(Inflammatio,
Phlogosis), ohne
Frage der bei weitem häufigste und wichtigste pathologische
Prozeß, der daher
nicht mit Unrecht als der Angelpunkt der gesamten
Medizin bezeichnet worden ist. Die Entzündung tritt unter sehr
verschiedenen
Formen auf und führt zu den verschiedensten
Resultaten, so daß es schwierig ist, von vornherein festzustellen,
was alles unter dem
Begriff der Entzündung zusammenzufassen ist. Der
AusdruckEntzündung weist auf einen krankhaften Vorgang hin, welcher mit
einer
Steigerung der
Temperatur verknüpft, aber lokal beschränkt ist; denn Zustände von allgemeiner
Temperatursteigerung im ganzen
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Körper heißen Fieber. Allein die örtlich gesteigerte Wärme
[* 3] reicht nicht zur Charakteristik der Entzündung aus. Schon der alte römische
ArztCelsus stellte vier Kardinalsymptome der Entzündung auf, nämlich Calor, Rubor, Tumor und Dolor, d. h. ein entzündeter Teil zeigt
gesteigerte Wärme, Rötung, Schwellung und Schmerz. Dies gilt allerdings für die Entzündung gefäß- und nervenhaltiger
Teile, welche dem Auge
[* 4] zugänglich sind, z. B. für die der äußern Haut
[* 5] und der sichtbaren Schleimhäute.
Für zahlreiche andre Organe will aber jener Symptomenkomplex nicht recht passen; man sah sich genötigt, mindestens nach
die gestörte Verrichtung des entzündeten Teils zur Charakteristik der Entzündung hinzuzufügen. Allein alle
die angeführten Symptome sagen nichts über das Wesen und die innere Natur des Entzündungsvorganges selbst aus, und man muß
heute die Einheit eines Entzündungsprozesses fallen lassen, da keine einzige Definition sich mit der Mannigfaltigkeit und
Verschiedenheit aller derjenigen geweblichen Veränderungen deckt, welche den verschiedenen Phasen der Entzündung entsprechen und
im weitesten Sinn zu den entzündlichen gerechnet werben.
Das Wesen der Entzündung liegt in einer örtlichen Störung der Ernährung der Gewebe
[* 6] mit dem Charakter des beschleunigten und gesteigerten
Stoffwechsels. Der gesteigerte Stoffwechsel aber setzt voraus erstens, daß ein vermehrter Zufluß von Ernährungsmaterial
zu dem gestörten Teil stattfindet (dies ist die sogen. entzündliche Kongestion), und zweitens, daß
aus den Blutgefäßen eine reichlichere Menge von Säften in die Gewebe übertritt (gesteigerte Exsudation).
Die gesteigerte Zufuhr von Ernährungsmaterial ist so wichtig für das Zustandekommen der Entzündung, daß man diese
lange Zeit hindurch als eine mit vermehrter Ausschwitzung einhergehende Blutkongestion bezeichnet hat. Es ist dies
unpassend, weil es Vorgänge gibt, wo Kongestion und vermehrte Ausschwitzung ohne Ernährungsstörung bestehen (z. B. nach
Durchschneidung des sympathischen Nervs am Hals), und namentlich auch, weil es eine Entzündung blutgefäßloser Teile gibt (z. B.
der Hornhaut des Auges, der Knorpel).
[* 7]
Diese letztern Stätten der Entzündung dienten Virchow zur Grundlage, als er in seiner »Cellularpathologie« die
Urquelle aller Entzündungen in die gesteigerte Ernährung und Vermehrung der Gewebszellen verlegte. Die Einheit bildet nach
ihm die Zelle,
[* 8] dann Zellenterritorien und ganze Organe; die Gefäßveränderungen sind später hinzutretende, allerdings sehr
bedeutungsvolle begleitende Vorgänge. Diese Erklärung mag nun für einzelne Gewebe, wie Knorpel und Hornhaut, allenfalls passen;
indessen bei allen andern Geweben tritt der Zellenanteil so in den Hintergrund, während eine Reihe von Alterationen an den Gefäßen
das Bild völlig dominiert, daß alle andern Erklärungsversuche immer wieder an die entzündliche Hyperämie angeknüpft haben.
Die ältern Entzündungstheorien faßten die Hyperämie als die Folge einer abnormen Einwirkung der Nerven
[* 9] auf die Gefäßwände auf. Diese Theorien haben sich nicht als stichhaltig erwiesen, auch die von Virchow begründete sogen.
Attraktionstheorie kann nicht als ausreichend angesehen werden.
Die richtige Erklärung der entzündlichen Blutfülle ist wohl die ganz neuerdings von Cohnheim aufgestellte, welcher eine
primäre, durch den Entzündungsreiz bewirkte Alteration der Gefäßwände annimmt, in deren Folge veränderte
Beziehungen des Blutstroms zu den Gefäßwänden sich ergeben. Der eigentliche Entzündungsvorgang beginnt mit Veränderungen
am Gefäßsystem, welche in der Hauptsache den Charakter der Blutüberfüllung (der
Kongestion oder Hyperämie) an sich tragen.
Ganz im Beginn der Entzündung, wenn der verursachende Reiz die größern Gefäße mit betroffen hat, beobachtet
man eine Erweiterung der Arterien und Venen mit Beschleunigung des Blutstroms, nachdem zuweilen eine ganz kurz dauernde Verengerung
der Arterien vorausgegangen ist. Nach einiger Zeit jedoch wird der Blutstrom in den erweiterten Gefäßen verlangsamt, ohne
daß eine mechanische Ursache dieser Verzögerung sichtbar ist. Gleichzeitig ändert der Blutstrom seinen bisherigen
Charakter.
In den weiten Arterien fließt das Blut langsam dahin und zwar in der Achse des Stroms nicht wesentlich schneller als in der Nähe
der Gefäßwand. Die Haargefäße erscheinen mit Blutkörperchen
[* 10] strotzend gefüllt; letztere rücken nur sehr langsam vorwärts
oder stehen selbst, dicht aneinander gedrängt, ganz still (Stasis). In denVenen endlich treten die farblosen
Blutkörperchen an den Rand des Stroms und haften der innern Gefäßoberfläche an, während die roten Blutkörper in der Achse
des Venenlumens langsamer weiterfließen.
Mit dieser Stromverlangsamung geht allemal Hand
[* 11] in Hand eine gesteigerte Ausschwitzung aus den blutüberfüllten Gefäßen (Exsudation).
Das entzündliche Exsudat ist höchst wahrscheinlich auch qualitativ etwas andres als das gewöhnliche
Transsudat, welches aus gesunden Blutgefäßen austritt. In leichtern Fällen der Entzündung kommt nur ein seröses, d. h. wässeriges,
Exsudat zu stande; dieses infiltriert die Gewebe, wenn die Lymphgefäße derselben nicht hinreichen, das Wasser rechtzeitig abzuführen,
und so entsteht das entzündliche Ödem (die Entzündungsschwellung), in Höhlen die entzündliche Wassersucht.
War der Entzündungsreiz stärker, so lassen die alterierten Blutgefäßwände nicht bloß Serum, sondern auch die farblosen
Blutzellen aus dem stark verlangsamten Blutstrom austreten, und es kommt zur Bildung eines eiterigen Exsudats. Vgl. Eiter. In
noch schwereren Fällen, wo der Blutstrom bis zur Stagnation verlangsamt ist, treten durch die schwer erkrankten
Gefäßwände außer dem Serum und den farblosen Blutzellen auch noch rote Blutkörperchen, zuweilen in großen Massen, aus,
und es entsteht das blutige oder hämorrhagische Exsudat.
Die Gefäßveränderung ist es, welche nach Cohnheims Auffassung das Wesen der Entzündung ausmacht, während derselbe Gedanke im Sinn der
Zellentheorie lauten würde, daß der Entzündungsreiz in gefäßreichen Teilen die Zellen der kleinen
Venen funktionell stört, so daß zwischen ihnen Blutkörperchen austreten können. Von einer neuen oder die Cellularpathologie
gar ersetzenden Theorie ist also nicht die Rede. Die physiologische Bestimmung der entzündlichen Ausschwitzung liegt darin,
daß die reichlich in die Gewebe übergetretenen Säfte die Ernährungsstörung der Gewebe ausgleichen
helfen sollen.
Die vermehrte Exsudation und die davon abhängige reichlichere Ernährung der Gewebe ist wohl auch die nächste Ursache dafür,
daß in vielen Fällen von Entzündung eine Neubildung von Geweben stattfindet. Letztere tritt namentlich bei den traumatischen Entzündungen,
als Narbenbildung etc., sowie bei den langsam verlaufenden (chronischen)
Entzündungen in den Vordergrund, indem sie zur Vergrößerung und Verhärtung der Organe (durch Bindegewebsneubildung) führt.
Die Gewebe, welche bei Gelegenheit der Entzündung neu gebildet werden, sind vorzüglich folgende: Epithelzellen beim Katarrh der Schleimhäute;
gefäßhaltiges Bindegewebe bei der Narbenbildung, bei den adhäsiven Entzündungen seröser Häute, bei der entzündlichen
Hypertrophie der Häute,
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Drüsen etc.; ferner gefäßhaltiges Knochengewebe bei Entzündung an der Knochenoberfläche
u. dgl. m. Außer diesen
progressiven Vorgängen trifft man rückschreitende (degenerative) Metamorphosen der Zellen, vor allem Verfettungen an. Am häufigsten
verfallen die Muskelfasern, die Nervenfasern, die Ganglien- und Drüsenzellen sowie die Haargefäße der Entartung, die in der
Regel mit vollkommenem Untergang der betreffenden Gebilde und Ausstoßung derselben aus dem Organismus endigt.
Auch solche Gewebe, welche sich erst bei Gelegenheit der Entzündung neu gebildet hatten, unterliegen häufig gegen das Ende
des Prozesses einer Rückbildung. Dies gilt besonders von den Haargefäßen der entzündlichen Neubildungen (z. B. des Narbengewebes),
welche häufig veröden und zu einer soliden Fasermasse umgebildet werden. Die Neigung des Narbengewebes
zur Schrumpfung beruht auf dem Untergang seiner feinsten Blutgefäße. Über die Ursachen der Entzündung läßt sich allgemein nur sagen,
was für die Ursachen der Krankheit (s. d.) gilt. Jeder Reiz, der ein Gewebe trifft, ohne dasselbe sofort zu töten, kann in
ihm die Ursache zu einer Entzündung werden; ob er es wird oder nicht, hängt von der Heftigkeit des Reizes, von der
Reaktionsfähigkeit der getroffenen Teile ab.
Der Verlauf der Entzündung ist bald ein akuter, schnell vorübergehender, der sich über einige Stunden bis zu wenigen (6-8) Tagen
erstreckt, bald ein chronischer, wobei der entzündliche Prozeß wochen- und monatelang anhält. Die Dauer
der Entzündung hängt vorzugsweise ab von der Natur der die Entzündung erregenden Ursachen und der damit zusammenhängenden Intensität der
Ernährungsstörung, sodann von der Ausdehnung
[* 13] des Entzündungsherdes und vorzugsweise auch von der Struktur und dem feinern
Bau derGewebe, welche von der Entzündung betroffen werden. In letzterer Beziehung darf man annehmen,
daß die Entzündung in zarten, blutgefäß- und zellenreichen Teilen im allgemeinen schneller verläuft als in harten
gefäßlosen oder gefäßarmen Geweben.
Dies hängt eben damit zusammen, daß der Ausgleich der Störung an den reichlichen Zufluß von Ernährungsmaterial geknüpft
ist. Je mehr Blut einem Teil zugeführt wird, um so intensiver wird die Entzündung in demselben ausfallen, aber
um so schneller wird sich auch die Störung wieder ausgleichen. An dem gefäßarmen Gewebe derSehnen und sehnigen Häute, an den
gefäßlosen Knorpeln, an den harten, unnachgiebigen Knochen
[* 14] werden deshalb die entzündlichen Prozesse unter sonst gleichen
Verhältnissen eine längere Dauer beanspruchen, als es bei parenchymatösen und drüsigen Organen der Fall ist. - Die Ausgänge
der Entzündung gestalten sich ebenfalls sehr verschieden. Es hängt dies gleichfalls vorzugsweise von der Natur und Stärke
[* 15] des die
Entzündung erregenden Reizes sowie von der Natur und dem feinern Bau der davon betroffenen Organe und Gewebe ab. Sehr
häufig geht die Entzündung, namentlich in leichtern Fällen, in Zerteilung oder Resolution über, d. h. es kommt nur zur Hyperämie
und vermehrten Ausschwitzung von Serum, nicht aber zur Neubildung von Geweben oder zum Untergang der entzündeten Teile, und die
Entzündung verschwindet, ohne eine Spur an den Geweben zurückzulassen, indem sich die normale Zirkulation des Bluts
wiederherstellt und der vorhandene Überschuß an Gewebesaft durch die Lymphgefäße abgeführt wird.
Heftigere Grade der Entzündung führen zur Vereiterung, bez. zur Verschwärung (Suppuration und Ulceration), d. h. die durch den Reiz
geschädigten Gewebe werden eingeschmolzen, die erweichten Massen werden ausgestoßen, und es erfolgt Heilung
mit Hinterlassung eines Substanzverlustes, der
eine mehr oder minder augenfällige Narbe zurückläßt. Eine gewöhnlich eintretende
und im gleichen Verhältnis mit der Heftigkeit der Entzündung zunehmende Störung des Allgemeinbefindens ist das Fieber (s. d.).
Die Behandlung der Entzündung, die sogen. Antiphlogose, gestaltet sich nach der Natur des Einzelfalles ungemein
verschieden. Wo es immer möglich ist, da muß zuerst die Entzündung erregende Ursache beseitigt werden. FremdeKörper, Splitter etc.
müssen entfernt, chemisch reizende Stoffe beseitigt und neutralisiert, physikalische Reize (Hitze, starke Kälte) vom Körper
fern gehalten werden. Wunden sind mit fäulniswidrigen Mitteln, geschwollene Hautstellen mit Eis
[* 16] oder Blutentziehungen zu behandeln;
gegen Schmerzen reicht man Morphium etc. Wird Eiterung erwartet, so macht man warme Umschläge, später Einschnitte.
Bei jeder Entzündungskrankheit ist aber darauf zu achten, daß der Patient sich einer angemessenen, d. h. reizlosen und nicht
zu stark nährenden, Diät unterziehe, und daß er für regelmäßigen Stuhlgang sorge. Ist im Gefolge einer
Entzündung Brand eingetreten, so bleibt nichts übrig, als abzuwarten, bis sich das Brandige auf natürlichem Weg vom Gesunden ablöst.
(Inflammatio, Phlogosis), einer der häufigsten und wichtigsten krankhaften Prozesse
des menschlichen und tierischen Körpers, spielt bei der Entstehung und Heilung der meisten innern und chirurg. Krankheiten
eine hervorragende Rolle, weshalb die Lehre
[* 17] von der Entzündung eins der wichtigsten Kapitel der gesamten Pathologie darstellt und von
alters her das Interesse der Ärzte und Chirurgen in ganz besonderm Grade erregt hat. Man versteht unter
Entzündung im allgemeinen denjenigen krankhaften Zustand eines Körperteils oder Organs, bei welchem dessen Haargefäße erweitert
und mit stockenden Blutkörperchen überfüllt sind und infolgedessen gerinnbare, faserstoffhaltige (sog. plastische)
Bestandteile ausschwitzen, welche, in die Gewebe gelagert, daselbst mannigfachen weitern
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Veränderungen unterliegen können. Das Entzündetsein eines Organs giebt sich vor allem durch gesteigerte Wärme, Rötung,
Schwellung und Schmerzen in demselben zu erkennen, wozu sich sehr bald auch mehr oder minder auffallende Störungen in den
Verrichtungen des entzündeten Organs, unter Umständen auch Fieber und eine allgemeine Zurückhaltung der Absonderungen (Durst,
Trockenheit der Haut, sparsamer dunkler Harnu. dgl.) hinzugesellen. Jede Entzündung geht aus einer Kongestion, d. h.
aus der Überfüllung von gewissen Haargefäßen hervor und besteht ihrem Wesen nach aus einer örtlichen Ernährungsstörung
der Gewebe mit dem Charakter des beschleunigten und gesteigerten Stoffwechsels, durch welche die verschiedenartigen, von außen
auf den Körper einwirkenden Schädlichkeiten möglichst eliminiert und unschädlich gemacht werden.
Wenn man sich einen Splitter tief in das Fleisch einsticht, so entsteht sehr bald, wenn derselbe nicht herausgezogen wird,
in seinem Umkreise eine entzündliche Anschoppung und Ausschwitzung, welche entweder den Splitter mit einer aus neugebildetem
Bindegewebe bestehenden Kapsel umgiebt und so unschädlich macht, oder die benachbarten Gewebe eiterig
erweicht und so dem Splitter mitsamt dem entstandenen Eiter einen Ausweg nach außen bahnt. Auf die gleiche oder ähnliche
Weise werden die meisten krankhaften Veränderungen innerhalb unsers Körpers durch entzündliche Prozesse vollständig oder
doch teilweise wieder aufgehoben und ausgeglichen.
Die feinern Vorgänge bei der Entzündung bestehen nach den Untersuchungen von Cohnheim darin,
daß nach der Einwirkung einer das betreffende Organ berührenden Schädlichkeit, des sog. Entzündungsreizes, zuerst eine
Erweiterung der Arterien, später auch der Venen eintritt, wodurch die Geschwindigkeit des Blutstroms bald beträchtlich herabgesetzt
wird, und daß, begünstigt durch diese Blutstockung, zahllose farblose Blutkörperchen durch die unversehrten
Gefäßwände nach außen in die umliegenden Gewebe auswandern und hier als sog. Eiterkörperchen
das weitere Schicksal der Entzündung bestimmen; verschwinden sie nach einiger Zeit wieder, indem sie aus den Hohlräumen
des Bindegewebes in die Lymphgefäße und so wieder in die Blutmasse zurückgelangen, so wird die Entzündung wieder rückgängig
(zerteilt), während sie bei andauernder Anhäufung in dem umgebenden Gewebe den Übergang der Entzündung in Eiterung bedingen. (S.
Eiter.) Dieser neuern Ansicht über den eigentlichen Entzündungsvorgang (der Einwanderungstheorie) steht eine andere ältere
(die Proliferationstheorie) gegenüber, nach welcher die Eiterkörperchen nicht ausgewanderte farblose Blutkörperchen, sondern
in den Geweben selbst entstanden seien, indem in den epithelialen Geweben die Epithel- oder Drüsenzellen,
in bindegewebigen Organen die Bindegewebszellen unter dem Einfluß des Entzündungsreizes eine lebhafte Wucherung und wiederholte
Teilung erfahren und sich so direkt in Eiterkörperchen verwandeln. Neuere Untersuchungen haben bewiesen, daß in der
That, entsprechend der ältern Anschauung, die Gewebszellen sich ebenfalls durch Teilung an dem Entzündungsprozeß
lebhaft beteiligen und daß auch aus ihnen Eiterkörperchen entstehen. Ferner spielen die Nerven, durch die die Blut- und Lymphgefäße
erweitert und verengt werden, bei der Entzündung eine große Rolle.
Jedes Lebensalter, Geschlecht, Temperament und jedes Klima
[* 19] ist den Entzündung ausgesetzt; besonders begünstigt werden sie
aber von
dem Kindes-, Jugend- und Mannesalter, den kalten Klimaten und Jahreszeiten.
[* 20] Ebenso ist jedes Organ der Entzündung zugänglich,
ausgenommen diejenigen Organe, welche weder Blutgefäße noch Nerven besitzen, wie die Oberhaut, die Haare
[* 21] und Nägel
[* 22] und zum
Teil die Knorpel; besonders häufig werden diejenigen Organe von G. befallen, welche der Einwirkung schädlicher
Einflüsse am meisten ausgesetzt sind, wie die Augen, die Luftröhre und die Lungen.
Wiederholte Entzündung mancher Organe erhöht die Disposition für die gleiche Erkrankung desselben Organs; wer wiederholt von Luftröhrenkatarrhen
befallen wurde, erkrankt bei der geringsten Veranlassung wieder an Luftröhrenkatarrh. Bisweilen entzünden sich einzelne
Teile der Organe leichter als andere, ohne daß die Ursachen hierfür bekannt sind; so betreffen erfahrungsgemäß
Lungenentzündungen häufiger die untern Lappen als die obern. Die nächsten oder Gelegenheitsursachen der Entzündung, die
sog. Entzündungsreize, müssen einen gewissen, je nach der Individualität verschiedenen Grad besitzen;
als solche wirken
mechan. Verletzungen der Organe (Schnitt, Stich, Stoß, Reibung,
[* 23] Quetschung), fremde Körper (Staub, Splitter,
Flintenkugeln, wandernde Parasiten) in oder an denselben, allzuheftige Anstrengung, hohe Hitze- und Kältegrade sowie schneller
Wechsel der Temperatur;
ferner chem. Einwirkungen, wie die der Säuren, Alkalien, scharfer Stoffe und mancher ätherischen Öle;
[* 24]
endlich können den Organen direkt oder vom Blut und von der Lymphe aus gewisse, nach Art eines Giftes wirkende
Ansteckungsstoffe zugeführt werden, welche entweder in demselben Organismus oder in andern Organismen entstanden sind und
als heftige Entzündungsreize wirken können;
Die Tendenz einer jeden Entzündung ist die Aussonderung eines gerinnbaren Krankheitsprodukts, welches in vielen Fällen fähig ist,
neue Gewebe zu bilden (sog. plastische Lymphe). Diese Ausschwitzung oder Exsudation ist der wichtigste Vorgang bei der Entzündung und
fehlt nie, wenn das Exsudat häufig auch nur mikroskopisch wahrnehmbar ist. Sie ist nicht selten die erste und bei Entzündung innerer
Organe die einzig nachweisbare Veränderung des Entzündungsprozesses und kommt in gleicher Weise an gefäßhaltigen und an
gefäßlosen, in festen und weichen Teilen, in Häuten und im Innern der Organe vor.
Das Exsudat findet sich entweder auf den freien Oberflächen und in den natürlichen Höhlen des Körpers oder zwischen den
Geweben und Gewebsteilen; seine Menge ist je nach der Intensität der Entzündung, nach seinem Sitze und nach der
Art der betreffenden Gewebe sehr verschieden, von kaum wahrnehmbaren Mengen bis zu vielen Litern wechselnd;
am wichtigsten sind die freien Exsudate seröser Häute und gewisser Schleimhäute. Hinsichtlich ihrer Beschaffenheit zerfallen
die entzündlichen Exsudate in seröse, schleimige, faserstoffige, hämorrhagische, kruppöse und diphtheritische (s.
Ausschwitzung), und diese Unterschiede in der Art und Beschaffenheit der ausgeschwitzten Substanz sind für den weitern Verlauf
und Ausgang der Entzündung von nicht geringer Bedeutung. Durch die Ausschwitzung plastischer
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Lymphe werden bei Entzündung, die durch Verwundung herbeigeführt wurden, die getrennten Teile wieder verlötet und durch neugebildetes
Gewebe miteinander wieder vereinigt (sog. adhäsive Entzündung) und dadurch in vielen
Fällen in kurzer Zeit die Wundheilung vollendet; freilich kann derselbe Vorgang bei der Entzündung innerer Organe
die Ursache von Verwachsungen, Verschließungen von Kanälen, Verhärtungen und zahlreichen andern nachteiligen
Ausgängen werden, sodaß hier schädlich wirkt, was dort heilsam ist.
Der günstigste Ausgang der Entzündung ist die Zerteilung, wobei sich unter allmählichem Nachlassen aller Symptome nach und nach
der vorige Zustand des Organismus wiederherstellt, entweder weil sich die vorhandene Blutstockung zerteilte und der überschüssige
Gewebesaft durch die Lymphgefäße wieder abgeführt wurde (discussio) oder weil die ausgeschwitzten Exsudatmassen wieder
verflüssigt und aufgesaugt wurden (Lösung der Entzündung, resolutio). Bei höhern Graden der Entzündung, bei ungünstiger Beschaffenheit
des ausgeschwitzten Exsudats (wie bei den kruppösen und diphtheritischen Entzündung), ferner bei fehlerhafter Blutmischung,
bei Störungen des entzündlichen Prozesses und vor allem bei Ablagerung des Exsudats in maschige Gewebe
(z. B. in den Zellstoff unter der Haut) kommt es leicht zur Vereiterung (suppuratio) und zur Verschwärung (ulceratio), d. h.
es tritt eine reichliche Schmelzung des Exsudats zu Eiter (s. d.) ein, die eiterig erweichten Massen werden nach außen ausgestoßen,
und es entsteht ein mehr oder minder umfangreicher Substanzverlust, ein Geschwür (s. d.), welches bei
seiner Ausheilung eine bleibende Narbe zurückläßt.
Bei noch ungünstigern Bedingungen, bei vollständiger Unterbrechung derErnährung kann die Entzündung auch mit dem Tode der erkrankten
Gewebe endigen; die letztern werden brandig und es kommt zur brandigen Abstoßung des ganzen erkrankten Organs.
(S. Brand.) Bei schweren und ausgebreiteten Entzündung, namentlich innerer lebenswichtiger Organe, kann auch der
allgemeine Tod des ganzen Organismus erfolgen. Hinsichtlich ihrer Dauer teilt man die Entzündung in akute, die schnell und meist mit
deutlichem Fieber verlaufen und in Zeit von einigen Tagen, höchstens Wochen beendet sind, und in chronische
ein, die sich länger hinausziehen, oft ohne anfänglichen bedeutenden Anteil des Gesamtorganismus, die aber schließlich
doch durch ihre Dauer und die mit ihnen verbundenen Eiter- und Säfteverluste oft genug verderblich werden. Häufig haben sehr
lange andauernde, mit Eiterung und Verschwärung verbundene Entzündung allgemeine Blutarmut, Abmagerung und Amyloidentartung lebenswichtiger
Organe zur Folge.
Bei der Behandlung von Entzündungskrankheiten, der sog. Antiphlogose, ist zunächst dahin zu streben, den Reiz, der die Entzündung veranlaßt,
zu entfernen oder wenigstens soviel als möglich abzustumpfen. Fremde Körper und Splitter müssen extrahiert, chemisch reizende
Mittel entfernt oder neutralisiert, in die Gewebe, z. B. in Wunden eingedrungene Bakterien desinfiziert, physikalisch
wirkende Schädlichkeiten (extreme Hitze und Kälte u. dgl.) möglichst fern gehalten werden. Um die der Entzündung vorausgehende
Blutanschoppung zu mindern oder ganz zu zerteilen, können Blutentziehungen, und zwar sowohl allgemeine durch den Aderlaß
wie örtliche durch Blutegel,
[* 27] ferner vollkommene Ruhe und zweckmäßige Lagerung des entzündeten Teils, die örtliche Anwendung
der Kälte
in der Form des kalten Umschlags oder des Eisbeutels sowie innerlich kühlende Mittel sich nützlich
erweisen.
Oft genug sind diese entzündungswidrigen Mittel (s. auch Antiphlogistisch) allein vollkommen hinreichend, die Macht einer
Entzündung zu brechen. Übrigens erfordern alle entzündlichen Krankheiten, besonders wenn sie innere Organe betreffen, eine möglichst
reizlose, d. h. nicht zu stark nährende Diät (s. d.),
gehörige Regulierung der Stuhlentleerung und die Fernhaltung jedweder psychischen Aufregung. Nach geschehener Ablagerung des
Exsudats kommen zerteilende, erweichende, auflösende und Aufsaugung befördernde Mittel in Anwendung.
Ist Eiterung eingetreten, so ist der Eiter möglichst frühzeitig zu entfernen, was in den meisten Fällen am besten durch
einen Einstich oder Einschnitt mit dem Messer
[* 28] geschieht; auch vor nachweisbarer Eiterung ist bei äußern akuten Entzündung ein Einschnitt
gewöhnlich zweckmäßig; er wirkt schmerzmildernd und vermindert die Entzündung, sodaß es nicht zu Eiterung kommt. Vorhandenes Fieber
ist durch antipyretische Heilmittel (Chinin, Salicylsäure, Antipyrin, kalte Bäder) zu bekämpfen.
Bei chronischen Entzündung und Eiterungen ist der Kräftezustand des Kranken sorgfältig zu überwachen und durch
roborierende Mittel (Eier,
[* 29] Fleisch, Milch, Schokolade, Wein, malzreiche Biere) soviel als möglich zu unterstützen. Ist es im
Verlaufe einer Entzündung zum Brand gekommen, so muß man abwarten, bis sich der abgestorbene Teil spontan vom Körper abstößt; doch
sorge man für gehörige Desinfektion
[* 30] der brandigen Gewebe durch Chlorkalklösung, Carbolsäure, Creolin
und andere antiseptische Verbandmittel. -