Titel
Cuvier
(spr. küwjeh), 1)
Georges,
Baron von, Naturforscher, geb. zu
Mömpelgard, besuchte
seit 1784 die Karlsakademie zu
Stuttgart,
[* 2] ward
Hauslehrer bei dem
Grafen d'Héricy auf Fiquainville in der
Normandie und hielt 1788 vor
den jungen
Ärzten des Militärhospitals zu
Fécamp botanische Vorlesungen. 1795 ward er als
Professor an die Zentralschule
des
Panthéon nach
Paris
[* 3] berufen, fungierte dann als
Gehilfe Mertruds, des
Lehrers der vergleichenden
Anatomie
am
Jardin des Plantes, und begann eine anatomische Sammlung zu gründen, welche in der
Folge die größte
Europas geworden ist.
Im J. 1796 zum Mitglied des neuerrichteten Nationalinstituts ernannt, ward er 1800
Daubentons Nachfolger am
Collège de
France
und 1802 als Generalinspektor des öffentlichen
Unterrichts mit der
Organisation der
Lyceen zu
Bordeaux,
[* 4] Nîmes und
Marseille
[* 5] beauftragt. Im J. 1808 wurde er
Rat der kaiserlichen
Universität, leitete die Einrichtung von
Akademien
in den neuen Gebietsteilen des Kaiserreichs, in
Italien,
[* 6]
Holland und den
Hansestädten, und gründete 1809 die
Fakultät der
Wissenschaften. Im J. 1813 ward er
Requêtenmeister im
Staatsrat und erhielt den Auftrag, die Bewohner des
linken Rheinufers zur
Erhebung gegen die Verbündeten zu veranlassen, welche Sendung jedoch bei dem raschen Vordringen der
letztern mißlang.
1814 ernannte ihn
Napoleon I. zum
Wirklichen
Staatsrat.
Nach der zweiten
Restauration ward Cuvier
Kanzler der
Universität, 1819
Baron und Kabinettsrat, 1822
Großmeister
der protestantisch-theologischen
Fakultät der
Universität. Von
Ludwig
Philipp ward er 1830 in allen seinen Ämtern und
Würden
bestätigt, 1831 zum Pair von
Frankreich ernannt und sollte eben seine
Bestallung als
Minister des Innern erhalten, als er starb.
Die vorzüglichsten seiner zahlreichen
Schriften sind: »Leçons d'anatomie comparée« (Par. 1800-1805, 5 Bde.;
neue Ausg.
, hrsg.
von
Duméril, Laurillard und
Duvernoy, das. 1835-45, 9 Bde.;
deutsch von
Froriep und
Meckel, Leipz. 1808-10, 4 Bde.),
die er in den
»Mémoires sur l'anatomie des mollusques« (Par. 1817) ergänzte (dazu erschien:
»Anatomie comparée, recueil
de planches, dess. par
G. Cuvier
, ou exécutées sous ses yeux par M. Laurillard, publiée par Laurillard
et
Mercier«, das. 1850);
»Recherches sur les ossements fossiles« (das. 1812, 4 Bde.; 4. Aufl.
1835);
»Discours sur les révolutions de la surface du globe et sur les changements qu'elles ont produits dans le règne animal«
(zuerst als
Einleitung zu dem vorgenannten Werk, dann besonders gedruckt, in 8. Aufl. 1840; mit
Noten und
Anhang hrsg.
von
Höfer, 1850; deutsch von
Nöggerath,
Bonn
[* 7] 1830, 2 Bde.; von
Giebel, Leipz. 1851);
»Le
[* 8] règne animal distribué
d'après son organisation« (Par. 1817, 4 Bde.;
neue Aufl., das. 1849, 11 Bde.
mit 1000 Tafeln; deutsch von Schinz, Stuttg.
1818, und von
Voigt, Leipz. 1831-43, 6 Bde.);
»Histoire naturelle des poissons« (fortgesetzt von Valenciennes, Par. 1829-49, 22 Bde.);
»Histoire des sciences naturelles« (hrsg.
von
Saint-Agy, das. 1841-45, 5 Bde.);
»Recueil des éloges historiques lus dans les séances publiques de l'Institut de
France« (das. 1819; 2. Aufl.
1861, 3 Bde.; hrsg.
von
Flourens, 1860);
»Lettres à M. Pfaff sur l'histoire naturelle, la politique et la littérature« (das. 1788-92), aus dem Deutschen (Kiel [* 9] 1845) von Marchant (Par. 1858).
Cuvier
hat sich um die
Naturwissenschaft eminente
Verdienste erworben;
besonders gab er der
Zoologie eine ganz neue
Richtung und erhob die vergleichende
Anatomie zu einer
Wissenschaft.
Durch seine geognostischen Untersuchungen des
Pariser
Beckens kam er zuerst auf den
Gedanken, daß abwechselnd
Fluten vom
Süßwasser
und vom
Meer die Erdoberfläche verändert haben müssen. Durch Anwendung der vergleichenden
Osteologie auf die Reste vorweltlicher
Wirbeltiere eröffnete er die
Bahn, auf welcher ihm die berühmtesten
Forscher aller
Nationen gefolgt sind.
In der Zoologie stellte er zuerst Typen auf, deren jeder eine eigentümliche, von den andern unabhängige Ausbildung zeigt. Als Sammler naturhistorischer Gegenstände, als Forscher, Systematiker, Lehrer, Redner, Staatsmann und als Freund des Volkes steht er gleich groß da. Das Schulwesen und die protestantische Kirche in Frankreich verdanken ihm unendlich viel. Mit der deutschen Sprache [* 10] und Litteratur und dem deutschen Geist vertraut, würdigte er auch alle in Deutschland [* 11] gemachten Fortschritte.
Vgl.
Lee, Memoirs of baron Cuvier
(Lond. 1833), und
Pasquier,
Éloge de Cuvier
(Par. 1833).
2) Frédéric, Bruder des vorigen, geb. zu Mömpelgard, war Mitglied des Instituts und des protestantischen Konsistoriums, starb als Professor und Konservator des Kabinetts für vergleichende Anatomie im Jardin des Plantes zu Paris in Straßburg. [* 12] Er schrieb: »Sur les dents des mammifères comme caractères zoologiques« (Par. 1823 u. 1824),
gab mit Geoffroy de Saint-Hilaire heraus: »Histoire naturelle des mammifères« (das. 1824 f.) und bearbeitete für das »Dictionnaire des sciences naturelles« (Straßb. 1816 ff.) die Zoologie und Geschichte der Säugetiere.