Camerun
,
[* 3] deutsche Kolonie an der Westküste Afrikas, in der Tiefe des Golfs von Guinea, erstreckt sich von den Ethiopekatarakten des Croß River unter 9° 8' östl. L. v. Gr. bis zur Mündung des Rio [* 4] del Rey und von da südwärts bis über den 3.° nördl. Br. hinaus; nach dem Innern, das bis auf kurze Entfernungen von der Küste noch ganz unbekannt ist, sind die Grenzen [* 5] völlig unbestimmt (s. Karte). Die Küste selbst hat größere Einschnitte nur durch die Flußmündungen; an der Straße, welche die spanische Insel Fernando Po vom Festland trennt, öffnet sich die Ambasbai mit den vorliegenden Inseln Ambas (Ndami) und Mandaleh, daneben die enge Man of War-Bai.
Dahinter hebt sich, fast unmittelbar vom
Strand in nördlicher
Richtung noch über 4° 35' hinausstreichend, das Camerun
gebirge,
ein gewaltiger Gebirgsstock, dessen vulkanische
Massen eine weithin sichtbare
Landmarke abgeben. Es steigt in seinem südlichsten
Gipfel, dem Mongo
ma Etindeh, zu 1933, im
Mount
Helen zu 2810, im Mongo
ma Lobah (Götterberg) zu 4190 m
auf. Der letzte ist ein mächtiger Bergriese, an dessen weitem
Krater
[* 6] sich zwei
Kegel
(Albert und
Victoria)
[* 7] erheben.
Lavaeruptionen sind seit Menschengedenken nicht vorgekommen, aber erkaltete Lavaströme verschiedenen
Alters ziehen sich an den
Seiten herab, und rauchende Solfataren in der
Nähe der höchsten Gipfel zeigen an, daß die innere
Glut
noch nicht erloschen ist. Auf dem Gipfel fanden
Burton und Mann 29. und als höchste
Temperatur 12,5° C., als niedrigste
-2° C. bei starkem
Reif;
Schnee
[* 8] liegt zuweilen auf den höchsten
Punkten. Unter der
Region der
Felsen- und
Alpenkräuter bekleidet bis zu 2100 m
Höhe eine überaus reiche und mannigfaltige
Vegetation die Bergseiten und geht an der
Basis in die üppigste tropische Pflanzenwelt über. Der Mongo
ma Lobah wurde zuerst im
Dezember 1861 und im
Januar 1862
von
Burton und dem deutschen
Botaniker Mann, dann 1877 von
Comber, 1879 von
Flegel und im
Dezember 1884 von
Zöller
und Rogozinski erstiegen. Von seinen Seiten fließen zahlreiche Gewässer dem
Meer im W. und dem
Mungo im O. zu. Der
Mungo entspringt
nördlich vom 5.° nördl.
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Br., bildet in seinem obern Lauf den 20 m hohen Mungofall, dann die Elikistromschnellen, ist darauf aber selbst für Dampfer
befahrbar, nimmt rechts den Peteh oder Kleinen Mungo mit dem Abfluß des Sees Balombi ba Kotta auf und mündet in zahlreichen
Armen, ein Gewirr sumpfiger Inseln bildend, in den Camerun
fluß. Ein westlicher Arm fließt als Bimbia direkt
dem Meer zu. Ganz nahe dem Oberlauf des Mungo entsteht aus zahlreichen kleinen Bergströmen der Yabiang oder Abo, welcher in
vielfachen Krümmungen südwärts fließt, um unter 4° 12' nördl. Br. mit dem von NO. aus noch völlig unbekannten Gebiet
herzuströmenden Madiba ma Dualla, der weiter auswärts die große Insel Wuri und andre kleinere umschließt,
und dessen Schiffbarkeit etwas nördlich von 4° 30' nördl. Br. gleichfalls durch Stromschnellen behindert wird, sich zu vereinigen
und, ebenso Inseln bildend, sich in den Camerunfluß
zu ergießen, dem von O. und S. noch der Lungasi, der Donga und
der Quaqua zugehen.
Den Lungasi kennen wir nur eine kurze Strecke aufwärts bis zu den Katarakten von Ebong; der Donga ist vielleicht nur ein breites
Ästuarium,
[* 10] an das zahlreiche kleinere Flüsse
[* 11] ihre Gewässer abgeben; der Quaqua ist ein nach N. sich abzweigender Mündungsarm
des wasser- und inselreichen Edea, der sich in zwei breiten Mündungen, Borno und Barea, welche die Insel
Malimba einschließen, direkt in die Bucht von Biafra ergießt. Aus diesen Flüssen: Mungo, Madiba ma Dualla, Lungasi, Donga und
Quaqua entsteht der mächtige Camerunfluß
(Madiba di Dualla), welcher schon in seinem obern Teil eine Breite
[* 12] von 1-1½ km
hat und weiter dem Meer zu weniger einem Fluß als einem beträchtlichen Meeresarm gleicht, dessen Gegenwart
schon weit in die See hinaus an der schmutziggelben Farbe des Wassers erkennbar ist, eine Folge der mitgerissenen Sand- und Schlammmassen,
welche mit Hilfe der verschiedenen Strömungen der Gezeiten und des Flusses an der Mündung Barren bilden
und somit das Fahrwasser für tiefer gehende Schiffe
[* 13] auf das äußerste beschränken. Zur Zeit des Hochwassers hat der Strom
eine Geschwindigkeit von 6½-8 km pro Stunde, dann sieht man riesige Baumstämme und mit Strauchwerk bewachsene Inselchen den
Strom hinabtreiben. Durch beständige Ablagerungen hat der Strom an seiner Mündung große, sumpfige, von
Kanälen durchzogene Inseln gebildet, welche, gleichwie die Ufer, dunkle Mangrovenwälder bedecken. Westlich vom obern
[* 3]
^[Abb.: Karte von Camerun.]
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Mungo, nur durch ein schmales Bergland von ihm getrennt, und von 9° 30' östl. L. v. Gr. liegt, anscheinend von keinem größern Gewässer gespeist, der Elefantensee (Balombi ma Mbu); etwas westlich von ihm entspringt der sich bald seeartig erweiternde Strom, welcher, in seinem untern Lauf Rio del Rey genannt, die Westgrenze des deutschen Besitzes bildet.
Man unterscheidet zwei Jahreszeiten: [* 15] eine kühle oder Regenzeit von Mitte Juni bis Ausgang September, mit einer Durchschnittstemperatur von 25,9° C., und eine heiße oder trockne Zeit. Das Klima [* 16] ist für Europäer in hohem Grad gefährlich; diese ziehen es daher vor, auf den im Strom verankerten abgetakelten Schiffen (Hulks), welche als Lagerräume dienen, zu wohnen, weil sie dort sowohl vom Landwind als von der Seebrise erreicht werden. Infolge der Feuchtigkeit und Wärme [* 17] zeigt der fruchtbare Boden eine wunderbare Üppigkeit der Vegetation, Urwälder von ungeheurer Ausdehnung, [* 18] und die wertvollsten Bäume und Pflanzen (Eben- und Rotholz, Öl- und Kokospalmen, den Baumwollbaum, die Kautschukliane) enthaltend, bedecken weite Striche und besäumen die Ufer der Flüsse, an denen dicht gedrängt die Negerdörfer liegen, umgeben von ihren Feldern, auf denen Maniok, Bananen, Yams, Erdnüsse, Bohnen, Erbsen u. a. gebaut werden, während Tomaten, Kürbisse, Guajaven, Limonen, Kakao u. a. scheinbar wild wachsen. Große Herden von Elefanten und Antilopen, zahlreiche Gorillas, Babus, Leoparden, Panther u. a. bevölkern die dichten Urwälder.
Die Bewohner dieses Gebiets gehören zur großen Völkergruppe der Bantu; am Camerunfluß
wohnen die Dualla (Diwalla), unter
den übrigen zahlreichen Stämmen sind die nördlichen Balung und Bakundu und die Bamboko im NW. die nennenswertesten. Die
Dualla, deren Zahl auf 20,000 geschätzt wird, wohnen an beiden Ufern des Camerun
flusses, etwa 3-4 geogr.
Meilen von seiner Mündung, wo die Ufer 10-12 m hoch aufsteigen. Hier folgen einander am linken Ufer aufwärts die großen Dörfer:
König Bells Stadt, König Aquas Stadt und Didos Stadt, welche, in der Nähe der europäischen Faktoreien zusammenliegend,
auch als der Ort Camerun
bezeichnet werden.
Eine jede dieser »Städte« besteht aus zahlreichen und ansehnlichen Hütten
[* 19] mit Wänden aus Matten von Palmblättern und saubern,
gleichfalls aus Palmblättern geformten Dächern. Von europäischen Handelshäusern gibt es hier außer zwei deutschen noch
sieben englische, meist kleinere Firmen, auf dem Land selbst aber nur drei deutsche und zwei englische
Faktoreien sowie zwei Missionsstationen der englischen Baptisten. Handelsobjekte sind Palmöl, Palmkerne und Elfenbein, welche
von den Camerun
leuten als Zwischenhändlern von den landeinwärts wohnenden Stämmen eingehandelt und an die Weißen verkauft
werden. Es besteht hier durchaus Tauschhandel, von europäischen Waren sind vornehmlich Zeuge, Gewehre, Pulver,
Salz,
[* 20] Spirituosen, Tabak,
[* 21] Eisentöpfe, Messingpfannen, Koffer, Beile, Perlen, Knöpfe, Nadeln,
[* 22] Klingeln, Kindertrompeten, Mundharmoniken,
Glas- und Porzellanwaren, Lampen
[* 23] u. a. begehrt.
Die Werteinheit ist der Kru, welcher den Negern als 1 Pfd. Sterl. angerechnet und in 4 Keg oder 8 Piggen oder 20 Bar geteilt
wird. Dem Kru entsprechen 10 Gallons oder 45 Lit. Palmöl. Die Camerun
neger beschäftigen sich ausschließlich
mit Handel, den Anbau von Früchten überlassen sie ihren Sklaven und ihren Weibern, welche beide mit den Kanoes den Hauptreichtum
eines Negers ausmachen; die Könige Bell und Aqua haben jeder gegen 60 Frauen. Die
Könige sind die Haupthändler und beziehen
auch von den europäischen Kaufleuten ansehnliche Jahresgelder, wofür sie dieselben gegen Übergriffe
ihrer Unterthanen schützen, Forderungen an dieselben eintreiben u. a. Dagegen setzen sie einem direkten Verkehr zwischen den
Faktoreien und den Bewohnern der Hinterländer einen entschiedenen Widerstand entgegen, wodurch die letztern endlich in eine
so feindselige Stimmung versetzt wurden, daß sie Anfang 1884 eine äußerst drohende Haltung gegen die
Dualla annahmen.
Diese wandten sich, nachdem ein an England gerichtetes Gesuch um Übernahme des Protektorats unberücksichtigt geblieben war,
an den deutschen Kaiser. Demzufolge wurde trotz der lebhaften Gegenagitation der hier ansässigen Engländer am von
dem als Reichskommissar abgesandten Generalkonsul Nachtigal die deutsche Flagge in Camerun
geheißt und diese
Zeremonie am 21. in Bimbia und später an andern Plätzen wiederholt. Damit war das ganze Gebiet unter deutschen Reichsschutz
gestellt.
Die an der Ambasbai gelegene Missionsstation Victoria, 1858 gegründet von englischen Baptisten, welche aus Fernando Po ausgewiesen wurden, blieb nebst einem kleinen umliegenden Terrain britischer Besitz. Ein im Dezember entstandene Aufstand der Duallaneger wurde durch die deutschen Kriegsschiffe Bismarck und Olga schnell unterdrückt und durch Abkommen mit England als nördliche Grenze der Rio del Rey bis zu seiner Quelle [* 24] bestimmt und von dort eine gerade Linie, welche den Croßfluß überschreitet und unter 9° 8' östl. L. endigt, als Südgrenze bis zur endgültigen Auseinandersetzung mit Frankreich und Spanien [* 25] der Behuwe Creek (Criby), etwas südlich vom 3.° nördl. Br., angenommen. Für die Verwaltung der Kolonie wurde ein Gouverneur ernannt, dem auch die übrigen Besitzungen an der Westküste von Äquatorialafrika [* 26] unterstellt sind.
Vgl. R. Burton, Abeokuta and the Camaroons Mountains (Lond. 1863, 2 Bde.), Buchholz, Reisen in Westafrika (Leipz. 1880);
Reichenow, Die deutsche Kolonie Camerun
(Berl. 1884);