Erdapfel
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s. v. w. Kartoffel, auch s. v. w. Erdbirne, Hellanthus tuberosus L.
Erdapfel
9 Wörter, 78 Zeichen
Erdapfel,
s. v. w. Kartoffel, auch s. v. w. Erdbirne, Hellanthus tuberosus L.
(Erdapfel, Erdbirne, Grundbirne, Potacke, Solanum tuberosum L.), ein perennierendes Knollengewächs aus der Familie der Solaneen, mit 0,6-1,3 m hohem, krautigem, ästigem, kurzhaarigem Stengel, [* 3] unterbrochen unpaarig fiederteiligen Blättern, mit 7-11 eiförmigen, zugespitzten, am Grund schiefen und herzförmigen, unterseits graukurzhaarigen Blättchen, in langgestielten Trugdolden stehenden Blüten mit weißen, lila oder violetten Blumenkronen, gelben Staubbeuteln und kugeligen Beeren.
Die Kartoffel gedeiht in Deutschland [* 4] bis 1000 m ü. M. und geht in Europa [* 5] bis 70° nördl. Br., im Kanton Bern [* 6] bis 1400 m ü. M.; ihr Anbau ist sehr bequem, und sie hinterläßt das Land in vortrefflicher Vorbereitung für Getreide [* 7] und andre Früchte. Die Kartoffel wird in mehreren Varietäten kultiviert, welche sich durch Samen [* 8] fortpflanzen lassen. Die weiß blühenden mit weißgelber Knollenschalle, die lila blühenden rotschaligen, die schwarzschaligen mit rotem Fleisch und die Frühkartoffeln sind solche Varietäten; außer denselben aber gibt es noch zahlreiche Sorten, welche in ihrer Eigentümlichkeit nur durch Knollen [* 9] fortgepflanzt werden können und, sobald man ihren Samen aussäet, neue Sorten erzeugen.
Vor dem Auftreten der Kartoffelkrankheit war man in der Kartoffelkultur sehr sorglos und kultivierte eine große Menge Sorten lediglich mit Rücksicht auf deren besondere Vorzüge für bestimmte Zwecke. Seit 1843 war man aber genötigt, die Kultur wesentlich umzugestalten; man behielt fast nur die Zwiebelkartoffel bei, welche durch ihre Robustheit der Krankheit am meisten Trotz bietet, und die Frühkartoffel, deren Vegetation meist schon beim Eintritt der Krankheit beendet ist; man bringt jetzt die Kartoffel nur nach längern Intervallen wieder auf denselben Acker und nur in schön verrotteten Dünger, vorteilhaft erst nach einer gedüngten Vorfrucht.
Die Kartoffel gedeiht am besten in tiefgründigem, leichtem oder mildem Boden in warmer, sonniger Lage; die Saatkartoffeln wählt man im Herbst aus und lagert die gesunden Knollen von mäßiger Größe und mittlerer Augenzahl sehr sorgfältig. Mit der Wahl der Sorten muß man vorsichtig sein, weil Boden und Klima [* 10] einen sehr großen Einfluß auf das Gedeihen der Sorte ausüben und die Erfolge, die irgendwo erzielt worden sind, an andern Orten sich durchaus nicht erreichen lassen.
Folgende sechs Sorten verdienen besondere Beachtung: Kaiserkartoffel, mittelfrühe Speisekartoffel, ungemein ertragreich, sehr wohlschmeckend, gesund und haltbar;
Snowflake, mittelfrühe Speisekartoffel mit etwas rauher, ins Rötliche spielender Schale, schneeweißem, feinem, zartem Fleisch, wird schnell und gleichmäßig gar, ist sehr mehlreich, besonders wohlschmeckend, behält ihre guten Eigenschaften ohne Rückgang bis Ende Mai, widersteht der Krankheit und ist leicht zu ernten, weil die Knollen dicht beim Stock liegen;
Brownells Beauty, mittelfrühe Speisekartoffel mit rötlichen bis fleischroten Knollen, sehr wohlschmeckend, mehlreich, ertragreich, widersteht der Krankheit und hält sich bis Ende Juli in gewöhnlichen Kellern ohne Rückgang;
Extra Early Vermont, die frühste aller Kartoffeln mit rosenrötlichen Knollen von ausgezeichnetem Geschmack, dauerhaft gegen Krankheit;
Peachblow, Speise- und Brennereikartoffel, berühmt durch Stärkereichtum, Gesundheit und Haltbarkeit bis in den Mai;
Peerless, frühe Speise- und Brennereikartoffel, zeitigt im August, ist sehr ertragreich, wohlschmeckend und mehlreich, verlangt aber leichten Boden.
Bei der Kultur der Kartoffel gibt man im Herbst eine tiefe Furche, pflügt, wenn das Land bindiger ist, noch einmal und legt die Kartoffeln (nicht zerteilt) je nach der Schwere des Bodens 5-10 cm tief und je nach der Güte des Erdreichs 30-45 cm weit voneinander. Frühzeitige Bestellung schützt mehr vor der Krankheit als späte; am sichersten ist der Anfang Mai, Anfang Juli gilt als der späteste Termin. Die 15 cm hohen Pflanzen werden behackt, wobei das Unkraut sorgfältig zu beseitigen ist; Anhäufeln ist nur in bindigem Boden ratsam.
Die Vegetationsperiode der Kartoffel beträgt je nach der Wärme [* 11] des Jahrgangs 18-26 Wochen. Man rechnet auf den Hektar 21-26 Neuscheffel Aussaat von frühem kleinen und 34-43 Neuscheffel von späten großen Kartoffeln und als Ertrag 11,700-15,700 kg (von einzelnen Sorten werden Erträge von 21-24,000 kg mit 20-22,5 Proz. Stärkmehlgehalt angegeben). 1 hl wiegt etwa 91 kg. Das Abblatten der Pflanze während der Vegetationsperiode beeinträchtigt die Ausbildung der Knollen. In großen Städten werden schon vor der normalen Reifezeit Kartoffeln auf den Markt gebracht, welche man durch vorsichtiges Aufscharren und Abpflücken gewonnen hat.
Diese durch höhern Marktpreis lohnende Ernte [* 12] wiederholt man mehreremal und soll auf diese Weise schon die mehr als dreifache normale Knollenzahl geerntet haben. Nach genauen Untersuchungen wird durch die vorzeitige Knollenernte der Gesamtertrag an Knollenmasse wenigstens nicht vermindert. Seit vielen Jahren sind Versuche gemacht worden, die Kartoffel bereits im Spätherbst zu pflanzen, um Kartoffelkrankheiten zu steuern. Die Kartoffeln ergrünen zwar ca. drei Wochen später, erreichen trotzdem aber ihre Reife bereits drei Wochen früher als die im Frühjahr gelegten, so daß sie vor Eintritt der Fäule geerntet werden können.
Der Vorzug dieser Kulturmethode ist also nicht auf eine Verlängerung [* 13] der Vegetationszeit, sondern im Gegenteil auf eine Verkürzung um ca. sechs Wochen zurückzuführen. Im südlichen Frankreich und im Elsaß befolgt man sie schon seit langen Jahren, um frühzeitig Kartoffeln ernten zu können. Nach Beendigung der Kartoffelernte werden im November die Kartoffeln ca. 20 cm tief gelegt und gut bedeckt. Diese Art der Überwinterung hat jedenfalls den großen Vorzug, daß sich nicht schon vor der Saat die Keime entwickeln und durch Abbrechen die Mutterknolle geschwächt wird.
Ferner erscheinen die jungen Triebe spät nach der durch Nachtfröste gefährdeten Zeit und ihr robuster Wuchs scheint einen bedeutenden Widerstand gegen den Einfluß schädlicher Pilze [* 14] als Erzeuger der Kartoffelkrankheit auszuüben. Man bewahrt die Kartoffeln in trocknen, kühlen Kellern und, wenn diese nicht ausreichen, in langen, mit Erde beworfenen Mieten. Gleich nach der Ernte reifen die Kartoffeln noch nach; dieser Prozeß ist von Wärmeentwickelung begleitet, und man muß daher für Ableitung der Wärme sorgen; ist die Lebensthätigkeit zur Ruhe gekommen, so hat die Aufbewahrung keine Schwierigkeit, bis im Frühjahr die Lebensthätigkeit von neuem erwacht. Dies geschieht um so später, je kühler und trockner die Kartoffeln lagern; sie halten sich deshalb im Frühjahr auf einem luftigen Boden viel länger, ¶
ohne zu keimen, als im Keller, und wenn sie auch einschrumpfen, so werden sie doch durch Einlegen in Wasser leicht wieder glatt und frisch.
Die Kartoffeln enthalten in ihren großen dünnwandigen Zellen als wichtigsten Bestandteil Stärkemehl; im Zellsaft sind eiweißartige Körper und stickstoffhaltiges Asparagin, überdies Gummi, Apfelsäure, Salze etc. gelöst; außerdem findet sich ein Körper, der sich an der Luft schnell dunkel färbt, und Solanin. Dies giftige Alkaloid ist in der ganzen Pflanze, am reichlichsten in den Beeren, weniger im Kraut und nur in sehr geringer Menge in den Knollen enthalten; viel reicher an Solanin sind die Keime, welche die Kartoffeln außerhalb des Bodens treiben.
Die Kartoffelschale besteht aus Korkgewebe und ist etwas reicher an Fett als das Innere der Knollen; die eiweißartigen Körper finden sich hauptsächlich in den Zellschichten, welche unmittelbar unter der Schale liegen. Die Schwankungen in der chemischen Zusammensetzung der Kartoffeln beziehen sich nicht, wie beim Getreide, auf das Verhältnis zwischen stickstoffhaltigen und stickstofffreien Substanzen, sondern hauptsächlich auf den Wassergehalt, welcher in der Regel 70-75 Proz. beträgt, aber zwischen 65 und 80 Proz. schwankt. Sehr wässerige Kartoffeln erhält man besonders auf schwerem Boden in nassen Jahren, während sich auf leichtem, mäßig gedüngtem das meiste Stärkemehl entwickelt. Je reifer die Kartoffeln sind, desto geringer ist ihr Gehalt an Wasser; bei gleicher Reife sind die größern wasserreicher als die kleinern. Kartoffeln enthalten:
Wasser | Stickstoffhaltige Substanz | Fett | Stärkemehl, Gummi etc. | Holzfaser | Asche | |
---|---|---|---|---|---|---|
Minimum | 68.29 | 0.50 | 0.05 | 12.05 | 0.27 | 0.42 |
Maximum | 82.88 | 3.60 | 0.80 | 26.57 | 1.40 | 1.46 |
Mittel | 75.77 | 1.79 | 0.16 | 20.56 | 0.75 | 0.97 |
Von dem Gesamtgehalt an stickstoffhaltigen Substanzen sind etwa 50 Proz. löslich, und diese bestehen größtenteils wahrscheinlich aus kristallisierbaren Verbindungen, wie z. B. Asparagin. Die Asche besteht über die Hälfte aus Kali und enthält außerdem viel Phosphorsäure. Da die festen Bestandteile der Kartoffel (die Trockensubstanz) ein größeres spezifisches Gewicht haben als das Wasser, so ist im allgemeinen der Gehalt der Kartoffeln an Trockensubstanz um so größer, ein je größeres spezifisches Gewicht dieselben zeigen, und da das Stärkemehl den sehr überwiegenden Teil der festen Bestandteile ausmacht, so entspricht im allgemeinen auch ein größeres spezifisches Gewicht der Kartoffeln einem größern Stärkemehlgehalt derselben.
Zur Bestimmung des letztern genügt deshalb für die Zwecke der Praxis die Ermittelung des spezifischen Gewichts der Kartoffeln. Dies kann mit Hilfe einer gesättigten und filtrierten Kochsalzlösung (1 Teil Salz, [* 16] 3 Teile Wasser) geschehen, indem man die sorgfältig gereinigten und angefeuchteten Kartoffeln in Wasser wirft und von der Kochsalzlösung so lange hinzufügt, bis die in reinem Wasser untersinkenden Kartoffeln an jeder beliebigen Stelle in der Flüssigkeit schweben. Man bestimmt dann mittels eines Aräometers das spezifische Gewicht des mit der Salzlösung gemischten Wassers (wobei sich die Temperatur desselben nicht ändern darf) und findet in nachstehender Tabelle den entsprechenden Gehalt an Trockensubstanz und Stärkemehl.
Vgl. Schertler, Anwendung des spezifischen Gewichts als Mittel zur Wertbestimmung der Kartoffeln etc. (Wien [* 17] 1873).
Gehaltbestimmungstabelle für Kartoffeln (nach Märcker)
Spez. Gewicht | Trockensubstanz Proz. | Stärkemehl Proz. |
---|---|---|
1,080 | 19.7 | 13.9 |
1,081 | 19.9 | 14.1 |
1,082 | 20.1 | 14.3 |
1,083 | 20.3 | 14.5 |
1,084 | 20.5 | 14.7 |
1,085 | 20.7 | 14.9 |
1,086 | 20.9 | 15.1 |
1,087 | 21.2 | 15.4 |
1,088 | 21.4 | 15.6 |
1,089 | 21.6 | 15.8 |
1,090 | 21.8 | 16.0 |
1,091 | 22.0 | 16.2 |
1,092 | 22.2 | 16.4 |
1,093 | 22.4 | 16.6 |
1,094 | 22.7 | 16.9 |
1,095 | 22.9 | 17.1 |
1,096 | 23.1 | 17.3 |
1,097 | 23.3 | 17.5 |
1,098 | 23.5 | 17.7 |
1,099 | 23.7 | 17.9 |
1,100 | 24.0 | 18.2 |
1,101 | 24.2 | 18.4 |
1,102 | 24.4 | 18.6 |
1,103 | 24.6 | 18.8 |
1,104 | 24.8 | 19.0 |
1,105 | 25.0 | 19.2 |
1,106 | 25.2 | 19.4 |
1,107 | 25.5 | 19.7 |
1,108 | 25.7 | 19.9 |
1,109 | 25.9 | 20.1 |
1,110 | 26.1 | 20.3 |
1,111 | 26.3 | 20.5 |
1,112 | 26.5 | 20.7 |
1,113 | 26.7 | 20.9 |
1,114 | 26.9 | 21.1 |
1,115 | 27.2 | 21.4 |
1,116 | 27.4 | 21.6 |
1,117 | 27.6 | 21.8 |
1,118 | 27.8 | 22.0 |
1,119 | 28.0 | 22.2 |
1,120 | 28.3 | 22.5 |
1,121 | 28.5 | 22.7 |
1,122 | 28.7 | 22.9 |
1,123 | 28.9 | 23.1 |
1,124 | 29.1 | 23.3 |
1,125 | 29.3 | 23.5 |
1,126 | 29.5 | 23.7 |
1,127 | 29.8 | 24.0 |
1,128 | 30.0 | 24.2 |
1,129 | 30.2 | 24.4 |
1,130 | 30.4 | 24.6 |
1,131 | 30.6 | 24.8 |
1,132 | 30.8 | 25.0 |
1,133 | 31.0 | 25.2 |
1,134 | 31.3 | 25.5 |
1,135 | 31.5 | 25.7 |
1,136 | 31.7 | 25.9 |
1,137 | 31.9 | 26.1 |
1,138 | 32.1 | 26.3 |
1,139 | 32.3 | 26.5 |
1,140 | 32.5 | 26.7 |
1,141 | 32.7 | 27.0 |
1,142 | 33.0 | 27.2 |
1,143 | 33.2 | 27.4 |
1,144 | 33.4 | 27.6 |
1,145 | 33.6 | 27.8 |
1,146 | 33.8 | 28.0 |
1,147 | 34.1 | 28.3 |
1,148 | 34.3 | 28.5 |
1,149 | 34.5 | 28.7 |
1,150 | 34.7 | 28.9 |
1,151 | 34.9 | 29.1 |
1,152 | 35.1 | 29.3 |
1,153 | 35.4 | 29.6 |
1,154 | 35.6 | 29.8 |
1,155 | 35.8 | 30.0 |
1,156 | 36.0 | 30.2 |
1,157 | 36.2 | 30.4 |
1,158 | 36.4 | 30.6 |
1,159 | 36.6 | 30.8 |
Um genaue Resultate zu erhalten, muß man etwa 30-40 Kartoffeln einzeln untersuchen, kann aber auch sämtliche Kartoffeln zusammen in ein geräumiges Gefäß [* 18] mit Wasser bringen und so viel Salzlösung zu setzen, bis die Mehrzahl der Kartoffeln in der Flüssigkeit schwebt. Das spezifische Gewicht der Flüssigkeit ist dann sehr annähernd das mittlere spezifische Gewicht der Kartoffeln. Zuverlässigere Resultate erhält man durch direkte Bestimmung des spezifischen Gewichts,
[* 15] ^[Abb.: Fescas Kartoffelwage.] ¶
wozu zweckmäßig die Fescasche Wage [* 20] benutzt wird (s. Abbildung, S. 571). Man stellt dieselbe auf, wie in der [* 19] Figur angegeben, füllt das Gefäß a mit Wasser, bis dies durch das Röhrchen b abläuft, hängt dann den Drahtkorb g bei c von der Schale f ab, staucht ihn wiederholt auf den Boden des Wassergefäßes, damit alle Luftbläschen entfernt werden, und tariert dann die Wage durch Gewichte, die man auf die Schale d legt. Nun setzt man ein Gewicht von 5 kg auf die Schale e, füllt Kartoffeln, die vorher sorgfältig mit einer trocknen Bürste gereinigt sind, in die Schale f bis zum Einstehen der Wage (wobei vielleicht die letzte Kartoffel zu durchschneiden ist), bringt dann die Kartoffeln, ohne die Gewichte d und e zu entfernen, in den Drahtkorb g und setzt endlich so viele Gewichte in die Schale f, bis die Wage wieder richtig einspielt.
Diese Gewichte (P) repräsentieren die Menge Wasser, welche durch die Kartoffeln verdrängt wird. Das spezifische Gewicht der Kartoffeln ergibt sich aus der Division des Gewichts derselben durch dasjenige des verdrängten Wassers, ist also = 5/P. Vor dem Wägen der Kartoffeln unter Wasser befeuchtet man dieselben, damit sich keine Luftbläschen bilden; auf Wasser schwimmende Kartoffeln legt man unter schwerere, und sämtliche Kartoffeln müssen vom Wasser bedeckt werden. Wasser und Kartoffeln müssen Zimmertemperatur haben, und der Drahtkorb darf nirgends die Wand des Wassergefäßes berühren.
Die Kartoffeln verlieren beim Aufbewahren durch Austrocknen 10-12 Proz., und entsprechend nimmt ihr Stärkemehlgehalt etwa bis November zu; er bleibt dann bis März stationär, vermindert sich nun aber beträchtlich, indem viel Stärkemehl in Dextrin übergeht (wobei die Kartoffeln schlissig werden). Der Nahrungswert der Kartoffeln leidet zwar darunter nicht, wohl aber der Geschmack, und mit der Bildung der Keime entsteht unter allen Umständen Verlust an verwertbarer Substanz.
In der lebenden Knolle wird das Stärkemehl allmählich durch die Atmung des Protoplasmas verbraucht und zwar, nachdem es zunächst durch ein diastatisches Ferment in Dextrin und Zucker [* 21] verwandelt worden ist. Bei mittlerer Temperatur halten sich Bildung und Verbrauch des Zuckers das Gleichgewicht. [* 22] In der Kälte aber wird der Verbrauch des Zuckers bedeutend mehr beschränkt als die Bildung desselben, und daher werden Kartoffeln bei längerer Einwirkung niederer Temperatur süß.
Mit dem Gefrieren hat dies Süßwerden nichts zu thun, es beginnt vielmehr schon weit über dem Gefrierpunkt, und wenn Kartoffeln schnell auf weniger als -3° abgekühlt werden, so gefrieren sie, ohne süß zu werden. Süß gewordene Kartoffeln verlieren ihren Zuckergehalt (über 2,5 Proz.) bei längerm Aufbewahren in einem wärmern Raum. Sie sind noch völlig brauchbar, auch keimfähig, ebenso sind gefrorne Kartoffeln zu technischen Zwecken noch brauchbar, müssen aber schnell verarbeitet werden, weil sie nach dem Tauen leicht faulen.
Zur längern Erhaltung der Kartoffeln ist vorgeschlagen worden, sie 10-15 Minuten in eine siedende Lösung von 1 Teil Kochsalz in 10 Teilen Wasser zu tauchen, dann möglichst schnell an der Luft zu trocknen und an einen luftigen, nicht feuchten Ort zu bringen. Vorteilhafter ist wohl die Bereitung von Kartoffelmehl (nicht Stärkemehl) oder Kartoffelgrieß, indem man die zerschnittenen Kartoffeln mit sehr verdünnter Schwefelsäure [* 23] (1 Teil Säure, 100 Teile Wasser) auslaugt, mit Wasser auswäscht, trocknet und mahlt. Man kann auch die zerschnittenen Scheiben in Salzwasser tauchen und trocknen oder die gekochten Kartoffeln durch Walzen zerquetschen (wobei die Schalen abgesondert werden), aus dem Brei Nudeln formen u. diese möglichst schnell trocknen. Komprimierte [* 24] Nahrungsmittel, [* 25] welche derartiges Kartoffelmehl enthalten, eignen sich besonders zur Verproviantierung von Schiffen, Armeen etc.
Die Kartoffeln finden mannigfache Verwendung als Nahrungsmittel für Menschen und Tiere, in der Technik besonders zur Spiritusfabrikation [* 26] und zur Gewinnung von Stärkemehl, aber auch in der Bierbrauerei, [* 27] zur Darstellung von Stärkezucker, Stärkesirup, dann als Zusatz zum Brot [* 28] etc.; zerriebene rohe Kartoffeln sind ein treffliches Mittel gegen Skorbut und äußerlich bei Verbrennungen. Das Kraut wird als Futter benutzt; man hat es auch zur Papierfabrikation [* 29] und als Tabaksurrogat empfohlen und ein gegen Husten und Krämpfe verwendetes Extrakt daraus bereitet.
Der Wert der Kartoffeln als Nahrungsmittel beruht fast ausschließlich auf ihrem Gehalt an Stärkemehl, und es besitzen in dieser Hinsicht 3109 g Kartoffeln denselben Wert wie 1162 g Weizenbrot (Kostmaß eines arbeitenden Mannes für einen Tag); wenn aber ein arbeitender Mann die für ihn täglich erforderliche Menge eiweißartiger Körper (welche er sich in 614 g Ochsenfleisch verschafft) in Gestalt von Kartoffeln decken sollte, so müßte er in runder Zahl 10 kg Kartoffeln genießen, und da dies unmöglich ist, so erhellt, wie beschaffen die Ernährung derjenigen Leute ist, welche sich überwiegend mit Kartoffeln sättigen müssen.
Moleschott sagt, daß derjenige, welcher sich 14 Tage lang ausschließlich von Kartoffeln nähren wollte, nicht mehr im stande sein würde, sich diese Kartoffeln zu verdienen. Der Instinkt, welcher die Auswahl der Nahrungsmittel regelt, bewirkt einen verhältnismäßig geringen Verbrauch von Kartoffeln auf der Tafel des Wohlhabenden; wo aber Armut die Beschaffung von Fleisch und Brot unmöglich macht, wo, wie in Irland, im Erzgebirge und in einem Teil Schlesiens, die Bevölkerung [* 30] auf den fast ausschließlichen Genuß von Kartoffeln hingewiesen ist, da beweisen die abnorm große Sterblichkeit und die zahlreichen Krankheiten die Folgen dieser Ernährungsweise. Größern Wert hat die als Viehfutter, und die Landwirtschaft macht ausgedehnten Gebrauch davon.
Zur Benutzung der Kartoffeln im großen werden dieselben in besondern Waschmaschinen gewaschen; eine einfache derartige Maschine [* 31] besteht aus einer langen liegenden Lattentrommel, welche in Wasser rotiert, an ihrem einen Ende die Kartoffeln durch eine Speisevorrichtung empfängt und sie gewaschen am andern Ende wieder entläßt. Zum Schälen der Kartoffeln ist eine Maschine konstruiert worden, welche als wesentlichen Bestandteil eine stehende Trommel besitzt, deren Wände und Boden aus nach innen reibeisenartig aufgehauenem Weißblech angefertigt sind.
Wenn die Kartoffeln in diese um ihre Achse rotierende Trommel fallen, so werden sie durch die Zentrifugalkraft [* 32] gegen die reibeisenartige Wand geschleudert und dadurch ihrer Schale beraubt. Man hat indes auch Schälmaschinen [* 33] konstruiert, bei denen ein rotierendes Messer [* 34] die Schale fortnimmt. Das Kochen der Kartoffeln im großen geschieht jetzt stets mit Dampf [* 35] in aufrecht stehenden Fässern, in welchen sich, nahe am Boden, ein zweiter siebartig durchlöcherter Boden befindet. Man läßt den Dampf in der halben Höhe des Fasses eintreten und sorgt für Abfluß des anfangs verdichteten Wassers. Die Gare erkennt man mit Hilfe eines eisernen Stabes, der ¶