Dortmund
[* 1] (lat. Tremonia, altfranz. Tremoigne), Stadt (Stadtkreis), im preuß. Regierungsbezirk Arnsberg, [* 3] an der Emscher, liegt in der unter dem Namen Hellweg bekannten fruchtbaren Ebene zwischen der Lippe [* 4] und dem Haarstrang und ist ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt der Köln-Mindener, der Bergisch-Märkischen, der Rheinischen, der Westfälischen Staatsbahn und der Dortmund-Gronau-Enscheder Bahn. Die frühern Festungswerke sind seit 1863 in Anlagen verwandelt und jetzt mit einem Kriegerdenkmal geschmückt.
Unter den ältern Gebäuden zeichnen sich aus: die Reinoldikirche mit restaurierten Glasgemälden im gotischen Chor, die Marienkirche (Schiff [* 5] aus dem 11. Jahrh.), die Petrikirche mit merkwürdigem Altar [* 6] und die Dominikaner- oder Johanniskirche mit schönem Kreuzgang im ehemaligen Kloster (jetzt katholisches Schulgebäude). Das alte Rathaus aus der Übergangszeit vom romanischen zum gotischen Stil ist behufs eines Neubaues zum Abbruch bestimmt. Beachtenswerte neuere Gebäude sind: die kathol. Liebfrauenkirche, das Oberbergamt, das städtische Krankenhaus, [* 7] das Gymnasium, das Landgerichtsgebäude, der Vieh- und Schlachthof.
Die Stadt, welche 1846 erst 8732 Einw. besaß, zählte 1880: 66,544 und 1884: 75,500 Einw. (42,500 Evangelische, 31,200 Katholiken, 1000 Juden, 800 Altkatholiken). Sie verdankt ihren Aufschwung ihrer Lage inmitten des westfälischen Kohlenbeckens; die im Stadtbezirk belegenen Steinkohlenzechen Friedrich Wilhelm, Vereinigte Westfalia und Tremonia förderten 1883: 518,884 Ton. Darauf gestützt, entwickelte sich eine großartige Eisenindustrie, vertreten durch Hochöfen, Eisen- und Stahlwerke, Maschinenfabriken.
Das größte Werk dieser Art ist die Union, Aktiengesellschaft für Bergbau [* 8] und Eisen- und Stahlindustrie, welche 1883 mit 7227 Arbeitern 1,116,822 T. im Wert von 36,2 Mill. Mk. produzierte. Der Wert der Produktion von sechs andern Anstalten bewegt sich zwischen 900,000 und 2 Mill. Mk. Spezialitäten sind Fabriken für Bergwerksbedarf, Drahtseilerei, Werkzeugmaschinen, feuerfeste Schränke, Nähmaschinen. [* 9] Die Zinkhütte der Stollberger Aktiengesellschaft verarbeitet hier die Erze aus Ramsbeck.
Der tiefe Lehmboden hat bedeutende Ziegeleien mit Ringofenbetrieb hervorgerufen und der
Getreide- und
Holzhandel große
Dampf-Mahl- und Holzschneidemühlen. Die 30
Brauereien, welche 1884
ca. 480,000
hl
Bier im Wert von 8,640,000
Mk. produzierten, arbeiten stark für das
Ausland. Seit 1872 besitzt Dortmund
auch eins der großartigsten
Wasserwerke in
Deutschland,
[* 10] welches das
Wasser aus dem Ruhrthal bei
Schwerte zuführt, hat Gasleitung und
Kanalisation sowie
Straßenbahnen
mit
Pferde- und Dampfbetrieb. An Unterrichtsanstalten hat Dortmund
ein
Gymnasium, ein
Realgymnasium, eine städtische
Gewerbeschule
und besitzt eine reiche historische Sammlung.
Von
Vereinen bestehen: ein
Landwirtschaftlicher Kreisverein, ein Gartenbauverein für
Westfalen,
[* 11] ein
Musikverein, ein
Historischer
Verein für Dortmund
und die
Grafschaft
Mark, ein
Verein der technischen Grubenbeamten. Dortmund
ist Sitz des westfälischen
Oberbergamtes, der
Eich- und
Fabrikinspektion für
Westfalen, eines
Hauptsteueramtes, eines Eisenbahnbetriebsamtes, ferner eines
Landgerichts (für die acht
Amtsgerichte
zu D.,
Hamm,
[* 12]
Hörde,
[* 13]
Kamen,
Kastrop,
Soest,
[* 14]
Unna
[* 15] und
Werl), einer Reichsbankhauptstelle (1884
Gesamtumsatz 782 Mill. Mk.), des Dortmunder
Bankvereins und einer
Handelskammer für Stadt und
Kreis.
[* 16]
Der
Magistrat besteht aus 12, die Stadtverordnetenversammlung aus 42 Mitgliedern. Von
Zeitungen erscheinen hier außer der
»Rheinisch-Westfälischen
Zeitung« noch drei Lokalblätter. Als ein Denkmal der Vergangenheit zeigt man auf dem
Bahnhof der
Bergisch-Märkischen
Eisenbahn in der
Nähe des Stationsgebäudes eine uralte, morsche
Linde und vor derselben einen
Tisch und
eine
Bank von
Stein. Auf dem
Tisch ist der
Reichsadler ausgehauen. An dieser
Stelle sollen weiland die
Femgerichte,
für welche Dortmund
ein Oberstuhl war, gehalten worden sein, und König
Friedrich
Wilhelm IV. befahl deshalb, bei dem
Eisenbahnbau
[* 17] die
Stelle zu schonen. Der sogen.
Freigraf, der hier noch bis 1802 seine
Gerichtsbarkeit handhabte, war
ein städtischer
Beamter. Von den frühern
Klöstern und
Konventen sind das Jungfrauenstift zum Kohlgarten und ein Teil der
»Klausen«, die in
Armenhäuser verwandelt sind, übriggeblieben.
Geschichte. an dessen
Stelle schon im 8. Jahrh. eine Ansiedelung (Trutmund) bestand, führt seinen Ursprung
auf
Heinrich I. zurück, der hier eine
Pfalz besaß. Die Ottonen hielten hier häufig
Hof
[* 18] und hatten hier
eine
Münzstätte. Eine
Reihe von Dortmunder
Münzen
[* 19] aus jener Zeit befindet sich seit 1873 im
Berliner
[* 20]
Museum, eine andre (zu
Dobra bei
Plock gefunden) im
Besitz der kaiserlichen
Archäologischen
Kommission zu
Petersburg.
[* 21] Diese weisen als ältesten
Namen
der Stadt Therotmanni nach, der dann die verschiedenartigsten
Formen angenommen hat: Theromanni, Trutmanni,
Dorpmunde etc.
Kaiser
Heinrich II. hielt in Dortmund
1005 eine
Kirchenversammlung und 1016 einen
Reichstag.
Zwischen 1253 und 1258 wurde das Dortmunder
Recht zuerst aufgezeichnet, aber
erst ein
Jahrhundert später erwarb die Stadt die
Hälfte der
Gerichtsbarkeit und besaß fortan in
Gemeinschaft mit dem
Grafen den dortigen
Freistuhl: Die
Dortmunder
Kaufleute wurden zollfrei im ganzen
Reich, wodurch sich die Stadt zum
Rang einer freien Reichsstadt erhob. Zur
Blüte
[* 22] aber gelangte sie vornehmlich durch ihren
Beitritt zur
Hansa. Besonders wichtig wurde Dortmund
durch seine hervorragende
Teilnahme
an der
Ausbildung des altsächsischen Städterechts, indem das
Soester und Dortmunder
Stadtrecht von den
deutschen
Kolonisten in die Ordensländer, unter anderm bis
Dorpat,
[* 23] verpflanzt wurde.
Die Verpfändung der Stadt durch König
Wilhelm an das Erzstift
Köln
[* 24] (1248) und durch
Albrecht I. an den
Grafen von der
Mark
(1301) gab im 14. Jahrh.
Anlaß zu heftigen
Fehden zwischen den Pfandinhabern, in denen die Stadt nur mit
Mühe ihre Reichsfreiheit behauptete. Um 1400 erreichten die
Zünfte durch einen
Aufstand das Zugeständnis der Vertretung
im
Rate. Die Stadt wurde 1504 mit der
Grafschaft, deren
Inhaber bisher auf der dortigen
Burg gewohnt hatte, von
Maximilian I.
belehnt und erlangte dadurch die Herrschaft über ein Landgebiet von über 80 qkm (1½ QM.)
mit 13 Dörfern. Man hat ihre damalige
Bevölkerung,
[* 25] sehr übertreibend, auf 50,000 angegeben, während sie früher schwerlich
deren mehr als 18,000 gehabt hat. Sie verfiel im Dreißigjährigen
Krieg und fing erst nach dem Siebenjährigen
Krieg wieder
an, sich zu erholen. Durch den Reichsdeputationshauptschluß kam Dortmund
mit
Fulda
[* 26] und
Höxter 1803 an
Nassau-Oranien; 1808 wurde
es mit dem Großherzogtum
Berg vereinigt und 1815 mit
[* 1]
^[Abb.:
Wappen
[* 27] von Dortmund.]
¶
mehr
Preußen.
[* 29] Das Wappen bildet der einköpfige schwarze Reichsadler im silbernen Feld, über dem Wappenschild liegt eine Mauerkrone.
Die alten Stadtfahnen sind gelb und blau. Nach Dortmund
ist der Dortmunder
Rezeß benannt, der hier zwischen dem Kurfürsten
Johann Siegmund von Brandenburg
[* 30] und dem Pfalzgrafen Philipp Ludwig von Neuburg
[* 31] in Beziehung auf den jülich-kleveschen
Erbfolgestreit geschlossen wurde, und dem zufolge beide Teile bis zur völligen Ausgleichung dieses Streits das streitige
Land gemeinschaftlich verwalten ließen.
Vgl. Fahne, Die Grafschaft und freie Reichsstadt Dortmund
(Köln 1854-59, 4 Bde.);
Thiersch, Geschichte der Freireichsstadt Dortmund (Dortm. 1854, Bd. 1);
Becker, Das Dortmunder Wandschneiderbuch (das. 1871);
»Beiträge zur Geschichte Dortmunds« (das. 1875-1878, 3 Bde.);
Röse, Dortmunder Chroniken (das. 1880);
»Dortmunder Urkundenbuch« (hrsg. von Rübel, das. 1881);
Frensdorff, Dortmunder Statuten und Urteile (Halle [* 32] 1882).