Erosion
[* 2] (lat., »Zernagung, Durchfressung«),
in der
Geologie
[* 3] Auswaschung durch fließendes
Wasser oder
Regen, wodurch im
Lauf der
Zeiten die Reliefformen
der Erdoberfläche langsam verändert und nivelliert werden, sofern nicht neue
Hebungen und
Senkungen oder Zufuhr neugebildeten
Materials diesem
Nivellement entgegentreten. Die Erosion
ist nicht allein an der Oberfläche, sondern auch in den unterirdischen
Wasserläufen thätig, und durch ihre stetige und allgemein verbreitete Wirksamkeit ist sie für die
Massen- und Formbildung der
Erdrinde von größtem Einfluß.
Ihre
Wirkung ist teils chemischer, teils mechanischer Art, vielfach ineinander greifend. Die chemische Erosion
wirkt
auflösend entweder auf die
Gesteine
[* 4] im ganzen oder auf gewisse
Bestandteile derselben; ihre
Wirkungen sind demnach abhängig
von der Löslichkeit der Gesteinselemente und von dem Lösungsvermögen sowie der
Menge des Lösungsmittels.
Als Lösungsmittel kommt fast nur das
Wasser in Betracht, dessen Lösungsvermögen aber sowohl durch die in geringer
Menge
darin gebundenen
Gase,
[* 5] namentlich
Sauerstoff und
Kohlensäure, als auch durch etwa schon darin gelöste Mineralbestandteile
modifiziert wird. So ist das Lösungsvermögen des Regenwassers im
Winter und Frühjahr nicht dasselbe
wie im
Sommer und
Herbst, weil der
Gehalt an Ammoniumnitrat und
-Nitrit mit der
Jahreszeit wechselt; so ist das Lösungsvermögen
des Flußwassers geringer als das des
Regen- und Quellwassers, weil ersteres in der
Regel schon mit mineralischen
Bestandteilen
gesättigt ist, während durch
Aufnahme von
Kohlensäure bei dem Durchsinken der Vegetationshülle oder
aus unterirdischen
Mofetten die
chemische Wirkung der Gewässer auf die
Mineralien bedeutend erhöht wird.
Kein einziges
Gestein
ist absolut unlöslich, aber die Löslichkeit der Gesteinselemente
¶
mehr
ist eine sehr verschiedene. Leicht lösliche Verbindungen, wie z. B. das Steinsalz, sind der chemischen Erosion
in hohem Grad zugänglich
und deshalb in ältern Formationen auch nur dort in größern Massen erhalten, wo dieselben durch wasserdichte Lagen (Thone)
gegen die unterirdische Erosion
geschützt waren. Auch Gips
[* 7] und Anhydrit können noch als leichter lösliche
Gesteine gelten, und die unterirdische Erosion
derartiger Massen kann gleichfalls für die Niveauveränderungen an der Oberfläche
von Bedeutung werden.
Kalkstein, kohlensaures Calcium, ist als solcher in destilliertem Wasser fast unlöslich; bei Gegenwart von freier Kohlensäure
jedoch wird er als leichter lösliches Bicarbonat in nicht unbeträchtlicher Menge aufgelöst, aber auch
bei Verlust der Kohlensäure leicht wieder abgesetzt. In den Mergelgesteinen, die neben Kalk auch Sand und Thon enthalten, ist
zwar fast nur der erstere Bestandteil der chemischen Erosion
unterworfen; aber wenn der Kalk ausgelaugt ist, so wird dadurch das
Gefüge gelockert, und die mechanische Erosion
hat nun ein viel leichteres Spiel. So geht auch bei den kristallinischen
Silikatgesteinen die mechanische mit der chemischen Erosion
Hand
[* 8] in Hand.
Einzelne leichter lösliche Bestandteile werden allmählich zersetzt, mehr oder weniger gelöst, das Gefüge wird gelockert,
und die losen Teile bieten der mechanischen Gewalt der strömenden Gewässer bald nicht mehr genügenden Widerstand. So
zerfällt der Granit umso eher, je mehr er von leichter zersetzbaren Verbindungen (kalkhaltigen Feldspaten) enthält. Die mechanische
Erosion
an der Erdoberfläche wird auch durch den Temperaturwechsel der Atmosphäre unterstützt und dies um so mehr, je öfter
die Temperatur um den Nullpunkt wechselt, je häufiger bei dem Gefrieren und der Volumvergrößerung des
Wassers in den Spalten eine mechanische Kraftäußerung auf die Kohäsion einwirkt. Im allgemeinen wird demnach in den gemäßigten
Zonen und auf Hochgebirgen in der Nabe der Schneegrenze durch Frost die Erosion
am meisten befördert.
Auf die Wirkung der Erosion
im Lauf geologischer Zeiten ist die Abwechselung von Berg und Thal,
[* 9] die Bildung der
Stromthäler wie das kuppenförmige Hervortreten der meisten isolierten Berge im wesentlichen zurückzuführen, wobei als
modifizierende Faktoren auch die ursprüngliche Form und Struktur der Massen, die Lage von Trennungsklüften und die mineralische
Natur der Gesteine von Einfluß gewesen sind, während vulkanische Eruptionen, säkulare
Hebungen und Ausfüllungen von
Erosion
sthälern durch Neuabsätze ebenfalls, aber seltener, die Konfiguration einer Gegend bestimmen. So sind auch die reinen
Erosion
sthäler viel häufiger als diejenigen, deren erste Anlage durch die Tektonik der unterlagernden Gesteine, etwa durch
Spaltenbildung (Spaltungsthäler), bedingt wurde, und auch in letzterm Fall ist dann der Erosion
nach der ersten Anlage die
Hauptrolle bei Erweiterung der Thalbildung zugefallen. Ein Beispiel der Wirkung der Erosion
in der Kreide
[* 10] des Kaukasus zeigt die untenstehende
[* 2]
Figur. - Aus der Menge des durch die Flüsse
[* 11] transportierten Materials hat man Rückschlüsse auf den erodierenden Einfluß
der Flußthätigkeit in dem betreffenden Gebiet gethan und so z. B. gefunden, daß
der Abtrag des Rheingebiets bis Bonn
[* 12] zu 1 m in 30,000 Jahren, des Pogebiets zu 1 m in 3600 Jahren, des Mississippi zu derselben
Menge in 18,000 Jahren, des Ganges in 7900 Jahren geschätzt werden kann: Größen, die sich selbstverständlich auf das Gebiet
sehr ungleich verteilen, so daß die Erosion
an einzelnen Punkten schon in viel kürzerer Zeit sehr merklich
formändernd wirken kann. - Über die erodierende Wirkung des sich vorwärts bewegenden Eises vgl. Gletscher und Eiszeit.
[* 13] - In der
Heilkunde versteht man unter Erosion
einen Verlust des Epithels auf Schleimhäuten, wie er namentlich bei Katarrhen häufig vorkommt,
während man einen derartigen Verlust der Epidermis
[* 14] (durch Stoß, Schlag etc.) gewöhnlich als Exkoriation
(s. Hautabschürfung) unterscheidet. der Zähne,
[* 15] s. Zahnkrankheiten.
[* 2]
^[Abb.: Erosion
im Kreidefels bei Saermi im Kaukasus (nach Abich).]