Ertragsans
chlag,
in der
Landwirtschaft eine Wahrscheinlichkeitsberechnung über Rohertrag und
Reinertrag, wie sie von
Grundstücken oder ganzen Landgütern mit Rücksicht auf die maßgebenden Verhältnisse, resp.
unter Zugrundelegung einer diesen angemessenen Betriebsweise und mit Anwendung von Durchschnittszahlen
für
Erträge,
Ausgaben und
Einnahmen erwartet werden können. Je nach dem
Zweck, zu welchem man derartige
Anschläge fertigte,
unterschied man vordem zwischen
Kauf- und Pachtanschlag, Grundanschlag (Sicherheits- oder Kreditwerttaxe, s.
Taxation) und
gewöhnlichem Ertragsans
chlag (temporärer Werttaxe) etc., je nachdem man
entweder nur den Einnahmeüberschuß
(Reinertrag), oder den Kaufpreis, oder die Steuerfähigkeit, oder die Beleihungsgrenze
ermitteln wollte.
Die temporäre Taxe sollte den Wert feststellen, welchen das Objekt zur Zeit der Abschätzung (Tauschwert), die Sicherheitstaxe aber, ohne Rücksicht auf die Verkehrszustände und den Betrieb, nur den Wert, welchen das Objekt unter allen Umständen, ja selbst im Zustand der Verwahrlosung, haben sollte (Grundwert). Bei Kauf- und Pachtanschlägen mußten auch noch die besondern Bedingungen mit in Berücksichtigung gezogen werden, und es galt darum, die angemessenen Preise zu normieren.
Zum
Zweck der
Expropriation und der Erbschaftsauseinandersetzungen kamen wieder andre
Gesichtspunkte in Betracht. Es ist aber
die
Notwendigkeit besonderer
Arten von Ertragsans
chlägen je nach den
Zwecken, zu welchen diese angestellt werden, nicht mehr
einzuräumen, und noch viel weniger kann die bisherige sehr oberflächliche Art der
Veranschlagung noch
Empfehlung verdienen.
Ein gut gefertigter
Anschlag muß zu allen genannten
Zwecken brauchbar sein; wohl aber kann unter Umständen ein
abgekürztes
Verfahren den Vorzug verdienen, natürlich vorausgesetzt, daß es das Wesentliche bringt, und in wieder andern
Fällen kann einfache
Schätzung des Kapitalwerts genügen.
Die Grundstücke, die Gebäude, die Gegenstände des sogen. Inventars (Vieh, Geräte, Maschinen, Vorräte aller Art etc.) sowie die Pertinenzien eines Guts und sogar die Gerechtsame bilden Vermögensobjekte, welche alle in Geldeswert veranschlagt werden können. Ihre richtige Verwendung zu einem den Verhältnissen angepaßten Betrieb gewährt erst die Möglichkeit der Erzielung eines geschäftlichen Gewinns. Auf die Höhe desselben sind Betriebsamkeit, Geschick und Fleiß des Bewirtschafters von nicht minderm Einfluß als die Vermögensteile, und in der Landwirtschaft gibt es überall eine rätliche Grenze der Kapitalsverwendung in Bezug auf den Grund und Boden, welche ohne Schaden weder überschritten, noch unerreicht gelassen werden darf.
Mit dem erforderlichen Kapital lassen sich aber sehr verschiedenartige Betriebseinrichtungen treffen, welche gleichwertig sein können, so daß nur mit Rücksicht auf den gegebenen Fall, nicht aber summarisch nach allgemeinem Schema eine Veranschlagung zu treffen ist. Das bloße Gegenüberhalten von Ausgaben und Einnahmen aber kann nirgends genügen, da stets Zuwendungen dauernder Art zu machen sind, welche den Geschäftsgewinn oder Reinertrag sehr viel kleiner erscheinen lassen, wenn sie nicht zum Ausdruck kommen; dies ist nur dann möglich, wenn der Anschlag auf ordentliche Buchführung mit Anfangs- und Schlußinventur sich stützen kann (vgl. Buchhaltung, landwirtschaftliche). Am einfachsten ist also die bloße Preisermittelung von Grundstücken (s. Bonitierung).
Soll aber ein ganzes
Gut zum
Zweck der
Prüfung einer
Kauf- oder Pachtzinsforderung oder der Feststellung der anzulegenden
Summe
und der Rentabilität derselben veranschlagt werden, dann muß zuvor festgestellt sein, wie das betreffende
Gut mit Rücksicht auf alle Verhältnisse am rationellsten zu bewirtschaften ist, und kann erst auf
Grund der festgestellten
Einrichtung das wirtschaftliche Ergebnis berechnet werden. Ein Ertragsans
chlag zerfällt also in mehrfache
Arbeiten.
Soll jedoch nur der hypothekarisch zu gewährende Kredit ermittelt werden, dann genügt die bloße Kapitalschätzung der Grundstücke und Gebäude, wozu da, wo man sogen. eisernes Inventar als quasi Zubehör des Guts hat, auch dieses noch mit in Betracht kommen kann. Es ist also für den Kredit nicht eine besondere Art von sogen. Grundwerttaxe festzustellen, sondern hierzu nur ein Teil des zur Bewirtschaftung erforderlichen Kapitals und dieses nicht nach seinem Ertrag, sondern nur nach seinem Wert zu ermitteln. Da endlich, wo die Steuerfähigkeit des Landwirts zu berechnen ist, sollte nichts andres als seine gesamte Einnahme maßgebend sein; es wird aber bis jetzt in Form der Grundsteuer dem Wesen nach nur der Grund- und Bodenwert oder dessen ¶
mehr
Ertragsfähigkeit ermittelt, so daß die einfache Bonitierung dazu genügt. Die schablonenmäßige Abschätzung auf Grund veralteter Betriebseinrichtungen ist völlig wertlos und nur geeignet, den Charakter der Grundsteuer zu verschleiern. Die Steuerfähigkeit des Landwirts fußt auf der Höhe seiner Einnahme, und diese kann nur durch speziellen Anschlag genau ermittelt werden; dieser ist aber dann ganz derselbe wie der für die Ermittelung von Kauf- oder Pachtgeldern anzufertigende.
Das dazu einzuschlagende Verfahren ist, wenn möglichste Sicherheit der Berechnung erforderlich wird, ein ziemlich umfangreiches und schwieriges; doch gibt es auch ein abgekürztes, mehr summarisches Verfahren, jedoch nur für Geübtere. Immer aber gehört zu ordentlichem Anschlag:
1) die Information, 2) die Entwerfung des Wirtschaftsplans auf Grund derselben, 3) die Inventur des Vermögensbesitzes (Kapitalaufwandes), 4) die Einrichtung der Bücher und die Entwerfung der nötigen Konten mit Bilanz und Schlußinventur (vgl. Buchhaltung).
Unter der Information ist die Betreibung des betreffenden Objekts mit allen auf seinen Wert und seine Bewirtschaftung einflußreichen Momenten zu verstehen. Sie setzt genaueste Besichtigung mit Zugrundelegung von Flurkarten, Bauplänen, Rechnungen und Wirtschaftsbüchern, Erkundigung bei Sachverständigen etc. voraus. Gäbe es überall richtig geführte Bücher, dann wäre die Information in der sogen. stehenden Buchführung, resp. Gutschronik vollständig gegeben (vgl. Buchhaltung).
Die ältern Agronomen, z. B. Block, entwarfen sogen. Informationspunkte, d. h. eine Reihe von Fragen, welche derjenige, welcher für sich oder im Auftrag eine solche Arbeit fertigen sollte, zu beantworten hatte, und aus deren Gesamtbeantwortung ein zutreffend klares Bild des Ganzen gewonnen werden sollte. Es ist jedoch die beschreibende Form vorzuziehen und zwar mit den Abteilungen: allgemeine und besondere Information. Die allgemeine Information hat Lage und Klima, [* 3] Verkehrszustände, staatlich-politische Verhältnisse, Zustand der Landwirtschaft u. dgl. anzugeben und zwar mit Rücksicht auf den Zweck.
Mit der Angabe des Klimas wird die Aufzählung der vom Anbau im großen ausschließenden Pflanzen verbunden. Unter Verkehrszuständen muß besonders auf Größe und Sicherheit des Absatzes der Produkte, Marktfuhrkosten, Preise der Produkte, Kreditverhältnisse, Lohnsätze für Handwerker u. dgl., Zukunftsrichtung des Handels, Produktion und Konsumtion von Lebensmitteln, Zustand der Landwirtschaft u. dgl. geachtet werden. Winke über die lohnenden und weniger lohnenden Pflanzen und Vieharten bilden den Schluß dieses Abschnitts.
Unter staatlich-politischen Verhältnissen ist vornehmlich auf Statistik, Sicherheit, Rechtspflege, Agrargesetzgebung, Menge und Art der Arbeiter, Löhnung derselben, Finanz- und Steuerwesen, Militärisches etc. zu sehen. Die besondere Information befaßt sich mit der Beschreibung des betreffenden Objekts. Etwanige Dienstbarkeiten und Gerechtsame sind anzugeben, zu veranschlagen und in ihrem Einfluß auf den Betrieb darzustellen; auch ist die Ablösbarkeit und etwanige Ablösungssumme anzugeben.
Mit der genauen Angabe der Grundstücke und deren Taxe verbindet sich die des etwa erforderlichen Meliorationsaufwandes und die der rätlicherweise vom Anbau auszuschließenden Pflanzen. Die Gebäude sind mit Rücksicht auf etwa Überflüssiges oder Fehlendes (Luxusbauten kommen gar nicht in Betracht), resp. Neubaukosten oder Erlös aus Abbruch in Betracht zu ziehen. Ähnlich ist mit etwa vorhandenen Fabrikeinrichtungen (Brennerei etc.) und mit sämtlichem Vieh, Schiff [* 4] und Geschirr zu verfahren.
Überflüssiges muß in Wegfall kommen, für Fehlendes die erforderliche Summe angegeben werden. Wege, Gräben, Wasserleitungen u. dgl. sind genau mit Kostenanschlägen zu beschreiben und auch hierzu die Verbesserungen ins Auge [* 5] zu fassen. Den Schluß bildet die summarische Aufzählung des gesamten vorhandenen und erforderlichen Kapitalwerts inkl. der Nachbeschaffungen (Anfangsinventur). Der Wirtschaftsplan gibt dann an, wie das betreffende Gut auf Grund aller Verhältnisse am besten eingerichtet wird, d. h. welche Feldeinteilung, Fruchtfolge, Düngung, Viehhaltung etc. zu wählen ist, und zwar unter Hinweis auf die Information und spezielle Berechnungen über Futter, Dünger, Arbeitslöhne u. dgl. (sogen. Etats).
Daraus ergibt sich dann von selbst die zu wählende Einrichtung der Bücher und die Zahl und Art der Konten. Soweit solche nun als sogen. Vermittelungskonten (Spannvieh-, Administrations-, Gebäude-, Geräte- und Maschinen-, Haushalts-, Boden- und Scheunen-, Dungkonto etc.) dienen, können sie bei Fertigung eines Anschlags wegbleiben, wenn man die aus ihnen zu gewinnenden Ansätze für die saldogebenden Konten in Durchschnittssätzen annähernd richtig zu treffen weiß.
Da es ferner beim Ertragsans
chlag nicht darauf ankommt, zu ermitteln, welche Früchte am besten lohnen, so können sämtliche Grundstücke
in ein Konto vereinigt gedacht werden. Es besteht also der eigentliche Anschlag in der möglichst genauen
Entwerfung von Konten für Grundstücke, Nutzvieh- und Nebengewerbe mit Bilanz und Schlußinventur, wenn diese wesentlich von der
zu Anfang abweichen sollte. Jene beiden ergeben im Vergleich mit dieser den eigentlichen Reinertrag oder den zu erwartenden
durchschnittlichen Unternehmergewinn, mit oder ohne spezielle Angabe der Kapitalverzinsungen.
Von seiner Höhe wird es abhängen, ob die als erforderlich berechnete Kapitalmenge gewagt werben kann oder nicht, resp. ob der geforderte Kaufpreis zu bezahlen ist oder nicht. Der Pachter hat von dem gefundenen Reinertrag (mit oder ohne Zinsenabgang) den Pachtzins abzuziehen und den Rest mit dem von ihm zu stellenden Kapitalaufwand in Relation zu setzen.
Vgl. Kirchbach-Birnbaum, Handbuch für Landwirte (9. Aufl., Berl. 1880);
Graf zur Lippe,
[* 6] Der landwirtschaftliche Ertragsans
chlag (Leipz. 1862).