Titel
Casanova
,
1) Giovanni oder Giov. Battista, ital. Maler, geb. 1722 zu Venedig [* 2] aus einer Schauspielerfamilie, kam jung nach Dresden [* 3] und lernte unter L. de Sylvestre und Dietrich die Malerei. Im J. 1752 reiste er mit Mengs nach Rom und [* 4] bildete sich zum tüchtigen Künstler, so daß Reiffenstein, Angelika Kauffmann und Winckelmann sich Unterricht von ihm geben ließen. Letzterm zeichnete er alle Platten zu seinen »Monumenti antichi«. Im J. 1764 als Professor und Direktor der Akademie nach Dresden berufen, starb er hier
2) Giovanni Jac. de Seingalt, ital. Abenteurer, Bruder des vorigen, geb. zu Venedig, erhielt den ersten Unterricht in Padua, [* 5] studierte anfangs die Rechte, wandte sich dem geistlichen Stand zu, und nachdem er vom Patriarchen von Venedig die niedern Weihen empfangen, predigte er mit Beifall; als er aber in seiner zweiten Predigt stecken blieb, war ihm die Kanzel auf immer verleidet. Der ungebundene Geistliche schwärmte nun von Liebschaft zu Liebschaft. Nachdem er wegen toller Streiche einige Tage im Fort St.-André gefangen gesessen, fand er nach manchen Kreuz- und Querzügen in Rom bei dem angesehenen Kardinal Aquaviva ein Unterkommen als Sekretär, [* 6] ward aber bald wieder entlassen.
Endlich nahm er als Fähnrich venezianische Kriegsdienste und begleitete 1743 den Gesandten Venter nach Konstantinopel. [* 7] Hier gewann ihm eine religiöse Unterhaltung mit dem edlen und weisen Jussuf Ali dessen Zuneigung dergestalt, daß derselbe ihm seine reizende Tochter Zelmi zur Gattin anbot. Aber der unruhige Mensch war nicht festzuhalten; er segelte reich beschenkt nach Korfu, [* 8] wo sein Regiment lag, und spielte daselbst erst eine glänzende Rolle, verlor aber bald durch liederliches, ausschweifendes Leben alle Achtung.
Tief verschuldet und ohne Mittel reiste er nach Venedig zurück, erhielt den gesuchten Abschied und spielte arm und unbeachtet die Geige im Theater [* 9] St. Samuel. Hier gewann er die Gunst eines reichen Senators durch erfolgreiche Dienstleistung bei einem Schlaganfall, von welchem derselbe auf einer Gondel betroffen worden, und ward sogar von demselben adoptiert. Allein neue Thorheiten trieben ihn aus Venedig; Mailand, [* 10] Mantua, [* 11] Cesena und Parma [* 12] wurden nun die Tummelplätze seiner Leidenschaften.
Unter anderm lebte er hier mit einer reichen und vornehmen Französin, bis deren Verwandte das Verhältnis lösten. Nach kurzem Aufenthalt in Paris [* 13] ergab er sich wieder in Venedig einem zügellosen Lebenswandel, bis ihn hier der Rat der Zehn wegen Schwindelei und gotteslästerlicher Schriftstücke 1755 verhaften ließ und zu fünf Jahren Gefängnis in den Bleikammern verurteilte. Nachdem er sich nach einer schweren Haft von 15 Monaten mit ebenso großer Kühnheit wie List selbst befreit hatte, warf er sich 1756 in Paris allen Zerstreuungen und Lüsten in die Arme.
Finanzielle und magische Künste erwarben ihm Ansehen und Reichtum. In Paris war es auch, wo er während seines langen Aufenthalts im Umgang mit den angesehensten Männern und Frauen des Tags (Herzog von Choiseul, Crébillon, Pompadour etc.) den freien Blick in das Getriebe [* 14] des Staats und der Politik gewann, von dem seine Schriften zeugen. Von neuem aber unternahm er eine große Abenteurerfahrt über Stuttgart, [* 15] Zürich, [* 16] Solothurn, [* 17] Bern, [* 18] Lausanne, [* 19] wo er Haller und Voltaire besuchte, durch Savoyen über Grenoble, [* 20] Avignon, Marseille, [* 21] Toulon, [* 22] Nizza, [* 23] Genua, [* 24] Livorno, [* 25] Pisa, [* 26] Florenz, [* 27] wo man ihn auswies, Rom, wo ihn der Papst zum Ritter vom Goldenen Sporn schlug, nach Neapel. [* 28]
Hier hielt er sich längere Zeit auf und kehrte dann über Florenz, Bologna, Parma, Turin [* 29] etc. nach Paris zurück. Abwechselnd lebte er hierauf in Paris, Süddeutschland, der Schweiz [* 30] und London, [* 31] ging dann nach Berlin, [* 32] wurde Friedrich II. vorgestellt, fand jedoch keineswegs Benagen an der ihm zugedachten Gouverneurstelle bei der Kadettenanstalt und begab sich über Riga [* 33] nach Petersburg, [* 34] dann nach Warschau. [* 35] Hier lernte er den König Poniatowski persönlich kennen und konnte mit Zuversicht einer glänzenden Stellung entgegensehen, als ein Pistolenduell mit dem Kronmarschall Branicki alle seine Hoffnungen vernichtete.
Nach einem kurzen Aufenthalt bei seiner Mutter in Dresden reiste er über Prag [* 36] nach Wien [* 37] und, da ihm hier die Sittenpolizei ein längeres Verweilen untersagte, über München, [* 38] Augsburg, [* 39] Ludwigsburg, [* 40] Aachen [* 41] nach Paris, wo ihn eine Lettre de cachet zur eiligsten Flucht nach Spanien [* 42] 1767 nötigte. Auch in Madrid [* 43] warteten seiner höchst anziehende Abenteuer und merkwürdige Bekanntschaften. Von hier bald verwiesen, begab er sich über Barcelona [* 44] und Montpellier [* 45] nach Aix, wo er Cagliostro kennen lernte, in welchem er schon damals den Betrüger erkannte.
Mit einem neuen Aufenthalt in
Italien
[* 46]
(Rom und
Neapel) schließen seine
Memoiren 1774. Casanova
trat kurz darauf zu
Venedig in den
Dienst
der Staatsinquisitoren als Polizeiagent oder
Spion, bis ihn die
Beleidigung eines
Edelmanns, Grimani
(dem er großen Dank schuldete),
durch einen allegorischen
Roman 1782 zwang,
Venedig zu verlassen. Casanova
sprach einst zu
Paris an der Tafel
des venezianischen
Gesandten über
Kabbala und
Alchimie mit einer so empfehlenden Sicherheit, daß ihn der anwesende
Graf von
Waldstein aus
Dux in
Böhmen
[* 47] 1785 mit sich nahm. So lebte Casanova
, da das
Alter seiner Abenteuerlust endlich ein
Ziel setzte, auf dem
Schloß
Dux als Bibliothekar und widmete seine Muße wissenschaftlicher Beschäftigung und dem Niederschreiben
seiner
Memoiren. Er starb in
Dux. Casanova
war ein Mann von
Geist und umfassenden Kenntnissen.
Seine
»Mémoires, écrits par luimème« erschienen
Leipzig
[* 48] 1828-38, 12 Bde. (neuere Ausg.,
Par. 1843, 4 Bde.; Brüss.
1859, 6 Bde.; vollständig übersetzt von
Buhl, Berl. 1850-51, 18 Bde.).
Sie sind voll dramatischen
Interesses, gut erzählt und mit philosophischen
Reflexionen erfüllt. Der grenzenlose Cynismus,
mit dem Casanova
seine Liebesabenteuer erzählt, schmälert allerdings ihren künstlerischen Wert. Dennoch aber bleiben
sie für die Kenntnis der
Sitten jener Zeit von großer Wichtigkeit.
Was Casanovas
übrige
Schriften betrifft, so zeugen auch sie von glücklichem
Gedächtnis und vielseitigen Kenntnissen. Wir
nennen: »Istoria delle turbulenze della Polonia dalla morte di Elisabetta Petrowna fino
alla pace fra la Russia e la
Porta ottomana«
(Graz
[* 49] 1774, 3
Tle.);
»Dell' Iliade di Omero, tradotta in ottave rime« (Vened. 1778, 4 Bde.);
»Histoire de ma fuite des prisons de la république de Venise, qu'on appelle les plombs« (Prag 1788; neue Ausg., auch deutsch, Halle [* 50] 1823);
»Icosaméron, ou histoire d'Édouard et d'Élisabeth, qui passèrent quatre-vingt ans chez les Megameickes« (das. 1788-1800, 5 Bde.);
»Solution du probleme déliaque démontrée« (Dresd. 1790);
»Corollaire à la duplication de l'hexaèdre, donne à Dux en Boheme« (das. 1790).
Vgl.
Barthold, Die geschichtlichen Persönlichkeiten in Casanovas
Memoiren (Berl. 1846, 2 Bde.).
3) Francesco, Maler, Bruder der beiden vorigen, ¶
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geb. 1730 zu London, lernte die Historienmalerei bei Simoni in Florenz, widmete sich aber in der Folge zu Paris der Pferde- und
namentlich der Schlachtenmalerei, worin er sich Bourguignon und Bloemen zum Muster nahm. Durch Diderots strenge Kritik aus Paris
vertrieben, begab er sich nach Dresden, wo ihm ein großes Gemälde, das er für die Galerie verfertigte,
viele Bestellungen verschaffte, später nach Wien. Hier malte er für die Kaiserin Katharina II. die Siege der Russen über die
Türken. Er starb in der Brühl bei Wien. Casanovas
Schlachtengemälde geben nur die nackte Wirklichkeit wieder, und
die Einheit des Ganzen geht im Gewühl der Schlacht verloren. Dennoch gefiel er, besonders in England, durch
sein Feuer und den Effekt großer entgegengesetzter Massen von Licht
[* 52] und Schatten.
[* 53]