Epopsie
(griech.), An-, Einsicht, Anschauung. ¶
Anschauung,
im eigentlichen Sinn eine durch den Gesichtssinn erlangte Vorstellung von einem Gegenstand, im weitern Sinn jede nicht durch Verstandesbegriffe vermittelte, sondern unmittelbar auf den Gegenstand bezogene Vorstellung. Sie ist unter allen Vorstellungen die klarste und lebendigste, doch ist der Kreis, [* 4] in welchem sie herrscht, beschränkt, sie selbst immer individuell, an das gerade Gegebene gebunden, daher unfähig, über die Grenzen [* 5] der unmittelbaren Wahrnehmbarkeit hinauszugehen, und mithin der Einseitigkeit ausgesetzt.
Die Anschauung muß sich mit der Abstraktion verbinden, um allgemeine Vorstellungen zu erzeugen; erst aus diesem Weg kommt aus der Anschauung die Erkenntnis, zunächst nur die des einzelnen Gegenstandes, dann aber auch bei weiterer Arbeit die des Generellen, zu stande. Die Anschauung gibt das Material für das Denken, das Denken selbst erst die Erkenntnis; der Anschauende ist noch im Gegenstand verloren, durch das Denken bemeistert er sich seiner und macht ihn im Wissen zu seinem Eigentum. Kant (und nach ihm Schopenhauer) unterschied zwischen reinen a priori) und empirischen a posteriori) Anschauungen und verstand unter jenen solche, welche der Geist, frei von allem konkreten Gehalt, nur als reine Form schaut, d. h. Zeit und Raum und die in diese Kategorien fallenden Gegenstände der reinen Mathematik, unter diesen dagegen die Bilder, welche die Betrachtung bestimmter Gegenstände in uns hervorbringt.
Die meisten neuern philosophischen Schulen haben die Anschauung als die Bedingung aller Erkenntnis ihren Systemen zu Grunde gelegt, die idealistischen eine apriorische (reine), die realistischen eine aposteriorische (sinnliche). Fichte [* 6] verstand unter intellektueller Anschauung die ursprüngliche Anschauung des Ichs oder das unmittelbare Bewußtsein;
Schelling einen unbedingten Erkenntnisakt, in welchem das Subjektive und Objektive zusammenfallen soll, und welcher nach ihm der Anfangspunkt aller philosophischen Erkenntnis ist;
Hegel vermittelte ein absolutes Wissen durch notwendige Gedankenbewegung;
Herbart und Beneke dagegen kennen nur die empirische Anschauung als Grundlage der Erfahrung. So viel ist gewiß, daß eine intellektuelle Anschauung als ein durch das Denken nicht vermittelter, mithin zufälliger und verlierbarer Zustand des Subjekts, in welchem man das Absolute in seiner ungetrübten Einheit unmittelbar ergreifen soll, eine willkürliche Voraussetzung ist, welche ebensowenig auf sicherm Boden ruht wie jenes unmittelbare Anschauen Gottes, von dem die Mystik so oft geträumt hat. -
Künstlerische Anschauung ist die Art und Weise, wie der praktische Künstler oder auch der an Kunstwerken gebildete Geist des Kunstfreundes die Dinge nach dem Maßstab [* 7] und den Gesetzen betrachtet, welche sich aus der ästhetischen und historischen Wesenheit der Kunst als durchgehende Norm ergeben.