Titel
Edelsteine
,
[* 2] künstliche
, solche krystallisierte und zu Schmucksteinen verwendbare
Mineralien,
[* 3] die durch die Hilfsmittel
des Chemikers erzeugt sind. Sie besitzen im Gegensatz zu den
Edelsteinimitationen (s. d.) dieselbe
Substanz
wie der entsprechende natürliche
Stein. Die in den Juwelen enthaltenen chem.
Verbindungen sind an und für sich fast wertlos.
Der
Kohlenstoff im Diamant
[* 4] ist identisch mit jenem, den man im Graphit benutzt oder in der
Steinkohle verbrennt. Im
Rubin und
Saphir findet sich dieselbe
Thonerde, die den Hauptbestandteil der
Töpferwaren, Ziegel ausmacht und deren
Verbreitung eine so große ist,
daß nahe ein Sechstel der ^[] gesamten festen
Erdrinde aus ihr besteht.
Nie verleiht die
Substanz
den Juwelen ihren Wert: nur ihre Molekulargruppierung, ihr Vorkommen in
Krystallen giebt der
Substanz jene Eigenschaften, die
man von Schmucksteinen verlangt.
Die künstliche
Erzeugung von Edelsteine
, ist daher möglich, wenn es gelingt, die
Substanz des gewünschten Juwels
absolut rein darzustellen und in diesem Zustande das Festwerden derselben in
Krystallen zu veranlassen.
Ohne große Schwierigkeit
kann man beliebige Mengen der in den Schmucksteinen enthaltenen Elemente durch bekannte chem.
Vorgänge aus andern wertlosen
Mineralien gewinnen. Man erhält aber durch die üblichen Prozesse diese
Substanzen meist nur als derbe, gestaltlose, amorphe
Massen, nicht in
Krystallen, die zu Schmucksteinen verschleifbar wären.
Krystallbildung ist selten und nur unter gewissen
Bedingungen möglich. Nur
Gase,
[* 5] Flüssigkeiten oder geschmolzene
Massen können
beim Erstarren gesetzmäßige Formen annehmen.
Je langsamer das Erkalten der Flüssigkeiten oder das Abscheiden der gelösten Stoffe erfolgt, desto reiner und größer sind die Krystalle. Die Schönheit und Größe der Schmucksteine ist nur eine Folge der unbeschränkten Zeit, die der Natur für das Werden und Entstehen der Mineralien zu Gebote steht. Aber gerade die Langsamkeit der natürlichen Bildungsprozesse macht diese unverwendbar, wenn Substanzen künstlich erzeugt werden sollen. Es müssen schnell und kräftig wirkende Reaktionen angewendet werden, die das angestrebte Resultat in möglichst kurzer Zeit liefern.
Eine Anleitung hierzu giebt die synthetische Mineralogie. Ihrem Ziele nach ist diese Wissenschaft verwandt der synthetischen
organischen
Chemie. Namentlich franz. Chemiker haben seit vier Dezennien die
Mineralsynthese gefördert, und ihre Methoden zur Erzeugung der künstlichen
Edelsteine
, sind bereits so vervollkommnet,
daß es nur des Zusammentreffens von
Kapital und Unternehmungslust bedarf, um in der That die Versuche der Gelehrten fabrikmäßig
auszubeuten.
Dann wird die Frage gestellt werden: welche
Steine sind echt? Die Wissenschaft wird in den seltensten
Fällen an dem bereits geschliffenen Juwel zu erkennen vermögen,
ob der
Stein in den Schichten der Erde oder im Laboratorium
[* 6] entstanden ist. Da die künstlichen
Steine dieselbe
Substanz, Härte, Doppelbrechung
[* 7] u. s. w. wie die entsprechenden natürlichen
Mineralien besitzen, wird das Wort «echt» für sich allein nicht mehr
genügen, wenn auch das ursprüngliche Vorkommen des Schmucksteins in der Erde angedeutet werden soll;
man wird das Wort: «natürlich» hinzusetzen müssen.
Die Schmucksteine lassen sich nach ihren chem. Eigenschaften in vier Gruppen sondern:
1) die Sauerstoffverbindungen der leichten Metalle Aluminium, Magnesium, Beryllium: Korund [* 8] (Rubin und Saphir), Spinell [* 9] und Chrysoberyll;
2) die
Verbindungen des Siliciums mit erstern, d. h. die Kalk-,
Magnesia-,
Eisen-, Thonerdesilikate; es
sind dies meist Schmucksteine niedern Ranges, mit Ausnahme des
Smaragds, dessen künstliche
Darstellung neuerdings Hautefeuille
vortrefflich gelang;
3) Wasser enthaltende Substanzen, z. B. Türkis, Opal;
4) reiner Kohlenstoff: Diamant. Das Hauptinteresse aller Forscher ist der ersten und vierten Gruppe zugewendet, da ein glückliches Resultat in diesen Fällen nicht bloß theoretische Wichtigkeit, sondern auch technische Bedeutung und Wert hat. Die ¶
mehr
Schmucksteine der zweiten Gruppe wurden von Daubrée und Ebelmen durch das Schmelzen ihrer Bestandteile erzeugt. Doch die
entstandenen Produkte sind nur mikroskopisch klein und für den Handel mit diesen ohnehin billigen Steinen von keiner Bedeutung.
Die Darstellung der zur Gruppe 3 gehörigen Steine Türkis und Opal hat keine besondern Schwierigkeiten,
da hier die Krystallisation wegfällt. Diamant, wenn auch bisher nur in sehr kleinen und meist schwarzen Krystallen, erhielt
Moissan aus mit Kohlenstoff gesättigtem flüssigen Eisen
[* 11] oder Silber, wenn diese Metalle beim Erstarren einem sehr hohen Druck
ausgesetzt wurden. Näheres über die künstlichen
Darstellungsmethoden s. Diamant, Korund, Spinell, Türkis, Opal. -
Vgl. Fuchs, [* 12] Die künstlich dargestellten Mineralien (Haarlem [* 13] 1872);
Fouqué und Michel Lévy, Synthèse des minéraux et des roches (Par. 1882);
Bourgeois, Reproduction artificielle des minéraux (in der «Encyclopédie chimique», II, 1er appendice, ebd. 1884).