Carrière
(franz.), s. Karriere.
Carrière
2 Seiten, 894 Wörter, 6'429 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Carrière
(franz.), s. Karriere.
Carriere,
Moriz, philosoph. Schriftsteller, geb. zu Griedel im Großherzogtum
Hessen,
[* 2] studierte zu
Gießen,
[* 3]
Göttingen
[* 4] und
Berlin,
[* 5] habilitierte sich, nachdem er einige Jahre, namentlich mit Kunststudien
beschäftigt, auf
Reisen in
Italien
[* 6] zugebracht, als
Dozent der
Philosophie zu
Gießen, ward 1849 außerordentlicher
Professor daselbst und 1853 als
Professor an die
Universität
München
[* 7] berufen, wo er noch wirkt. Als
Philosoph gehört Carriere
mit
J. G.
^[Johann
Gottlieb]
Fichte,
[* 8]
Weiße,
Wirth u. a. zu den Begründern einer die
Gegensätze des
Deismus und
Pantheismus zu überwinden
bestrebten theistischen Weltanschauung. In deren
Geist sind seine Hauptschriften: »Die philosophische
Weltanschauung der Reformationszeit«.
¶
(Stuttg. 1847),
»Religiöse Reden und Betrachtungen für das deutsche Volk von einem deutschen Philosophen« (Leipz. 1850, anonym; 2. Aufl. 1856),
»Das Wesen und die Formen der Poesie« (das. 1854, 2. Aufl. 1884),
»Ästhetik« (das. 1859, 2 Bde.; 3. Aufl. 1884) und »Die Kunst im Zusammenhang der Kulturentwickelung und die Ideale der Menschheit« (das. 1863-74, 5 Bde.; 3. Aufl. 1876 ff.), abgefaßt. Von dem letztgenannten reichhaltigen und groß angelegten Werk umfaßt der erste Band [* 10] das orientalische Altertum, der zweite Hellas und Rom, [* 11] der dritte das morgen- und abendländische Mittelalter, der vierte das Zeitalter der Renaissance und der fünfte die Neuzeit in Religion und Weisheit, Kunst und Dichtung.
Außerdem schrieb er: »Vom Geist. Schwert- und Handschlag für Franz Baader« (Weilb. 1841),
»Die Religion in ihrem Begriff, ihrer weltgeschichtlichen Entwickelung und Vollendung« (das. 1841),
»Der Kölner [* 12] Dom als freie deutsche Kirche« (Stuttg. 1843),
»Abälard und Heloise« (das. 1843; 2. Aufl., Gießen 1853) und erläuterte Kaulbachs Shakespeare-Galerie (Berl. 1856-58). Als feinsinniger Sammler hat er in seinem »Erbauungsbuch für Denkende« (Frankf. 1858),
als warm fehlender nationaler Politiker in seinem »Charakterbild Cromwells« (1851) und in seiner Rede »Über die sittliche Weltordnung« (Münch. 1870) sich hervorgethan. Er schrieb noch: »Deutsche [* 13] Geisteshelden im Elsaß« (Münch. 1871);
»Die sittliche Weltordnung« (Leipz. 1877),
eine das Ganze seiner ethisch-religiösen Weltanschauung zusammenfassende Darstellung, welche durch Adel der Gesinnung und Wärme [* 14] des Tons vielfach an Fichtes »Reden an die deutsche Nation« erinnert.
Als Dichter ist er mit einer seiner Frau, einer Tochter von J. ^[Justus] v. Liebig, gewidmeten Sammlung Poesien unter dem Titel: »Agnes« (Leipz. 1883) aufgetreten, die unter anderm Fragmente eines Epos: »Muhamed«, und das schon 1849 (Gießen) erschienene Gedicht »Die letzte Nacht der Girondisten« enthält.
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Carrière
(frz., spr. -ĭähr), Rennbahn in der Reitschule;
der volle Lauf eines Pferdes;
die Laufbahn, die einer macht.
Carriere,
Moriz, Philosoph und Ästhetiker, geb. zu Griedel im Großherzogtum Hessen, studierte zu Gießen, Göttingen und Berlin, lebte dann einige Jahre, namentlich mit Kunststudien beschäftigt, in Italien und habilitierte sich 1842 als Docent der Philosophie zu Gießen, wo er 1849 eine Professur erhielt. Seit 1853 Professor zu München, liest er an der Universität vorzugsweise Ästhetik. In der Kunstakademie, deren schriftführendes Mitglied er während 30 Jahren war, trug er Kunstgeschichte vor. C.s erste Schriften, wie namentlich «Vom Geist. Schwert- und Handschlag für Franz Baader» (Weilb. 1841) ^[] und «Die Religion in ihrem Begriff, ihrer weltgeschichtlichen Entwicklung und Vollendung» (ebd. 1841),
bewegten sich teilweise noch in Hegelschen Gedankenkreisen, hoben aber bereits das Princip der Individualität entschieden hervor. Daran reihte sich «Der Kölner Dom als freie deutsche Kirche» (Stuttg. 1843) und eine Übertragung der Briefe und Leidensgeschichte von «Abälard und Heloise» (Gieß. 1844). In dem Werke «Die philos. Weltanschauung der Reformationszeit» (Stuttg. 1847; 2. Aufl., 2 Bde., Lpz. 1887) schildert er die Übergangsperiode von der Scholastik zu Cartesius und legt namentlich die Lehren [* 15] des Giordano Bruno, Campanella und Jakob Böhme in neuer und eigenartiger Weise dar.
Zugleich tritt die Überwindung des Pantheismus und Deismus in der Anschauung eines sowohl selbstbewußten als
unendlichen, in Natur und Geschichte sich offenbarenden Gottes als der Gedanke hervor, dessen Durchführung Carriere
für die Aufgabe
der Gegenwart hält. In diesem Sinne gehaltene Vorträge veröffentlichte er als «Religiöse Reden und Betrachtungen
für das deutsche Volk» (2. Aufl., Lpz. 1856). Ein Buch über «Die Poesie, ihr Wesen und ihre Formen» (ebd.
1854; neu bearbeitet mit Grundzügen der vergleichenden Litteraturgeschichte 1884) war der Vorläufer einer «Ästhetik» (2
Bde., ebd. 1859; 2. Aufl. in neuer
Bearbeitung 1873; 3. Aufl. 1885),
welche die Idee des Schönen und ihre Verwirklichung im Leben und in der Kunst an der Hand [* 16] der Erfahrung vom Standpunkte des Idealismus darlegte. Das ausgezeichnete Werk «Die Kunst im Zusammenhang der Kulturentwicklung und die Ideale der Menschheit» (5 Bde., Lpz. 1863–73; 3. Aufl. 1877–86) verbindet philos. Tiefblick mit geschichtlicher Treue. Das Charakterbild Cromwells im «Histor. Taschenbuch» (1851) kann als C.s polit. Glaubensbekenntnis gelten. Für Brockhaus' «Bibliothek der deutschen Nationallitteratur» besorgte er die Ausgaben von Goethes «Faust» (Lpz. 1869) und Schillers «Wilhelm Tell» (ebd. 1871) mit histor. Einleitung und namentlich die erstere mit reichen Erläuterungen. Seine philos. Lebensansicht faßte er in einem Werke über «Die sittliche Weltordnung» (Lpz. 1877; 2. Aufl. 1891) zusammen, worin er dem Mechanismus der Natur und seiner Notwendigkeit wie der Freiheit des Geistes in gleicher Weise gerecht zu werden und nach den gesicherten Ergebnissen der Erfahrungswissenschaft die Principien des Seins und Erkennens zu bestimmen sucht. Schon vor der 2. Auflage dieser Schrift suchte Carriere die in ihr enthaltenen Gedanken in «Jesus Christus und die Wissenschaft der Gegenwart» (Lpz., 2. Aufl. 1889) weiter zu führen und den Abriß einer Philosophie des Christentums zu geben. Er veröffentlichte auch Gedichte u. d. T.: «Agnes. Liebeslieder und Gedankendichtungen» (Lpz. 1883). Die «Lebensbilder» (ebd. 1890) schildern vornehmlich Denker, Dichter und Künstler, die dem Verfasser persönlich bekannt geworden. Seine «Gesammelten Werke» erscheinen seit 1886 (Lpz.).