Titel
Elektrische
[* 2]
Schwingungen, wie sie bei der oszillierenden Entladung eines
Kondensators entstehen,
pflanzen sich nach der
Entdeckung von
Hertz (s.
Induktion,
[* 3] Bd. 17, S. 451) in der
Luft oder andern dielektrischen
Substanzen
(Nichtleitern
der
Elektrizität
[* 4] ^[im
Faksimile falsch Elekrizität] als elektrische
Wellen
[* 5] oder als
»Strahlen elektrischer
Kraft«
[* 6] mit einer
Geschwindigkeit fort, welche derjenigen des
Lichtes nahezu gleich ist. Auch in anderer Hinsicht verhalten
sich die elektrischen
Strahlen wie Lichtstrahlen; sie werden an
Spiegeln zurückgeworfen, durch Prismen gebrochen, sie zeigen
Interferenz- und Polarisationserscheinungen. Erregt man z. B. in der
Brennlinie eines cylindrischen
Hohlspiegels aus Zinkblech,
dem ein zweiter solcher
Hohlspiegel
[* 7] gerade gegenübersteht, so werden die an
¶
mehr
dem ersten Spiegel [* 9] unter sich parallel zurückgeworfenen Strahlen in der Brennlinie des zweiten wieder gesammelt. Es entstehen dann in einem hier aufgestellten Leiter wieder welche sich dadurch verraten, daß an einer Unterbrechungsstelle dieses »sekundären Leiters« zwischen einer Kugel und einer Spitze kleine Funken überspringen. Diese Fünkchen sind aber so schwach, daß sie nur ganz in der Nähe und mit Hilfe einer Lupe [* 10] beobachtet werden können. Man kann aber ihr Auftreten auch einem größern Zuschauerkreis auf folgende von Boltzmann angegebene Weise wahrnehmbar machen: Man verbindet die Kugel mit einem Goldblattelektroskop, die Spitze mit dem einen Pol einer passenden galvanischen Batterie oder einer Zambonischen Säule, deren anderer Pol zur Erde abgeleitet ist, oder auch mit dem Knopf einer schwach geladenen Leidener Flasche. [* 11] Solange keine Fünkchen übergehen, bleibt das Elektroskop [* 12] ungeladen; die Fünkchen aber bilden sofort nach ihrem Erscheinen eine leitende Brücke [* 13] zwischen Kugel und Spitze und bringen das Elektroskop zum Ausschlag, welcher, wenn man das vergrößerte Bild des beleuchteten Elektroskops mittels einer Linse [* 14] auf einem Schirme entwirft, weithin wahrgenommen werden kann.
^[Elektrische
Schwingungen in Drähten.]
Eine neue Methode, in Drähten zu beobachten und die sich bildenden stehenden Wellen zu messen, wurde von Lecher (1890)
angewendet, A und A'
[* 8]
(Fig. 1) sind quadratische Blechplatten von ca. 40 cm Kantenlänge; sie sind mittels eines 100 cm langen
Drahtstückes verbunden, das in der Mitte durchschnitten ist und daselbst bei F zwei Messingkugeln trägt. Dieselben stehen
durch dünne Drähte mit den Polen eines Funkeninduktors in Verbindung. Den Platten A und A' gegenüber stehen
in einer Entfernung von etwa 4 cm zwei gleichgroße Platten B und B'. Von diesen führen zwei Drähte zuerst nach s und s' und von
da parallel auf eine Länge von 600 cm und mit einem Abstand von ca. 30 cm bis t und t'. Über die Drahtenden
t und t' wird eine Geißlersche Röhre
[* 15] ohne Elektroden g g' gelegt; dieselbe beginnt infolge der elektrischen
Schwingungen in
den Drähten zu leuchten.
Legt man jetzt, während die Röhre hell leuchtet, einen Drahtbügel x x' quer über die parallelen Drähte, so verschwindet
im allgemeinen das Licht
[* 16] der Röhre augenblicklich. Verschiebt man nun den Querbügel x x' längs der Drähte,
so findet man einige sehr scharf bestimmte Stellen, wo die Röhre plötzlich wieder aufleuchtet. Diese Stellen sind die Schwingung
sbäuche
der stehenden elektrischen
Wellen, welche durch die Interferenz der nach t gehenden und der bei t zurückgeworfenen Wellen in
den Drähten entstehen.
Die Erscheinung beruht übrigens auf elektrischer
Resonanz. Legt man nämlich den Querbügel über x x', so stellt sich zunächst
eine Hauptschwingung
her, welche von B über s x x' s' nach B' geht. Diese erste Schwingung
[* 17] erzeugt durch Induktion eine zweite
Schwingung in x x', welche sich von t' über x' x nach t
fortpflanzt. Daß die Erscheinung thatsächlich
in dieser Weise durch Resonanz zu stande kommt, beweist der folgende Versuch: Man macht den Querbügel aus zwei voneinander
isolierten parallelen Drähten, bringt ihn an die Stelle x x', wo die Röhre hell aufleuchtet, lötet ihn an dieser
Stelle fest und spaltet jetzt durch Durchschneiden der Hauptdrähte den Bügel x x' der ganzen Länge nach entzwei
[* 8]
(Fig. 2).
Nun ist der erste Stromkreis B s x x' s' B' metallisch geschlossen, und daneben, von ersterm vollständig isoliert, liegt
der sekundäre Leiter t x x' t'. Die Röhre aber leuchtet ganz so wie früher. Durch Aufsuchen der Schwingung
sbäuche
wurde die Länge der elektrischen
Wellen und daraus ihre Fortpflanzungsgeschwindigkeit in Drähten bestimmt. Lecher fand sie
bis auf 2 Proz. der Lichtgeschwindigkeit (300,000 km) gleich, während Hertz nur 200,000 km gefunden hatte.
Indem Sarasin und de la Rive (1889 und 1890) die Versuche von Hertz über die Fortpflanzung elektrischer
Wellen längs Metalldrähten wiederholten und sich dabei wie dieser zum Nachweis der Bäuche und Knoten kreisförmiger sekundärer
Leiter mit einer Unterbrechungsstelle, sogen. Resonatoren, bedienten, fanden sie, daß die ermittelten Wellenlängen sehr wesentlich
von den Dimensionen der Resonatoren abhängen, indem jeder andre Resonator auch eine andre Schwingung anzeigt.
Sie schlossen daraus, daß das im primären Leiter erregte System elektrischer
Schwingungen alle möglichen Wellenlängen zwischen
bestimmten Grenzen
[* 18] enthalte, von welchen jeder Resonator diejenige Schwingung gleichsam aussucht und nachweist, deren Periode
seiner eignen entspricht. Sie nannten diese Erscheinung multiple Resonanz der elektrischen
Schwingungen.