Titel
Domäne
(mittellat.
Domanium, v. lat.
Dominium,
»Eigentum, Herrschaftsrecht, Herrengut«, Domanialgut,
Kammergut), im engern
Sinne nur das fürstliche
Kammer- und Krongut, die sogen. Staatsdomänen.
Die Entstehung derselben ist meist verwischt;
sie ragt vielfach noch in
Zeiten zurück, in denen staats- und privatwirtschaftliche Auffassungen praktisch miteinander vollständig
verquickt waren.
Schon im alten fränkischen
Reich ist von königlichen Kammergütern (terrae dominicae, villae regiae, curtes
fisci regii) und vom
Camerarius als dem obersten, zur
Verwaltung der königlichen Einkünfte bestellten
Palastbeamten die
Rede.
Karl d. Gr. vermehrte das überkommene
Kammergut durch
Einziehung von
Gütern in eroberten
Provinzen sowie durch Aufhebung der
erblichen
Gewalt der
Herzöge. Durch die
Absonderung
Deutschlands
[* 2] vom fränkischen
Reich machte sich auch eine
Teilung des
Kammerguts,
daher auch eine genaue Feststellung des Reichsguts nötig. Das Reichsgut aber verminderte sich unter den Wahlkaisern durch
Veräußerungen, Verpfändungen, Verschenkungen und gewaltsame Anmaßungen mit der Zeit derart, daß das
Deutsche Reich
[* 3] bei
seiner
Auflösung gar keine Domänen
mehr besaß. Dagegen hatten sich schon frühzeitig Landesdomänen mit der sich mehr entwickelnden
Landeshoheit der
Reichsfürsten gebildet. Die erste Grundlage für die Entstehung der
Landeshoheit war allerdings der eigne
große Grundbesitz der fürstlichen
Geschlechter; die
Vermehrung dieses Familienguts aber geschah teils durch die Reichsgüter,
welche mit den
Reichsämtern verbunden waren und so mit den erblich werdenden
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Ämtern auch in das allodiale oder Lehnseigentum der Fürsten übergingen, teils aber auch durch kaiserliche Verleihungen oder wohl auch durch Okkupation von Reichsgütern und Besitzungen minder mächtiger geistlicher Korporationen (Säkularisationen) oder weltlicher Herren, Vermächtnisse, Schenkungen, Erwerb durch Heirat, Kauf, Tausch, Krieg, Einziehung verwirkter Güter, Anbauung öder Plätze etc. Schon der Reichsabschied von 1512 gebraucht für diese Fürstengüter den Ausdruck Kammergut und zwar wie einen bekannten technisch-publizistischen Begriff.
Erst im 18. Jahrh. wird Bona domanalia, Domanien, Domänen
der herrschende Ausdruck für fürstliches Kammergut. In der ältesten
Zeit hatte dasselbe mehr den Charakter eines Privatguts, über welches der Fürst nach Belieben verfügte.
Doch wurde schon frühzeitig die Befugnis der einseitigen Entäußerung bestritten, das Kammergut durch Hausgesetze und Verträge
mit den Landständen für unveräußerlich erklärt, und es bildete sich das Grundgesetz aus, daß der Ertrag derselben nicht
allein zum Unterhalt des Hofs, sondern auch für allgemeine Staatszwecke verwandt werde.
Auch mehrere Reichsgesetze, so die Reichsabschiede zu Nürnberg [* 5] von 1543 und 1557, legen den Reichsständen die Pflicht auf, aus ihren eignen Kammergütern zu den Reichslasten verhältnismäßig beizusteuern. Aber eben aus diesem publizistischen Nebencharakter des Kammerguts folgte auch die Verpflichtung des Landes, subsidiär, d. h. soweit die Erträge des Kammerguts nach Abzug der Hofhaltungskosten nicht hinreichten, zur Bestreitung der Reichslasten, der Landesverwaltungskosten und zur Tilgung der im öffentlichen Interesse gemachten Kammerschulden beizutragen. In Verbindung hiermit stand das Interesse der Landstände an der Erhaltung des Kammerguts und das Bestreben, willkürliche Veräußerungen desselben vertragsmäßig auszuschließen. Die Verwaltung der fürstlichen Kammergüter stand in den meisten Ländern unter einer besondern Behörde, der fürstlichen Rent- oder Hofkammer, welche zwar ein landesherrliches Kollegium war, jedoch aus dem eben angedeuteten Grund sich der Kontrolle der Landstände nicht ganz entziehen konnte.
Das heutige Recht der Kammergüter ist in den einzelnen Ländern sehr verschieden. Die Frage, ob dieselben Staatsgut oder Privateigentum des Landesherrn (Familieneigentum) seien, war nach Auflösung des Deutschen Reichs Gegenstand zahlreicher staatsrechtlicher Erörterungen geworden und hat die verschiedenste Beantwortung erfahren. Viele Schriftsteller, wie Klüber, v. Aretin, Schmelzer, Posse, erklären die Kammergüter für Staatsgut in dem Sinn eines der moralischen Person des Staats zustehenden Eigentums.
Andre Publizisten dagegen, wie Pütter, Zachariä, Leist, Häberlin, Maurenbrecher, Dahlmann, Zöpfl, sind im
Hinblick auf den Ursprung der Domänen
der Ansicht, daß das Eigentum an denselben dem Landesherrn (der landesherrlichen Familie)
und nicht dem Land zustehe. Diese Frage läßt sich natürlich nicht auf dem Weg der Rechtsphilosophie allgemein gültig lösen,
sondern nur für jedes einzelne Land mit Berücksichtigung seiner gesamten staatsrechtlichen Entwickelung.
Wenn auch nach der Rheinbundsakte (Art. 27) den mediatisierten Fürsten ihre Domänen
zum Eigentum überlassen worden sind,
so haben doch die Domänen
der jetzigen größern Staaten viel zu sehr einen öffentlich-rechtlichen Charakter gewonnen, sind
auch viel zu wenig auf rein private Erwerbstitel zurückzuführen, als daß die praktische Politik einer
Familie, die ihre Landeshoheit
verlieren sollte, die Domänen
zu Privateigentum vollständig überlassen könnte.
In der That sind denn auch bei der Einverleibung Hannovers, Kurhessens, Nassaus etc. in Preußen
[* 6] 1866 die Domänen
mit den preußischen
Staatsgütern vereinigt worden. Insbesondere sind zu unterscheiden:
1) Die Schatullgüter, deren Erwerbstitel ein privatrechtlicher ist, und die im allgemeinen den Bestimmungen des Privatrechts unterliegen, mit den Ausnahmen, daß sie unter anderm meist jura fisci genießen, daß sie, wie z. B. in Preußen, Bayern, [* 7] Sachsen, [* 8] dem Staatseigentum einverleibt werden, wenn der Landesherr, welcher sie erwarb, nicht unter Lebenden oder von Todes wegen über sie verfügt hat etc.; dieselben sind als Privateigentum der fürstlichen Familie zu betrachten.
2) Die Güter des fürstlichen Hauses (fürstliche Fideikommißgüter [Krongut]), deren Ertrag das selbständige, vom übrigen Staatshaushalt unabhängige Einkommen des fürstlichen Hauses bildet, während ihre Substanz der Verfügung des letztern entzogen ist. Die Verwaltung steht meist unter eignen Angestellten, Beamten und Dienern des fürstlichen Hauses. Über den Ertrag hat der Landesherr freies Dispositionsrecht.
3) Die eigentlichen Staatsgüter, welche wirkliches Staatseigentum sind, und deren Ertrag und Verwaltung dem Staat, nicht der fürstlichen Familie zusteht. Sie sind der Kontrolle der Landstände unterstellt, deren Zustimmung zu allen Veräußerungen, Verpfändungen und neuen Belastungen nötig ist. Sie gehen auf jeden Staatssuccessor über.
Neuere Gesetze haben teils das ganze Domäne
nvermögen für Staatsgut erklärt, teils der landesherrlichen Familie wenigstens
ein beschränktes Verwaltungsrecht vorbehalten, teils aber auch eine Teilung der Substanz nach vorgenommen. Wo die Domänen
für Staatsgut erklärt oder doch demselben der Verwaltung nach inkorporiert sind, ist dem Landesherrn eine
Zivilliste (s. d.) festgesetzt worden, welche entweder in einer Geldsumme
aus den gesamten Staatseinkünften oder durch Ausscheidung eines Teils des Domaniums geleistet wird. In Preußen sind durch
das allgemeine Landrecht, Teil II,
Tit. 14, §. 117, die Domänen
ausdrücklich für Staatseigentum erklärt.
Doch werden nach dem Gesetz vom und nach Art. 59 der Verfassungsurkunde 2½ Mill. Thlr.,
die im Voranschlag der Staatsausgaben nicht aufgeführt sind, als Rente des »Kronfideikommißfonds« von dem Ertrag der Domänen
und Forsten für den Hof
[* 9] ausgeschieden. Ebenso ist in Bayern und Sachsen das Kammergut für Staatseigentum erklärt worden, während
die württembergische Verfassungsurkunde zwischen dem königlichen Kammergut, als einem von dem Königreich
unzertrennlichen Staatsgut, und dem Hofdomäne
nkammergut, als dem Privateigentum der königlichen Familie, unterscheidet.
Die badische Verfassung dagegen hält daran fest, daß die Domänen
unbestreitbares Patrimonialeigentum des Regenten und seiner
Familie seien, läßt aber den Ertrag nach Abzug der Zivilliste für Staatszwecke verwendet werden. Die
großherzoglich hessische Verfassungsurkunde vom gibt ⅓ der sämtlichen Domänen
an den Staat, die übrigen ⅔
aber als Familieneigentum an das großherzogliche Haus. In Weimar
[* 10] sind die Domänen
für Eigentum des Landesherrn erklärt und
bilden eine untrennbare Pertinenz der Landeshoheit. In Sachsen-Altenburg sind die Domänen
durch Vertrag
vom vom Herzog an den Staat abgetreten, dagegen 1854 wieder als Eigentum des herzoglichen Hauses anerkannt worden.
In Sachsen-
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Koburg [* 12] ist durch neuere Übereinkunft zwischen Regierung und Ständen der Ertrag (nicht das Eigentum, welches dem herzoglichen Haus zusteht) der Kammergüter zwischen dem Herzog und dem Land geteilt worden. In Sachsen-Meiningen ist nach langem Streit durch Gesetz vom das Domänenvermögen dazu bestimmt worden, den herzoglichen Hof- und Haushalt zu erhalten und teilweise zur Deckung der Staatsbedürfnisse verwendet zu werden. Dabei sind einzelne Domänengüter bereits als Eigentum des Staats, resp. des herzoglichen Hauses anerkannt, und für den Fall, daß die regierende Familie aufhören sollte, die Regierung des Herzogtums fortzuführen, ist festgesetzt worden, daß 3/5 des Domänenvermögens dem herzoglichen Haus als fideikommissarisches Privateigentum und 2/5 dem Staat als Landeseigentum zufallen sollen. In England, Dänemark, [* 13] Schweden [* 14] wurden die Domänen schon frühzeitig als Staatsgut anerkannt, ebenso in Frankreich, in den Niederlanden etc.
Die Frage der Zweckmäßigkeit des Domanialbesitzes ist durchaus relativer Natur, da sie je nach der Art der Domänen, den Bedürfnissen und Anforderungen der jeweiligen Kulturstufen und der Organisation und Verfassung des Staats verschieden zu beantworten ist. Darum haben auch alle Gründe, die man für und gegen Beibehaltung der Domänen vorgebracht hat, nur eine relative Gültigkeit. Als Vorteile der letztern hat man im wesentlichen angeführt, sie gewährten Schutz gegen Steuerüberbürdung und Steuerprägravation; das aus ihnen zu ziehende Einkommen sei sicher und bestimmt und steige mit weiterer Kulturentwickelung.
Darum sei auch der Domanialbesitz als solide Grundlage des Staatsreichtums ein wichtiges Mittel für Aufrechthaltung und Erhöhung des Staatskredits. In Notlagen sei er ein sicheres Unterpfand für unvermeidliche Anlehen und dabei kein toter, sondern ein stets fruchtbringender Schatz. Dem gegenüber hat man eingewandt, durch die schwerfällige Staatsbeamtenwirtschaft könnten die Domänen nicht so vorteilhaft ausgebeutet werden wie durch die vom Selbstinteresse getragene bewegliche und darum den jeweiligen Konjunkturen anschmiegbare Privatwirtschaft.
Durch den Verkauf werde darum die Gesamtheit wie auch die Staatskasse gewinnen. Dazu kämen politische Gefahren: die Regierung könne, auf die aus den Domänen erzielten Einnahmen gestützt, das Steuerbewilligungsrecht illusorisch machen;
bei dem Domänenbesitz seien Kollisionen der Pflichten, welche der Staat zu erfüllen habe, unvermeidlich u. dgl. Jedenfalls ist überall da, wo Beweglichkeit in der Technik und im merkantilen Vertrieb unbedingt erforderlich ist, der Private der Beamtenwirtschaft überlegen und hier auch die Veräußerung von Domänen rätlich.
Dies gilt jedoch nicht für einfachere Formen der Wirtschaft, welche bei gleichförmigem Gang [* 15] wenig Anforderungen an die Arbeit stellen, ferner nicht für solche Gebiete, in denen der Großbetrieb mit Beamtenleitung an und für sich schon am Platz ist. Außerdem würde die Beibehaltung nötig sein, wenn die Domänen dazu dienen, allgemeine Staatszwecke, insbesondere aber solche zu erfüllen, welchen der Private aus Mangel an Interesse oder ökonomischer Kraft [* 16] nicht zu genügen vermag.
Darum waren auch in Zeiten der Naturalwirtschaft und der einfachen Dreifelderwirtschaft landwirtschaftliche Gelände keine unpassende Quelle [* 17] des Staatseinkommens. Ihre Veräußerung wird jedoch zulässig oder vorteilhaft, sobald die Landwirtschaft genötigt ist, sich mehr den Bewegungen des Handels anzuschmiegen, oder auch, wenn durch dieselbe mit nachhaltigem Erfolg eine seßhafte Klasse von kleinen Grundbesitzern geschaffen werden kann. Aus den erwähnten Gründen würden Waldungen, Bergwerke etc. im großen Ganzen von der Veräußerung auszuschließen sein.
Von Wichtigkeit ist die Art der Verwaltung der Domänen. Bei solchen Gütern, wie bei vielen Feldgütern, welche größere Fürsorge und möglichst wenig beschränkte Dispositionsbefugnis eines selbstinteressierten Betriebsleiters erheischen, ist die Verpachtung der Selbstverwaltung vorzuziehen. Dagegen ist die eigne Administration am Platz, wenn dem Pachter kein genügender Spielraum zum Gewinn geboten ist, wenn der Pachter keiner zureichenden Kontrolle unterstellt werden kann und sein Interesse mit dem des Eigentümers in unauflöslicher Kollision sich befindet, sowie endlich, wenn allgemeinen Staatszwecken zu genügen ist, deren Erfüllung von dem Pachter, selbst bei weit gehender Kontrolle, nicht zu erwarten ist. Darum dürften z. B. Waldungen, Bergwerke etc. nicht verpachtet werden.
Die Veräußerung der Domänen ist meist an die Genehmigung der Landesvertretung geknüpft; selbst in den Staaten, wo die Domänen als Familienfideikommiß behandelt werden, haben die Stände das Recht, Veräußerungen oder Verpfändungen derselben entgegenzutreten. Im allgemeinen werden sie in den Verfassungen als unveräußerlich charakterisiert; doch sind zum Zweck der Entlastung von Schulden, zur Schaffung neuer Steuerkräfte oder zur Hebung [* 18] der Industrie und bessern Bewirtschaftung des Grund und Bodens bereits viele Domänen, in Österreich [* 19] auch selbst Staatswaldungen in Privateigentum verwandelt worden. In Deutschland [* 20] ist man der Erhaltung augenblicklich schon mit Rücksicht auf die eigentümliche Gestaltung der Finanzen von Reich und Gliederstaaten günstiger gestimmt. Man schätzt die Domänen als Mittel, um einen erheblichen Teil des Staatsbedarfs zu decken, der ohne sie auf dem Weg der direkten Besteuerung aufgebracht werden müßte.
Eine vollständige Litteratur über diesen Gegenstand gibt Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht, Bd. 2, S. 410 ff. (3. Aufl., Götting. 1867).
Vgl. auch Zöpfl, Grundsätze des gemeinen deutschen Staatsrechts, Bd. 2, S. 680 ff. (5. Aufl., Leipz. 1863);
v. Rönne, Staatsrecht der preußischen Monarchie, Bd. 2, Abt. 2, S. 587 ff. (4. Aufl., das. 1881);
die Lehrbücher der Finanzwissenschaft von L. v. Stein (5. Aufl., das. 1884), A. Wagner (das. 1877);
Ölrichs, Die Domänenverwaltung des preußischen Staats (Berl. 1883).