Byssusdrüse
,
s. Muscheln.
Byssusdrüse
3 Wörter, 27 Zeichen
Byssusdrüse,
s. Muscheln.
[* 3] (Muscheltiere, Blattkiemer, Lamellibranchiata Blainv., Acephala Cuv., Conchifera Latr.),
die unterste Klasse der Mollusken [* 4] (Weichtiere),
deren Atmungsorgane gleich den Blättern eines Buches gestaltet und von der zweiklappigen Schale (daher »Bivalven«),
der Muschel (Concha, daher Conchifera),
umgeben sind (daher »Blattkiemer«). »Kopflose« (Acephala) sind sie, da ihnen im Gegensatz zu den höhern Mollusken ein Kopf, d. h. ein besonderer Abschnitt des Körpers mit Augen, Mund, Tastern etc., abgeht. Derjenige Teil der Muscheln, welcher die Hauptmasse der Eingeweide [* 5] birgt und darum als Rumpf bezeichnet werden könnte, liegt zu innerst. Von seinem obern Rand aus erhebt sich die Haut [* 6] zu einer rechten und linken Falte, dem Mantel, bedeckt ihn auf den Seiten völlig und ragt unten noch über ihn hinaus, so daß ein Raum entsteht, in welchen die Kiemen hereinragen (s. Austern, Abbildung, S. 140). Vom Mantel wird die Schale abgesondert und zwar in der Art, daß Kalksalze zugleich mit einem organischen Stoff (dem Konchiolin) sich auf der Außenfläche des Mantels ablagern und mit dem Wachstum des Tiers gleichen Schritt halten.
Der Mantel selbst ist auf der innern Seite mit Flimmern ausgestattet und trägt an seinem Rande die Drüsen zur Erzeugung der Schalensubstanz und zur Färbung derselben sowie manchmal Tentakeln und in einigen Fällen auch eine Anzahl Augen. Bei vielen Muscheln legen sich die beiden Mantellappen mit ihren freien Rändern aneinander, jedoch bleiben noch zwei Schlitze offen, von denen der vordere zur Einfuhr, der hintere zur Ausfuhr des Wassers dient. Durch jenen, die sogen. Atemöffnung, gelangt das frische Wasser zu den Kiemen und zugleich der in ihm enthaltene Nahrungsstoff zum Mund, während die Exkremente, das Sekret der Nieren, die Geschlechtsprodukte und das verbrauchte Wasser durch die Ausfuhr- oder Kloakenöffnung entleert werden. In sehr vielen Fällen sind aber die Mantelränder fast ganz miteinander verwachsen und stellen so einen Sack dar, in welchem außer jenen Schlitzen auch noch eine Öffnung für den sogen. Fuß (s. unten) bleibt.
Alsdann ist der Mantel häufig in der Richtung nach hinten so weit verlängert, daß die Atem- und Kloakenöffnung an das Ende zweier kürzerer oder längerer Röhren [* 7] (Siphons) zu liegen kommen. Verwachsen nun diese in ihrer ganzen Ausdehnung [* 8] miteinander und werden sie im Vergleich zur Schale sehr groß, so verändern sie die Gestalt des Tiers derart, daß es eher einem Wurm [* 9] als einer Muschel ähnlich sieht; so die Bohrmuschel (Teredo, s. Tafel »Mollusken«). Was die Schale betrifft, so sind ihre beiden Klappen selten vollkommen gleich, bisweilen auffallend unsymmetrisch (Auster); [* 10] die untere, größere erscheint dann tief gewölbt, die obere, kleinere flach, deckelartig; meist schließen ihre Ränder fest aneinander, können jedoch auch an verschiedenen Stellen zum Durchtritt des Fußes, des Byssus, der Siphons klaffen und selbst weit auseinander stehen.
Stets sind sie an der Rückenfläche durch ein horniges Band [* 11] verbunden, welches durch seine Spannung die Klappen zu öffnen strebt, wogegen ineinander greifende Zähne [* 12] und Gruben des obern Schalenrandes (das sogen. Schloß) die feste Verbindung derselben befördern. Zu ihrem Schluß dienen ein oder zwei starke Muskeln, [* 13] welche von Klappe zu Klappe quer durch das Tier hindurchgehen. Sie bestehen aus einer mehr sehnigen Portion, die in ihrer Wirkung dem Schalenband das Gleichgewicht [* 14] hält, und einem stark muskulösen Teil, welcher das plötzliche Zuklappen der Schale besorgt.
Auf der Innenfläche der letztern lassen sich die Ansatzstellen der Muskeln stets deutlich erkennen, wie denn auch derjenige Teil der Mantellappen, welcher den Klappen anliegt, eine Grenzlinie auf ihnen hinterläßt. Vom untern Ende der die Eingeweidemasse umhüllenden Haut- oder Muskelschicht springt nach außen ein besonderer Teil, der Fuß, hervor und kann meist aus der Schale weit herausgestreckt werden. Er dient als hauptsächliches Bewegungsorgan. Aus einer an ihm befindlichen Furche treten bei einzelnen Muscheln lange Fäden einer seidenartigen Substanz, des Byssus (s. d.), hervor und werden mittels des Fußes entweder an die Gegenstände angeheftet, an denen sich die Muschel vor Anker [* 15] legt, oder sogar zu einer Art Nest verwebt.
Von den innern Organen besteht das Nervensystem aus den drei typischen Ganglienpaaren, welche symmetrisch angeordnet sind, und von denen das Oberschlundganglion verhältnismäßig wenig entwickelt ist. Paarige Gehörblasen liegen unterhalb des Schlundes; Augen finden sich teils als einfache Pigmentflecke am Ende der Atemröhre, teils in viel höherer Ausbildung am Mantelrand. Auch Tastorgane sind reichlich vorhanden. Die mit dem Wasser in die Mantelhöhle gelangten Nahrungsstoffe werden durch den Wimperbesatz von zwei Paar Hautlappen (sogen. Mundlappen) der Mundöffnung zugeführt und gelangen ohne weiteres, da Kauwerkzeuge fehlen, in die kurze Speiseröhre, von da in den kugeligen Magen [* 16] und in den langen Darm, [* 17] welcher auf einer frei in den Mantelraum hineinragenden Papille endet.
Das Herz, welches in seine zwei Vorkammern das von den Kiemen kommende arterielle Blut aufnimmt und durch eine vordere und hintere Aorta aus der Kammer weiter befördert, liegt in der Mittellinie des Rückens und wird vom Darm durchbohrt; bei Arca sind zwei dicht nebeneinander gelegene Herzen vorhanden. Die Arterien lösen sich in ein kompliziertes System von Bluträumen auf, welches die Kapillargefäße vertritt. Von diesen geht das Blut teils sofort, teils nachdem es die Nieren passiert hat, in die Kiemen. Diese bilden in der Regel zwei Paar Blätter, welche hinter den Mundlappen entspringen und längs der ¶
Seiten des Rumpfes nach hinten verlaufen. Sie sind von sehr zierlichem und kompliziertem Bau. Die Nieren, nach ihrem Entdecker das Bojanussche Organ genannt, sind paarige Drüsen, welche einerseits mit dem Herzbeutel, anderseits mit der Außenwelt in Verbindung stehen und nicht nur als Harnorgan funktionieren, sondern auch bei vielen Muscheln Eier [* 19] und Samen [* 20] entleeren helfen. Die Geschlechtsorgane münden nämlich nur bei den höhern Muscheln selbständig auf einer besondern Papille aus, während sie bei den niedern sich direkt in die Nieren öffnen.
Sie sind gleich diesen paarig und bestehen aus einer einfachen Keimdrüse. Diese ist nur selten noch ein völliges Zwitterorgan und bereitet so Eier und Samen zugleich, zerfällt häufiger in einen männlichen und weiblichen Abschnitt, ist jedoch bei der großen Mehrzahl der Muscheln entweder Eierstock oder Hode. Indessen auch die getrenntgeschlechtigen Tiere lassen äußerlich nur selten, innerlich zur Laichzeit schon durch die Farbe der Eier, resp. des Samens, sonst aber lediglich an der feinern Struktur der Keimdrüse ihr Geschlecht erkennen.
Übrigens können auch, wie bei der Auster, die Individuen eine Zeitlang als Männchen und darauf als Weibchen fungieren. Die Befruchtung [* 21] erfolgt gewöhnlich im Mantelraum, in welchem auch die Eier später noch längere Zeit verbleiben. In ähnlicher Weise bilden vielfach die Kiemenblätter die Brutstätte für die Embryonen. Die ins Freie gelangten Larven der Meeresmuscheln schwimmen mit einem großen Wimpersegel umher, welches später sich zu den Mundlappen rückbildet, und haben noch eine bedeutende Metamorphose durchzumachen. Die jungen Teich- und Flußmuscheln leben parasitisch an Fischen.
Die Muscheln sind ausnahmslos Bewohner des Wassers, zu vier Fünftel des Meers. In letzterm sind manche Arten an bestimmte Tiefen gebunden, während andre nur die Strandzone bevölkern und sich mittels ihres Byssus zuweilen so hoch anheften, daß sie nur zur Flutzeit unter Wasser sind. Einzelne Arten sind in vertikaler wie in horizontaler Richtung überall verbreitet. Meist leben sie frei und kriechen dann mit Hilfe ihres Fußes mehr oder weniger geschickt umher oder schnellen sich mit demselben vom Boden auf, schießen auch wohl durch den Rückstoß des plötzlich aus der Kloake entleerten Wassers fort oder bewegen sich durch rasches Auf- und Zuklappen der Schale, gewissermaßen fliegend, oft über größere Flächen hinweg.
Doch setzen sich viele frühzeitig mittels ihres Byssus für immer fest oder wachsen gar mit der einen Schale auf Felsen und Gesteinen an, wobei sie sich häufig in großen Gesellschaften zu sogen. Bänken (s. Auster) vereinigen. (Über die eßbaren s. die Artikel »Frutti di mare«, »Clams«, »Messerscheide«, »Miesmuschel«, »Auster«.) In den tropischen Meeren ist die Muschelfauna am reichsten vertreten und nimmt von da nach den Polen zu ab. Fossil erscheinen Muscheltiere schon im Silur.
Man kann im allgemeinen annehmen, daß die Formen ohne Siphons die ältern sind; ihre Zahl wird in jüngern Formationen im Verhältnis zu den mit Siphons versehenen geringer. Die Süßwassermuscheln erlangen in der Tertiärformation [* 22] eine bedeutendere Entwickelung, kulminieren aber erst in der Gegenwart. Von den etwa 14,000 beschriebenen Arten sind 8-9000 fossil. Unter den letztern sind die einmuskeligen die zahlreichsten, während von lebenden Formen die meisten mit Siphons versehene Zweimuskler sind.
Man teilt die Muscheltiere nach dem Vorhandensein oder Fehlen der Siphons, der Zahl der Schließmuskeln etc. in eine große Anzahl Familien ein, von denen die hauptsächlichsten hier kurz genannt werden mögen. Die Ostreidae oder Austern mit nur einem Schließmuskel, sehr kleinem oder auch gänzlich verkümmertem Fuß und meist sehr ungleichen Schalenklappen enthalten die wichtige Gattung Ostrea (Auster, s. d.), die ausgestorbenen Exogyra (s. Tafel »Kreideformation«) [* 23] und Gryphaea [* 24] (s. Tafel »Juraformation [* 25] I«).
Ihnen nahe verwandt sind die Pectinidae (Pilger- oder Kammmuscheln, s. d.) mit vielen Augen am Mantelrand. Zu den Aviculidae oder Perlmuttermuscheln mit zwei Schließmuskeln gehören Meleagrina, die echte Perlmuschel (s. d.), und viele andre, auch fossile Gattungen (Avicula und Posidonomyia, s. Tafel »Triasformation [* 26] I«; Inoceramus, s. Tafel »Kreideformation«). Von den Mytilidae oder Miesmuscheln sind die bekanntesten Mytilus (Miesmuschel, s. d.),
Pinna (Stockmuschel, s. d.),
Lithodomus (Steindattel, s. d.) und Dreissena (Wandermuschel, s. d.). Die Arcadae oder Archemuscheln enthalten die noch lebende Gattung Arca (Arche, s. Tafel »Dyasformation«) und die ausgestorbene Cardiola (s. Tafel »Silurformation«). [* 27] Zu den Trigoniadae gehört Trigonia (s. Tafel »Kreideformation«). Unter den Unionidae oder Najades, den Flußmuscheln, zeichnen sich Anodonta (Teichmuschel, s. d.), Unio (Malermuschel) und Margaritana (Flußperlmuschel) besonders aus.
Alle bisher genannten Gruppen entbehren der Siphons, während die folgenden sie zum Teil in ansehnlicher Länge besitzen. Zu den Chamidae gehört die fossile Gattung Diceras (s. Tafel »Juraformation I«); nahe verwandt sind die Tridacnidae oder Riesenmuscheln (s. d.),
während die ebenfalls hierher gerechnete Familie der Hippuritidae oder Rudistae gänzlich ausgestorben ist (Gattungen Caprina und Hippurites, s. Tafel »Kreideformation«). Unter den Herzmuscheln (s. d.) oder Cardiadae sind die eßbare Gattung Cardium und die fossile Conocardium (s. Tafel »Steinkohlenformation I«) [* 28] bemerkenswert. Ferner sind noch von den Cyprinidae die Gattungen Astarte (s. Tafel »Juraformation I«),
Crassatella (s. Tafel »Tertiärformation I«) und Cardita (s. Tafel »Triasformation«) zu nennen. Bewohner des Süßwassers sind die Cycladidae. Die Myacidae oder Klaffmuscheln haben ihren Namen von dem Umstand, daß die Schalen an beiden Enden offen stehen; sie graben sich so tief in Schlamm und Sand ein, daß nur die langen Siphons herausragen. Zu ihnen gehören Solen (Messerscheide, s. d.), Mya, Panopaea etc. Als die am weitesten, allerdings nur sehr einseitig entwickelten Muscheln können die Tubicolidae und Pholadidae betrachtet werden, die sich zum Teil in Holz [* 29] und Stein tief einbohren (s. Bohrmuscheln) und auf den ersten Blick kaum noch für Muscheln gehalten werden.
Vgl. Cuvier, L'histoire et l'anatomie des Mollusques (Par. 1817);
Keber, Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Weichtiere (Königsb. 1851);
Adams, The genera of the recent Mollusca (Lond. 1853-58);
Hanley, Catalogue of recent bivalve shells (das. 1856).