Stadt im preuß. Regierungsbezirk Minden, Kreis Paderborn, am Haustenbach, 16 km vom Bahnhof Paderborn, hat
ein Amtsgericht, eine Kirche (früher besuchter Wallfahrtsort) und (1880) 1284 kath.
Einwohner.
Hier erlitten Erzbischof Friedrich von Köln und Graf Adolf von Kleve durch Bischof Wilhelm von Paderborn und
die Bewohner von Delbrück eine Niederlage.
1) Martin Friedrich Rudolf, preuß. Staatsmann, geb. zu Berlin, Sohn des 1830 als Superintendent
in Zeitz verstorbenen Geheimrats Joh. Friedr. Gottl. Delbrück, welcher 1800-1809 die
Erziehung der beiden ältern Söhne Friedrich Wilhelms III. (des nachmaligen Königs Friedrich Wilhelm IV. und des Kaisers Wilhelm)
leitete. Delbrück studierte in Bonn, Göttingen und Berlin die Rechte und trat 1837 in den preußischen Staatsdienst. Er arbeitete an den
Gerichten in Halle und Merseburg als Auskultator und Referendar und ward bereits 1842 nach Ablegung der großen
juristischen Staatsprüfung als Hilfsarbeiter in das Finanzministerium berufen.
Hier machte er sich besonders bei der Generalverwaltung der Steuern, bei welcher er speziell beschäftigt war, verdient und
wurde deshalb 1844 in das neugebildete Handelsministerium versetzt, in welchem er 1848 Ministerialdirektor
und Chef der Handelsabteilung wurde. Seine erste bedeutende Leistung war der Sieg Preußens über die Handelspolitik Österreichs 1853. Nachdem
er 1851 Hannover und Oldenburg für den Zollverein gewonnen, gelang es ihm damals, die deutschen Staaten, welche von Österreich
für dessen Aufnahme in den Zollverein schon gewonnen waren, zur Erneuerung des bisherigen Zollvereins auf
zwölf Jahre zu bestimmen.
Österreich mußte sich mit einem Zoll- und Handelsvertrag mit dem Zollverein begnügen. Er schloß darauf noch weitere Handelsverträge
mit Frankreich, Belgien, Italien und andern Staaten, in denen er
die Grundsätze des Freihandels, denen er huldigte, allmählich
zur Geltung brachte. Eine ähnliche Krisis wie 1853 hatte er 1864-65 zu überwinden, als die süddeutschen
Staaten sich weigerten, den französischen Handelsvertrag zu genehmigen. Indes auch diesmal gelang es ihm durch Standhaftigkeit
und Ausdauer, den Zollverein zu erhalten und nach 1866 denselben in unitarischem Sinn umzugestalten.
Bismarck ließ Delbrück in handelspolitischen Dingen völlig freie Hand und schloß sich ganz seinen Ansichten
an. Er räumte ihm einen noch größern Wirkungskreis an seiner Seite ein, indem er im August 1867 seine Ernennung zum Präsidenten
des Bundeskanzleramts und 1868 zum preußischen Staatsminister ohne Portefeuille veranlaßte. Delbrück vertrat fortan den Kanzler
sowohl im Bundesrat als im Reichstag und zeigte bei den Verhandlungen des letztern eine ungewöhnliche Sachkenntnis,
Sicherheit und Schlagfertigkeit in der Verteidigung der Regierungsvorlagen, während er gleichzeitig durch konstitutionelle
Haltung und Mäßigung sich das Vertrauen der Majorität erwarb. Er war Bismarcks »rechte Hand«.
Hervorragend war seine Thätigkeit bei den Unterhandlungen mit den süddeutschen Staaten im Herbst 1870,
zuerst in München, dann in Versailles, und seine Verteidigung der Versailler Verträge im norddeutschen Reichstag im Dezember.
In dankbarer Erinnerung an die großen Verdienste Delbrücks um die Gründung des Deutschen Reichs erhielt Delbrück 1871 einen Anteil
an der Dotation (200,000 Thlr.). Auch im neuen Reich behielt er das Präsidium des Reichskanzleramts und
beherrschte den immer gewaltiger anwachsenden Geschäftsbereich desselben vollständig.
Inzwischen aber hatten sich die volkswirtschaftlichen Ansichten des Reichskanzlers von denen Delbrücks geschieden. Während
letzterer die Staatsgewalt auf die Erhaltung der Rechtssicherheit für alle geschäftlichen Unternehmungen beschränkt wissen
wollte, faßte Bismarck den großen Plan seiner sozialpolitischen Reformen und beschloß zunächst, die
Eisenbahnen Deutschlands an das Reich zu bringen. Er teilte davon Delbrück nichts mit, und dieser erkannte daraus, daß eine Gemeinschaft des
Handelns zwischen Bismarck und ihm nicht mehr möglich sei. Er bat daher um seine Entlassung, die er auch erhielt. 1878 in
den Reichstag gewählt, widersetzte er sich in der Reichstagssession 1879, freilich vergeblich, mit Aufbietung
aller seiner Sachkenntnis und Erfahrung der Annahme des neuen Zolltarifs, namentlich der Getreide- und der Industrieschutzzölle.
Delbrück schrieb: »Der Artikel 40 der Reichsverfassung« (Berl. 1882).
2) Berthold, Sprachforscher, geb. Neffe des vorigen, studierte Philologie auf der Universität
zu Halle, insbesondere vergleichende Grammatik unter Pott, später in Berlin unter A. Weber Sanskrit, ließ sich in der Folge in
Halle als Privatdozent nieder und bekleidet seit 1869 die Professur der vergleichenden Sprachwissenschaft und des Sanskrits
an der Universität zu Jena. Von seinen Schriften sind zu erwähnen: »Syntaktische Forschungen« (Halle 1871-79, 4 Bde.);
»Das altindische Verbum aus den Hymnen des Rigweda seinem Bau nach dargestellt« (das. 1874);
»Einleitung in das Sprachstudium«
(2. Aufl., Leipz. 1884; engl., das.
1882),
worin die Probleme der jetzigen Linguistik erörtert werden, u. a. Auch gab er »Wedische
Chrestomathie mit Anmerkungen und Glossen« (Halle 1874) heraus.
3) Hans, Historiker, geb. zu Bergen (Insel Rügen), studierte Geschichte in Heidelberg,
mehr
Greifswald und Bonn und wurde, nachdem er den Feldzug von 1870 mitgemacht hatte, 1874 Erzieher des Prinzen Waldemar von Preußen,
dritten Sohns des Kronprinzen, in welcher Stellung er bis zum Tode des Prinzen verblieb. Hierauf privatisierte er,
bis er sich im Januar 1881 an der Universität in Berlin als Privatdozent habilitierte; 1885 wurde er zum
außerordentlichen Professor ernannt. 1882 ward er in das Abgeordnetenhaus, 1884 in den Reichstag gewählt, wo er sich der
freikonservativen oder Reichspartei anschloß.
Außer der Dissertation über die Glaubwürdigkeit Lamberts von Hersfeld und verschiedenen Studien zur englischen Verfassungsgeschichte
in der Sybelschen »Historischen Zeitschrift« und den »Preußischen Jahrbüchern« schrieb er namentlich:
»Leben des Feldmarschalls Grafen Neithardt von Gneisenau« (Berl. 1880, Bd. 4 u.
5.; als Fortsetzung des von G. J. Pertz ^[richtig: G. H. Pertz] unvollendet hinterlassenen Werkes) und einen Auszug daraus unter
gleichem Titel (das. 1882, 2 Bde.). Seit
März 1882 gab Delbrück gemeinsam mit Gans, Edlem zu Putlitz, die »Politische Wochenschrift« heraus, trat aber 1883 in
die Redaktion der »Preußischen Jahrbücher« ein.
*, 4) Max Emil Julius, Agrikulturchemiker, geb. zu Bergen auf Rügen, studierte 1868-71 Chemie in Berlin,
1871-72 in Greifswald, war 1872-73 Assistent an der Gewerbeakademie in Berlin, 1873-74 Assistent an der Versuchsstation
zu Halle und übernahm 1874 die Gründung und Leitung der Berliner Versuchsstation des Vereins der Spiritusfabrikanten in Deutschland. 1875 habilitierte
sich an der Gewerbeakademie zu Berlin, leitet seit 1876 die Brennereischule des Vereins der Spiritusfabrikanten, wurde 1877 Mitglied
des Patentamts, gründete 1879 die Versuchsbrennerei Bierdorf bei Berlin, ward 1881 Lehrer an der landwirtschaftlichen
Hochschule zu Berlin und erhielt 1882 den Professortitel. 1882 veranstaltete er die Ausstellung für Spiritusindustrie.
Unter Delbrücks Leitung wurden die wichtigsten Gegenstände der modernen Gärungstechnik, wie z. B.
die Wirkung des Hochdrucks auf Stärke und Durchführung dieses Verfahrens für Verarbeitung von Körnerfrüchten,
die Feststellung der Grundsätze zur Reinzüchtung der Hefe bei Bereitung der Kunsthefe, die Feststellung der Grundsätze für
die Leitung des Wachstums und der Gärwirkung der Hefe bei der Herstellung von Spiritus, die Feststellung der Stickstoffassimilation
der Hefe während der Gärung, insbesondere in Bezug auf Preßhefenfabrikation, bearbeitet. Auch gibt er
mit Märcker die »Zeitschrift für Spiritusindustrie« heraus.
Max
Emil Julius, Agrikulturchemiker, Bruder von Hans Delbrück, geb. zu Bergen auf Rügen, studierte in
Berlin und Greifswald Chemie, übernahm 1874 in Berlin die Gründung und Leitung des mit der Landwirtschaftlichen Hochschule
in Beziehung stehenden und zu großer Bedeutung gelangten Instituts für Gärungsgewerbe und wurde 1887 auch Lehrer
an der Landwirtschaftlichen Hochschule. Seit 1877 ist er Mitglied des Patentamtes. Mit Märcker giebt Delbrück die «Zeitschrift
für Spiritusindustrie», mit Hayduck die «Wochenschrift für Brauerei» heraus. D.s wissenschaftliche Arbeiten betreffen vorzugsweise
die Physiologie der Hefe und ihre Anwendung auf die Praxis der Gärungsgewerbe.