Später verteidigte er auch in den
Cortes mit enthusiastischer, hinreißender, wenngleich etwas phrasenreicher
Beredsamkeit
seine republikanischen
Grundsätze. Oberflächlich und zur
Rhetorik geneigt, ist E. doch ein edler
Patriot, uneigennützig und
selbstverleugnend, ehrlich und wahrhaft. Seine heftigen
Angriffe auf die
Regierung hatten 1865 seine
Suspension zur
Folge, und
als er sich an dem Militäraufstand in
Madrid beteiligte, mußte er fliehen und wurde
in contumaciam zum
Tod verurteilt.
Die
Septemberrevolution von 1868 rief ihn aus der
Verbannung zurück, und
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hiermit begann für Castelar eine neue Ära. Zum Abgeordneten für die konstituierenden Cortes gewählt, bekämpfte er jede Art von
Monarchie, verteidigte als einzig richtige Verfassungsform die Föderativrepublik und verlangte in schwunghaften RedenReligionsfreiheit.
Er schwärmte auch für ein Bündnis aller Völker romanischen Stammes und bewies seine Unkenntnis der Dinge durch
seine heftigen Angriffe auf Deutschland
[* 6] wegen des französischen Kriegs 1870/71. Nach der AbdankungAmadeus' im Februar 1873 bildete
CastelarsFreundFigueras eine neue Regierung, in der Castelar das Auswärtige übernahm, und nun konnten die Republikaner ihr Ideal,
die Bundesrepublik, verwirklichen.
Aber die Desorganisation des Heers hatte bald eine völlige Anarchie in allen Provinzen zur Folge, und Figueras,
Piy Margall und Salmeron, die nacheinander an die Spitze des Staats traten, dankten bald ab, so daß Castelar, der 26. Aug. zum Präsidenten
der Cortes gewählt wurde, nun die nationale Einheit, eine kräftige Regierungsgewalt, die Wiederherstellung der Ordnung und
besonders die Kräftigung der Armeedisziplin als unerläßlich forderte. Er wurde hierauf 7. Sept. zum Präsidenten
der Exekutivgewalt mit außerordentlichen diktatorischen Vollmachten gewählt, die er nun energisch anwendete, um den Karlistenkrieg
erfolgreich zu führen und die Aufstände der Föderalisten im Süden zu unterdrücken. Er scheute sich nicht, um das Vaterland
zu retten, allen seinen früher kundgegebenen Ansichten zuwiderzuhandeln. Er wurde daher von allen Republikanern
für einen Abtrünnigen gehalten, und als ein für ihn bei den Cortes nach seiner Rechenschaftsablage beantragtes
Dankesvotum nicht die Majorität fand, legte er sein Amt nieder.
Nach dem unmittelbar darauf folgenden Staatsstreich des GeneralsPavia zog sich Castelar auf längere Zeit vom
politischen Leben zurück und begab sich in das Ausland. Erst unter Alfons XII. ließ er sich wieder in die Cortes wählen, in
denen er gemäßigt republikanische Grundsätze vertrat und an der Spitze der kleinen Gruppe der Ordnungsrepublikaner (Posibilistas)
stand. Öffentlich trat er seltener für seine republikanischen Anschauungen als für die Union der romanischen
Völker auf; seinen Haß gegen Deutschland gab er wiederholt in schroffer Weise zu erkennen.
Von seinen zahlreichen Schriften erwähnen wir: »La civilisazion en los cinco primeros siglos del cristianismo« (2. Aufl.,
Madrid 1865);
»Questiones politicas y sociales« (1870, 3 Bde.);
»Discursos parlamentarios« (1871, 3 Bde.);
»Discursos poeticos« (1873);
»Historia del movimiento republicano en Europa«
[* 7] (1874, 2 Bde.);
»Miscelanea de historia, de religion
etc.« (1874);
Emilio, einer der Führer der republikanischen Partei in Spanien,
[* 10] geb. zu Cadiz, studierte auf
der Universität zu Madrid, schloß sich in der Julirevolution von 1854 der demokratischen Partei an und wurde Mitarbeiter
an fortschrittlichen Blättern. Später erhielt er eine Professur der Geschichte an der Madrider Universität,
und 1864 gründete er mit Carrascon das Blatt «Democracia». Als Professor der Geschichte von dem Ministerium
Narvaez bedroht, wurde er durch die begeisterten Kundgebungen der Studenten der Regierung noch mehr verdächtig und verhaftet.
Nach dem Scheitern des Aufstandes vom floh Castelar nach Frankreich, kehrte aber nach dem Ausbruche
der Septemberrevolution 1868 nach Madrid zurück, wo ihn namentlich die akademische Jugend mit Begeisterung aufnahm. In zahlreichen
Reden, sowohl in der Hauptstadt selbst als in den Provinzen, machte er, wie Orense, Fernando Garrido u. a., Propaganda für
die Föderativrepublik. In Saragossa
[* 11] und Lerida wurde er zum Abgeordneten für die konstituierenden Cortes
gewählt und sein Name ist mit der größten Errungenschaft der Septemberrevolution, der Kultusfreiheit, eng verknüpft.
Die republikanische Partei wählte ihn neben Orense und Figueras in ihr Direktorium. Unter dem ersten
Ministerium Amadeus' machte Castelar im Verein mit den Karlisten entschiedene Opposition, unterstützte aber dann
wenigstens mittelbar das radikale Ministerium Zorrilla. Als Amadeus abdankte und die Republik proklamiert wurde,
übernahm Castelar das auswärtige Ministerium, trat aber 7. Juni zurück, nachdem der Bruch der Republikaner mit den Radikalen sich
vollzogen hatte und seine Bemühungen, die Ordnung aufrecht zu erhalten, erfolglos geblieben waren.
Doch wurde er 26. Aug. zum Präsidenten der Cortes ernannt, und bereits 7. Sept. übernahm er das Ministerpräsidium
mit diktatorischer Gewalt, zog sich aber durch Schaffung eines disciplinierten Heers zur Niederwerfung des Aufstandes von Cartagena
und des Karlistenkrieges die Feindschaft seiner frühern Gesinnungsgenossen zu. Als er bei dem erfolgten
Zusammentreten der Cortes seinen Rechenschaftsbericht ablegte, wurde sein Verfahren gegen die Aufständischen als unrepublikanisch
bezeichnet und das beantragte Dankesvotum gegen die Regierung seitens der Cortes abgelehnt, worauf Castelar das Ministerium
niederlegte.
Nach der Wiederherstellung der Monarchie unter Alfons Ⅻ. im Jan. 1875 gab er seine Entlassung als Professor der
Madrider Universität, lebte darauf in Paris,
[* 12] wurde aber bei den im Jan. 1876 stattfindenden Wahlen in Barcelona
[* 13] in die Cortes
gewählt. Hier bekämpfte er bei den Debatten über den neuen Verfassungsentwurf die von dem Ministerpräsidenten vorgelegten
Glaubensartikel und suchte, jedoch erfolglos, allen Konfessionen
[* 14] Freiheit des Glaubens und der Ausübung des
Kultus zu verschaffen.
Bei der Adreßberatung vom verlangte er die Zurückgabe Gibraltars an Spanien. Vor den neuen Corteswahlen von 1879 erließ
er ein demokratisches Manifest, worin er die rückhaltlose Umkehr zu der Verfassung von 1869, zu der Freiheit des Glaubensbekenntnisses,
der Presse,
[* 15] des Unterrichts, der Vereine und Versammlungen verlangte; doch hatte er in den Cortes keinen
Einfluß mehr auf die Gestaltung der Politik. Er trat nach dem Deutsch-FranzösischenKriege von 1870 und 1871 mehrfach
als
Deutschenhasser und als Verteidiger der Idee eines Bundes der roman. Völker, zu denen er seltsamerweise auch die Neugriechen
gesellt, gegenüber dem Germanentum hervor. Als Herausgeber der Madrider Zeitung«El Globo» und Mitarbeiter
mehrerer südamerik. Blätter erfreut er sich eines großen Ansehens; als Führer der «possibilistischen»
Republikaner erwartet er die Verwirklichung seines Staatsideals nur auf dem Wege friedlicher Propaganda. ^[]
Von C.s publizistischen und wissenschaftlichen Arbeiten sind hervorzuheben: «La civilizacion en los cinco
primeros siglos del cristianismo» (2. Aufl., Madr. 1865),
«Cuestiones políticas y sociales» (3 Bde.,
ebd. 1870),
«Miscelánea de historia, de religion, de arte y de política» (ebd. 1874),
«Estudios históricos sobre la edad media» (ebd. 1875),
«Historia del movimiento republicano en Europa» (2 Bde.,
ebd. 1875),
«Perfiles de personages y bocetos de ideas» (ebd. 1875),
«Galería
historica de mujeres célebres» (Bd. 1,
ebd. 1888, Bd. 6 u. 7, 1888–89). Seine parlamentarischen Reden sind gesammelt erschienen u. d. T.
«Discursos parlamentarios» (4 Bde.,
ebd. 1885); ein Teil derselben ist in deutschen Übersetzungen (Berl., Würzb. u. Finsterwalde 1869) veröffentlicht worden.
–
Vgl. Sanchez de Real, Emilio Castelar, su vida, su carácter, sus costumbres etc. (Madr.
1874);
Sandoval, Emilio Castelar, coup d'œil sur sa vie (Par. 1887).