Lösung von Legitimationsscheinen (Fischerkarten) durch den Fischereiberechtigten zu sichern gesucht. Dabei ist man neuerdings mehr und mehr bestrebt, die Gleichmäßigkeit der Polizeischutzvorschriften im Bereich ganzer Flußgebiete durch Staatsverträge (Fischereiverträge) zu sichern, unter denen der zum Schutz der Rheinlachsfischerei in Berlin [* 11] von sämtlichen Rheinuferstaaten abgeschlossene Fischereivertrag sowie die Verträge Preußens [* 12] mit seinen Nachbarstaaten und die Verträge der süddeutschen Rheinuferstaaten (Baden [* 13] und Elsaß-Lothringen) [* 14] mit der Schweiz, die Verträge dieses Landes mit Frankreich und Italien [* 15] besonders bemerkenswert sind.
Die Pflege der Binnenfischerei kommt namentlich durch die Aussetzung von Prämien für die Errichtung von Brutanstalten und für die Vertilgung schädlicher Tiere sowie durch die Gewährung von Staatsbeihilfen für die Errichtung von Fischwegen, durch Erleichterungen im Transport der Fische, durch die Gründung von Versuchsstationen zur Erforschung der Lebensbedingungen der Fische 2c. zum Ausdruck. Einen wesentlichen Aufschwung verdankt die Fischerei und namentlich die zunehmende Ausdehnung [* 16] der künstlichen Fischzucht (Gewinnung von Eiern laichreifer Fische und Ausbrütung derselben auf künstlichem Wege in besondern Brutgefäßen) den in allen Ländern bestehenden Fischereivereinen, welche in Deutschland eine zentrale Zusammenfassung in dem
Deutschen Fischereiverein gefunden haben, der namentlich durch die Einführung wertvoller ausländischer Fischarten (kalifornische Regenbogenforelle, amerikanischer Bachsaibling 2c.), durch die Wiederbevölkerung der deutschen Ströme mit Lachsen, durch die Verpflanzung des Aales in das Donaugebiet und ähnliche Veranstaltungen sehr verdienstvoll gewirkt und von dem im J. 1885 eine besondere Sektion für Küsten- und Hochseefischerei sich abgezweigt hat. Das staatliche Interesse an dem Wirken des Deutschen Fischereivereins kommt durch Auswerfung einer beträchtlichen Beihilfe aus Reichsmitteln zum Ausdruck, und auch die einzelnen Landesfischereivereine erfreuen sich meist besonderer staatlicher Zuwendungen, im besondern zur Ermöglichung der Herausgabe belehrender Fachzeitschriften.
[Die Meercsfischerei im besondern.]
Bei der Meeresfischerei unterscheidet man gemeinhin die Küsten- und die Hochseefischerei und versteht unter jener die im Meere bis zu einer Entfernung von 3 Seemeilen (alte Kanonenschußweite) ausgeübte, wobei die Küstenfischerei in der Regel nur den Anwohnern des betreffenden Küstenteils zusteht, die Hochseefischerei dagegen (außerhalb der Entfernung von 3 Seemeilen von der Küste beginnend) völkerrechtlich jedermann freigegeben ist.
Ähnlich wie die Binnenfischerei wird mehr und mehr auch die Meeresfischerei, wenigstens im Bereich der Küste, polizeilichen Beschränkungen durch Vorschriften über Maschenweite, Mindestmaße, Schonzeiten, Verbot besonders schädlicher Fanggeräte 2c. unterworfen; auch hat das Bestreben, gegenseitige Störungen im Betrieb der Hochseefischerei durch Angehörige verschiedener Staaten hintanzuhalten und die Aufrechterhaltung der Ordnung auf den hauptsächlichsten Fischgründen zu sichern, gerade auch für diesen Teil der Fischerei mehrfach zum Abschluß internationaler Abkommen geführt (Haager Vertrag vom abgeschlossen zwischen Deutschland, Belgien, [* 17] Dänemark, [* 18] Frankreich, Großbritannien, [* 19] den Niederlanden; Vertrag derselben Staaten vom zur Bekämpfung des Branntweinhandels auf hoher See; Vertrag zwischen England und Frankreich vom 2c.).
Endlich ist die Meeresfischerei in vielen Staaten seit langer Zeit Gegenstand besonderer pfleglicher Fürsorge gewesen, die länderweise allerdings in sehr verschiedenem Grade zu Tage tritt, teils in der Gewährung von Prämien für die Ausrüstung von Fischerfahrzeugen, in der Zuwendung von Fangprämien, in der Errichtung von sturmsichern Fischerhäfen, in der Befreiung von der Entrichtung oder in der Ermäßigung der sonst geltenden Hafengelder oder Lotsengebühren zu gunsten der Fischerfahrzeuge, in der Gründung von Versicherungskassen für die Angehörigen des Seefischereigewerbes oder in der Gewährung von Beihilfen hierzu, in der Auflegung von Zöllen auf vom Ausland eingehende Fische 2c., in der Förderung wissenschaftlicher Untersuchungen über die Fauna des Meeres und die Entstehungs- und Ernährungsbedingungen der Fischwelt 2c. Auch der künstlichen Fischzucht wird gerade in Ansehung der Meeresfischwelt seit neuerer Zeit wachsende Bedeutung beigelegt, wobei namentlich die in den nordamerikanischen Meeresgewässern seit Jahren im Gange befindlichen desfallsigen Veranstaltungen sowie die auf Anlage von Austernbänken an den Küsten verschiedener europäischer Staaten gerichteten Bemühungen besonders bemerkenswert sind. In Deutschland ist bis jetzt nur die Küstenfischerei von größerer ¶
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Bedeutung, die Hochseefischerei dagegen gegenüber den andern Nordseestaaten zurückstehend. Doch darf bei dem thatkräftigen Einwirken der Sektion des Deutschen Fischereivereins für Küsten- und Hochseefischerei und der nachdrücklichen Fürsorge der preußischen Regierung auf einen Aufschwung des deutschen Hochseefischereigewerbes mit der Zeit sicher gerechnet werden. -
Vgl. A. Buchenberger, Artike »Fischerei« in Schönbergs »Handbuch der politischen Ökonomie« und die daselbst aufgeführte sonstige Litteratur, außerdem die Schriften von Staudinger, die »Zirkulare des Deutschen Fischereivereins«, die »Mitteilungen der Sektion des Deutschen Fischereivereins für Küsten- und Hochseefischer« (redigiert von Herwig) und die in München [* 21] erscheinende »Allgemeine Fischereizeitung« (redigiert von Staudinger und Hofer).