Titel
Chinesische
Kunst.
Alt wie die Kultur
Chinas ist auch seine Kunst;
aber nicht die
Baukunst
[* 2] ist es, der man, wie in den
meisten übrigen Kulturländern,
die erste
Kunde von derselben verdankte, sondern die Bronzeindustrie. Welch'
hohe Entwicklungsstufe diese bereits im frühesten
Altertume, zur Zeit der Schang-Dynastie (1766-1121
v. Chr.) erreicht hatte,
bezeugen die zahlreichen Funde von Bronzegefäßen (s.
Tafel: Chinesische Kunst
II,
[* 1]
Fig. 1
u. 2) im Lößgebiete.
Diese ältesten Gefäße sind Opfergefäße; mithin ist es erklärlich, daß ihre Form und Ornamentierung bis zu einem gewissen Grade durch den Kultus bedingt sind. Die Ornamente [* 3] sind teils geometrisch, teils den Erscheinungen der Außenwelt entlehnt. Unter den erstern erscheint besonders der Mäander [* 4] (lêi-wên, d. h. Donnermuster), der auf eine symbolische Darstellung des Donners unter Zugrundelegung des alten Schriftzeichens lêi (Donner) zurückgeht. Zu der zweiten Art gehören Nachbildungen von Bergen, [* 5] Wolken und Tieren, während Pflanzen und menschliche [* 1] Figuren gänzlich zu fehlen scheinen.
Dagegen werden die bis auf den heutigen Tag in China [* 6] sehr populär gebliebenen Fabeltiere: Drachen, Einhorn, Schildkröte, Phönix sowie das sog. tâo-tie, ein vielfraßähnliches Ungetüm, dessen Kopf oder Antlitz, mit größter Freiheit stilisiert, gern als Vasenornament verwendet wird (s. Taf. II, [* 1] Fig. 3), augenscheinlich bevorzugt. Während der Tschen-Dynastie (1134-255 v. Chr.), zum Teil auch schon unter den Schang, läßt sich eine deutliche Scheidung in rituelle Gefäße, die beim Staatskultus Verwendung fanden, und solche, die als Opfergefäße beim Ahnenkultus oder als Auszeichnungen für besondere Verdienste üblich waren, durchführen.
Einen neuen Anstoß zu gedeihlicher Entfaltung erhielt die Bronzeindustrie durch die Einführung des
Buddhismus, die um den Beginn unserer Zeitrechnung stattfand. Der ind. Einfluß machte sich sowohl
in der größern
Mannigfaltigkeit der Formen und Ornamente (besonders in der Verwendung von menschlichen
[* 1]
Figuren
und Pflanzenmotiven), also auch in der Vervollkommnung von Material und
Technik geltend. Im 8. Jahrh.
n. Chr. beginnt man bereits, buddhistische Bronzefiguren zu vergolden. Auch der
Taoismus brachte zum mindesten neue Motive
auf (s. Taf. II,
[* 1]
Fig. 9), und durch die Weltherrschaft der mongol.
Eroberer ward endlich der Verkehr mit dem fernen Westen erneuert und dadurch das Eindringen arab.
und pers. Kunst
formen ermöglicht. Als Blüteperioden der chines.
Bronzeindustrie gelten die Regierung Siwen-te (1426-36) und die Regierung Kang-hi (1662-1723).
Wenn China keine Baudenkmäler besitzt, die über das 11. Jahrh. unserer Zeitrechnung zurückreichen, so ist das der leichten Bauart und der geringen Haltbarkeit des Materials (Holz [* 7] und Ziegel) zuzuschreiben. (Beispiele vom Häuserbau s. Taf. III, [* 1] Fig. 3 u. 4.) Auf dieselben Ursachen dürfte auch die Erscheinung zurückzuführen sein, daß den Chinesen der Sinn für Monumentalbauten fast völlig abgeht. Triumphbögen und Brücken [* 8] sind wohl, abgesehen von einigen kaiserl. Mausoleen, das Einzige, was sich nach dieser Richtung anführen ließe. Auch ist auf dem Gebiete der Baukunst der indisch-buddhistische Einfluß unverkennbar; er zeigt sich an den monumentalen Tempelbauten (s. Taf. III, [* 1] Fig. 2) und an dem Pagodenbau (s. Taf. III, [* 1] Fig. 1). Am auffallendsten erscheinen die vielen nach innen gebogenen Dächer an den aus fünf, sieben, neun und selbst mehr Stockwerken bestehenden Türmen, den sog. Pagoden (tha).
Jedes
Stockwerk ist nämlich von dem höhern durch ein Dach
[* 9] getrennt, von dessen Giebelspitzen häufig
Glocken herabhängen.
Die Wohnungen der
Reichen sowie die
Paläste der
Großen, selbst die des
Kaisers nicht ausgenommen, bestehen aus einer Anzahl
einstöckiger,
Höfe, Gärten und kunst
reiche Wasserpartien einschließender, durch
Galerien miteinander verbundener
Gebäude.
Da die
Chinesen die Bereitung des
Glases durch
Ausländer kennen lernten, so ist noch immer großer
Mangel
an dem gewöhnlichsten Fensterglase, der durch die zierlichen
Stäbe, deren Öffnungen mit Papier verklebt werden, nicht ersetzt
werden kann.
Verhältnismäßig jung ist die Porzellanindustrie (s. Taf. I, [* 1] Fig. 2, 4, 6), ein sehr wichtiger Zweig der C. K. Dies nachgewiesen zu haben, ist das Verdienst von Stanislas Julien, der in der Inschrift auf einem 1835 von Rosellini in einem ägypt. Grabe gefundenen Porzellanfläschchen ein chines. Gedicht aus dem 8. Jahrh. n. Chr. erkannte. Da jenes Fläschchen überdies mit den heutzutage in China gebräuchlichen Schnupftabaksfläschchen (s. Taf. I, [* 1] Fig. 5) übereinstimmt, die Sitte des Schnupfens in China jedoch erst seit dem 17. Jahrh. besteht, so dürfte jener Fund ein recht modernes Erzeugnis darstellen.
Die neuere Forschung läßt es als ausgemacht erscheinen, daß die Erfindung des eigentlichen Porzellans nicht über das 9. Jahrh. n. Chr. zurückreicht, da das sog. grüne Porzellan, das im 7. Jahrh. von Ho-tscheu erfunden worden ist, als Seladon anzusehen ist. In der tausendjährigen Entwickluug der Porzellanindustrie unterscheidet man 7 Perioden:
1) Die älteste Periode 850-1426;
2) die Periode Siwen-te 1426-65 (s. Taf. I, [* 1] Fig. 2); 3) die Periode Tsching-hwa 1465-1573;
4) die Periode Wan-li 1573-1662;
5) die Periode Kang-hi 1662-1723;
^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.] ¶
mehr
tscheng und Kien-lung 1723-1796 (s. Taf. II, [* 10] Fig. 10); endlich 7) die gegenwärtige Periode von 1796 bis auf die Gegenwart, wobei jedoch zu bemerken ist, daß seit 1840 ein völliger Stillstand eingetreten ist. Den Höhepunkt bezeichnet die fünfte Periode.
Unter den verschiedenen Zweigen der Kleinkunst
seien genannt Arbeiten aus Nephrit (s. Taf. II,
[* 10]
Fig. 3,
7), Bergkrystall, Speckstein (Taf. I,
[* 10]
Fig. 3; Taf. II,
[* 10]
Fig.
8), Bambus (Taf. II,
[* 10]
Fig. 11), Horn (Taf. II,
[* 10]
Fig. 6), Elfenbein, Zinn und Bronze
[* 11] (Taf. II,
[* 10]
Fig. 5 u. 9), Thon (Taf. I,
[* 10]
Fig. 7),
Federemail (Taf. I,
[* 10]
Fig. 10) sowie das Email Cloisonné (Taf. I,
[* 10]
Fig. 1; Taf. II,
[* 10]
Fig.
4).
Daß die vielbewunderte japan. Malerei ans der chinesischen
hervorgegangen ist und ihren
Ursprung bis auf den heutigen Tag nicht verleugnen kann, ist sicher; um so mehr ist es zu bedauern, daß die chines.
Malerei bisher von europ. Forschern und Sammlern in unverdienter Weise vernachlässigt worden ist. Eine
genauere Kenntnis derselben wird den Nachweis liefern, daß manche ihrer ältern Meisterwerke den bedeutendsten Schöpfungen
der jüngern japan. Schwester zum mindesten ebenbürtig sind.
Schon im 10. Jahrh. v. Chr. sollen die Palastmauern bemalt worden sein, und unter der Thsin-Dynastie (um 250 v. Chr.) werden
Malereien auf Bambusplatten und feinem Seidengewebe erwähnt. Im 2. Jahrh.
v. Chr. bestand bereits die Porträtmalerei. Einen neuen Aufschwung nahm die Malerkunst
mit der Erfindung des Papiers
(ein Jahrh. n. Chr.) und unter den Vertretern jener ersten Periode wird der berühmte Feldherr Tschu Ko-liang genannt. Alsdann
wirkte, wie auf allen übrigen Gebieten, auch hier der ind. Geist durch den Buddhismus umgestaltend und
befruchtend, religiöse Stoffe traten in den Vordergrund, ohne jedoch die profane Malerei zu verdrängen.
Wie im Abendlande waren damals auch in China die Klöster die Heimstätten der Kunst.
Die dritte Periode der Malerei fällt
mit der Herrschaft der Tang-Dynastie (620-907) zusammen und wird charakterisiert durch die Spaltung in
eine nördl. und eine südl. Schule. Während diese einer freiern
Entwicklung huldigte, hielt sich jene mehr an die althergebrachten Traditionen gebunden. Der bedeutendste Vertreter dieser Epoche,
der südl. Schule angehörend, ist der Landschaftsmaler Wu-tao-hiwen (8. Jahrh.).
Ein Original von ihm ist im Tempel
[* 12] Manjugi in Kioto erhalten.
Das Zeitalter der Sung (960-1278), in dem die Litteratur eine neue Blüteperiode erlebte, kann auch als das goldene Zeitalter der chines. Malerei bezeichnet werden. Charakteristisch für diese Periode ist die Erscheinung, daß die meisten ihrer Vertreter nicht Maler von Profession, sondern künstlerisch geschulte Liebhaber waren, wie z. B. der berühmte Staatsmann und Geschichtsschreiber Sse-ma-kwang (1009-86), von dessen Hand [* 13] das Berliner [* 14] Museum für Völkerkunde eine Bildrolle, die 16 Lohans (buddhistische Patriarchen) darstellend, besitzt, die an Sicherheit und Feinheit der Pinselführung, an Zartheit und Frische der Farben in der zeitgenössischen Malerei des Abendlandes wohl ihresgleichen sucht.
Die Geschichte der chines. Malerei berichtet von einer langen Reihe von Meistern dieser Epoche, die größtenteils die Landschaftsmalerei kultivierten. Auch werden bereits Gemäldesammlungen erwähnt. So besaß z. B. der Kaiser Hwei-tsung (1119-26) eine solche, die 6396 Bildrollen umfaßte, die nach den behandelten Stoffen in 10 Gruppen geteilt war. Derselbe Kaiser unterhielt in seinem Palaste eine Malschule, in der sich der Unterricht auf sechs Klassen verteilte.
Unter der Mongolenherrschaft (1280-1368) tritt die minutiöse Detailmalerei, begleitet von einer Vorliebe für besonders leuchtende Farben, in den Vordergrund. Gleichzeitig gewinnt durch den Einfluß des Lamaismus das religiöse Element wieder die Oberhand. Mit der Ming-Dynastie (1368-1644) beginnt bereits der Verfall der Malerei. Die Maler der ersten Zeit dieser Periode zeichnen sich weniger durch Originalität und Reichtum der Erfindung als durch sichere Pinselführung und klare Unterscheidung der Formen aus.
Allmählich entwickelt sich immer mehr der konventionelle chines. Stil und die vorschreitende Specialisierung der Stoffe und
Schablonisierung ihrer Behandlung läßt endlich die Kunst
in geist- und phantasielose Schulmalerei ausarten,
die den Verfall der chines. Malerei in der Gegenwart zur Folge gehabt hat. Charakteristische Merkmale der chines. Malerkunst
,
zugleich ihre Hauptmängel sind: ihr kalligraphischer Charakter, das Fehlen des Plastischen und die gleichmäßige Behandlung
des Haupt- und Nebensächlichen. - Beispiele von Stickereien zeigt Taf. I,
[* 10]
Fig. 8 u. 9. -
Vgl. Paléologue, L'art chinois (Par. 1887);
Stan. Julien, Histoire et fabrication de la porcelaine chinoise (ebd. 1856);
Du Sartel, La porcelaine de Chine (ebd. 1881);