Bukowina
,
Herzogtum, österreich. Kronland (s. Karte »Ungarn [* 3] etc.«), [* 4]
grenzt nördlich und nordwestlich an Galizien, nordöstlich an Rußland (Bessarabien), östlich und südlich an Rumänien [* 5] (Moldau), westlich an Ungarn-Siebenbürgen (Marmaroser und Bistritzer Komitat) und umfaßt ein Areal von 10,452 qkm (189,8 QM.). Es ist ein Gebirgsland und wird im SW. vom Hauptzug der Karpathen durchstrichen, welche von da in mehreren Parallelzügen und zahlreichen Ausläufern nach NO. abfallen. Der höchste Punkt des Landes ist der 1853 m hohe Dzumaleu.
Außerdem sind der Lukacz (1762 m) und der Tomnatik (1553 m) zu nennen. Über den Borgopaß führt an der Südgrenze die Reichsstraße nach Siebenbürgen. Tiefebene ist nur der nördlichste Teil des Landes (sarmatische Ebene). Nördlich vom Sereth und östlich von Wisznitz bilden den Boden horizontale Schichten blauen, sandigen Mergels und Diluviums; südlich davon erscheint überall der Karpathensandstein, dessen höchste Rücken Konglomerate bilden, und an dessen Fuß Korallenkalke und Steinsalzlager erscheinen; er ist durch Glimmerschieferinseln an der Bistritz gehoben.
Die
Flüsse
[* 6] der Bukowina
gehören zum Gebiet des
Schwarzen
Meers und fließen fast parallel von
NW. nach SO. Sie sind im
Sommer meist
wasserarm; im
Frühling und nach starken Regengüssen übersteigen sie häufig ihre
Ufer und richten arge Verwüstungen an.
Die Hauptflüsse sind außer dem
Dnjestr, der die Bukowina
auf der schmalen nördlichen
Grenze berührt und die
hauptsächlich benutzte Wasserstraße bildet, der
Pruth, der, aus
Galizien kommend, die Bukowina
unterhalb
Sniatyn (wo sich der Czeremosch,
der die Westgrenze des
Landes bildet, mit ihm vereinigt) betritt; ferner der
Sereth, die
Suczawa, die Moldawa mit
der Moldawitza, die goldführende
Bistritz u. a., welche alle in der gebirgigen Westhälfte des
Landes entspringen.
Seen hat das Land nicht; einige
Teiche liegen zwischen dem
Pruth und dem
Dnjestr. Das
Klima
[* 7] ist in der Bukowina
gesund und etwas milder
als in
Galizien. Der
Winter ist übrigens auch hier streng und anhaltend, das Frühjahr kurz, der
Sommer
heiß und meist nur der
Herbst angenehm. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt in
Czernowitz
[* 8] 8,3° C., in den höhern Landesteilen
nur 5,4° C. Die durchschnittliche
Menge des jährlichen
Niederschlags ist 58
cm. Nordwest ist die herrschende Windrichtung.
Die Zahl der Einwohner betrug Ende 1869: 513,404, 1880: 571,671 Individuen. Die Bevölkerung [* 9] vermehrt sich sehr rasch, jährlich fast um 1 Proz. (1780 zählte man nur 79,500 Einw.). Auf 1 qkm kommen 55 Bewohner (in der Bezirkshauptmannschaft Sereth als Maximum 130, in der Bezirkshauptmannschaft Kimpolung als Minimum 20). An Wohnorten zählt man 4 Städte, 6 Märkte und 326 Dörfer. Der Nationalität nach besteht die Mehrzahl der Einwohner im westlichen Teil aus Ruthenen (42 Proz.), im östlichen aus Rumänen (von jenen Wolochy genannt, 33 Proz.); daneben sind gegen 12 Proz. Juden, gegen 8 Proz. Deutsche, [* 10] 3 Proz. Polen, 1¾ Proz. Magyaren und ⅓ Proz. Tschechen.
Der Rumäne steht auf der untersten Stufe der Kultur, ist faul und abergläubisch, zum unsteten Leben und daher zur Viehzucht [* 11] mehr als zum Ackerbau geneigt, liebt über alles Branntwein, Tanz und Gesang, ist übrigens in seinem Anzug reinlich. Der Ruthene, obschon nicht minder dem Branntwein zugethan, ist bei weitem fleißiger, dagegen auch sklavischer und minder reinlich. Die Deutschen zeichnen sich durch Fleiß und Arbeitsamkeit aus, beschäftigen sich größtenteils mit dem Ackerbau, sind aber zum Teil auch Gewerbtreibende, Bergleute, Holzhauer etc. Der Konfession nach gehören 71 Proz. der griechisch-nichtunierten Kirche an, über 11 Proz. sind römisch-katholisch, 3 Proz. griechisch-katholisch, 2½ Proz. evangelisch und gegen 12 Proz. Israeliten.
Von den Bekennern andrer Konfessionen [* 12] sind zu erwähnen die Lipowaner, eine 1783 eingewanderte russische Sekte (etwa 2500 an Zahl), ruhige und arbeitsame Menschen, welche Ackerbau und Obstbaumzucht betreiben und vorzüglich geschickt im Deich- und Kanalbauwesen sind. Sie leben ganz getrennt von der übrigen Bevölkerung und bewohnen drei besondere Dörfer: Klimoutz, Fontina-Alba und Lippoweni. In der Bodenkultur ist seit der Vereinigung mit Österreich [* 13] viel geschehen. Am ergiebigsten ist der Boden zwischen dem Pruth und Dnjestr (wo zwei Drittel des gesamten Ackerlandes liegen) und im Suczawathal, wo die edelsten Obstfrüchte, auch Zucker- und Wassermelonen, in vorzüglicher Güte gedeihen; Weinberge, wiewohl unbedeutend, gibt es gegen die Moldau hin.
In den Gebirgsgegenden wachsen nur Kartoffeln, Hafer [* 14] und Gerste; [* 15] dagegen trifft man daselbst große und üppige Wiesen, wie auch Weiden und Waldungen überall prachtvoll gedeihen. Im ganzen beträgt der nicht benutzbare Boden nur 3 Proz. des Gesamtareals. Das Kulturland zerfällt in 28 Proz. Ackerland (wovon mehr als der vierte Teil mit Mais bestellt wird, der für die gesamte Bevölkerung ein Hauptnahrungsmittel bildet), über 14 Proz. Wiesen und Gärten, gegen 13 Proz. Weiden und 45 Proz. Wald, welcher die östliche Hälfte dicht bedeckt.
Die Durchschnittsernte besteht in 2,250,000
hl Körnerfrucht (davon 42 Proz.
Mais, 21 Proz.
Hafer, 15 Proz.
Gerste, 14 Proz.
Roggen, 6 Proz.
Weizen, im übrigen
Heidekorn,
Hirse
[* 16] etc.); ferner in 12,000
hl
Hülsenfrüchten, 1,650,000
hl
Kartoffeln,
20,000
hl
Rüben, außerdem in
Kraut, Kürbissen,
Tabak,
[* 17]
Anis,
Raps,
Klee,
Flachs und
Hanf. Der
Wald besteht im
Flachland aus
Laubhölzern,
vorzugsweise
Buchen (daher der
Name Bukowina
, »Buchenland«),
auch Ahornbäumen, Erlen und Linden; im Gebirge aus Fichten. Hier kommen wirkliche Urwälder vor, welche fast ganz ertraglos sind. Fast zwei Dritteile aller Waldungen stehen als Kameral- und Fondsbesitz (griechisch-orientalischer Religionsfonds) unter staatlicher Verwaltung; dagegen fehlt in den Privatwaldungen großenteils die rationelle Bewirtschaftung. Der jährliche Holzzuwachs wird mit 1,720,000 Festmeter beziffert. Jagdtiere sind in ziemlicher Zahl vorhanden, werden aber nur auf der Herrschaft Radautz geschont; außerdem werden noch jährlich ein paar Bären und gegen 100 Wölfe erlegt.
Die Viehzucht, für deren Gedeihen die günstigsten Verhältnisse vorhanden sind, hat noch nicht die wünschenswerte Ausdehnung. [* 18] Verhältnismäßig am stärksten ist die Zucht von Hornvieh (1880: 268,389 Stück) und Schafen (156,945 Stück). Letztere werden indessen zur Schlachtung gezogen (der Ertrag an Wolle beläuft sich auf 3500 metr. Ztr.). Für die Pferdezucht [* 19] (1880: 52,715 Stück) besteht das Gestüt von Radautz. Daneben gab es 1880: 127,034 Schweine [* 20] und 7207 Ziegen.
Die
Zucht des Geflügels ist ansehnlich, die
Fischerei
[* 21] dagegen in neuerer Zeit durch Eintrocknung vieler
Teiche auf einen
Ertrag von höchstens 2500 metr. Ztr. herabgesunken.
Bienenstöcke zählt man 24,889 mit einem
Ertrag von 1000 metr.
Ztr. an
Honig und
Wachs, von dem der griechische
Kultus viel verbraucht. In Bezug auf
Mineralien
[* 22] gehört die
Bukowina
zu den wenig begünstigten
Kronländern. Die
Bergwerke liegen im südwestlichen
Winkel,
[* 23] so das Manganerzbergwerk zu
Jakobeny
und das
Salzwerk zu
¶
mehr
Kaczyka (bei Solka); das Kupferbergwerk zu Pozoritta und das Silberbergwerk zu Kirlibaba sind neuerdings außer Betrieb gesetzt.
Die Produktion beschränkte sich 1883 auf den Ertrag des Bergwerks zu Jokobeny an Braunstein mit 26,744 und an Manganeisenstein
mit 13,000 metr. Ztr., dann auf die Salzgewinnung
[* 25] (8910 metr.
Ztr. Steinsalz und 11,394 metr. Ztr. Sudsalz). Die Bukowina
enthält mehrere Mineralquellen, z. B. das schwache
Schwefelwasser von Jakobeny und den Sauerbrunnen von Dornawatra.
Die Industrie ist kaum im Entstehen, selbst das Kleingewerbe nicht in ausreichender Menge vorhanden. Am ausgedehntesten sind die Branntweinbrennereien (37 an der Zahl, welche jährlich 2½ Mill. Hektolitergrade Alkohol aus Mais und anderm Getreide [* 26] produzieren); die 7 Bierbrauereien decken mit ihrem Ertrag (42,000 hl) den geringen Bedarf. Außerdem bestehen 1 Zementfabrik, 3 Glashütten, 11 Dampfmühlen, über 400 Wassermahl- und 90 Sägemühlen. Die metallurgischen Werke zu Jakobeny und Pozoritta haben wegen Unrentabilität den Betrieb eingestellt.
Die ländliche Hausindustrie beschäftigt sich mit Herstellung von Leinwand, Holzgeräten u. a. Der Handel, bei welchem besonders Juden beteiligt sind, erstreckt sich in erster Linie auf die Ausfuhr von Rohprodukten. Schlachtvieh, Häute, Holz, [* 27] Mais etc. gehen im Großhandel über die Grenze, während der Kleinhandel die Fabrikerzeugnisse der westlichen Kronländer vermittelt. Lebhafter Grenzverkehr findet nach Bessarabien und der Moldau statt. Auch der Transithandel ist bedeutend und wird sehr begünstigt durch die Eisenbahn, welche das Land durchschneidet und Lemberg [* 28] über Czernowitz mit Jassy und Odessa [* 29] verbindet.
Mehrere Lokalbahnen (nach Nowosielica, Kimpolung, Berhometh) sind teils im Bau, teils schon vollendet. Außerdem bestehen 3560 km gebaute Straßen, worunter 428 km Reichsstraßen sind. In den größern Orten werden stark besuchte Jahrmärkte abgehalten. Der Stand der geistigen Kultur ist im allgemeinen noch ein sehr niedriger. An Bildungs- und Unterrichtsanstalten bestehen: eine 1875 gegründete Universität in Czernowitz (mit griechisch-orientalisch-theologischer, juristischer u. philosophischer Fakultät, Bibliothek, 40 Lehrern und 275 Hörern), 3 Obergymnasien (Czernowitz, Suczawa und Radautz), eine Oberrealschule (Czernowitz) und eine Unterrealschule (Sereth).
Für den Volksunterricht sind 193 öffentliche Volksschulen errichtet; doch besuchten bis 1875 nur 17 und erst seit 1880: 36 Proz. der schulpflichtigen Kinder den Unterricht, woraus sich erklärt, daß bei der Volkszählung von 1880 unter den Männern 87, unter den Weibern fast 92½ Proz. des Lesens und Schreibens unkundig waren. Außerdem bestehen eine Lehrer- und eine Lehrerinnenbildungsanstalt, eine landwirtschaftliche und eine gewerbliche Mittelschule, dann ein Landesmuseum, sämtlich in Czernowitz. In kirchlicher Hinsicht gehören die römischen, griechischen und armenischen Katholiken (in 43 Kirchspiele zerstreut) unter die betreffenden Lemberger Diözesen, die Evangelischen unter die Lemberger Superintendenz.
Nur die griechisch-orientalischen Christen haben ein eignes Erzbistum zu Czernowitz, das 12 Archipresbyteriate, einen Säkularklerus
von 286 Köpfen und 3 Basilianerklöster mit 54 Mönchen umfaßt. Was die Verfassung betrifft, so besteht der Landtag der Bukowina
aus 31 Mitgliedern,
nämlich: aus dem griechisch-orientalischen Erzbischof von Czernowitz, dem Rektor der Universität, 10 Abgeordneten
der Großgrundbesitzer, 2 Abgeordneten der Landeshauptstadt, 2 der Handels- und Gewerbekammer, 3
der Städte und 12 Abgeordneten
der Landgemeinden.
In das Haus der Abgeordneten des Reichsrats sendet die Bukowina
Mitglieder. An der Spitze der Verwaltung steht die k. k. Landesregierung
in Czernowitz. Gerichtsbehörden sind das Landesgericht zu Czernowitz, das Kreisgericht zu Suczawa und 14 Bezirksgerichte.
Für Handel und Volkswirtschaft wirkt die Handels- und Gewerbekammer zu Czernowitz. Zur Staatseinnahme der Monarchie trägt die
Bukowina
3,713,000 Gulden an Steuern bei. Hauptstadt ist Czernowitz. Die politische Einteilung des Landes in Städte und Bezirkshauptmannschaften
ist aus folgendem zu ersehen:
Bezirke | Areal in QKilom. | QMeil. | Bevölkerung 1880 | auf 1 qkm |
---|---|---|---|---|
Czernowitz (Stadt) | 14.60 | ) | 45600 | - |
Czernowitz (Umgeb.) | 917.41 | ) 17.0 | 80997 | 88 |
Kimpolung | 2336.89 | 42.4 | 38702 | 16 |
Kotzmann | 837.52 | 15.2 | 81087 | 97 |
Radautz | 2136.56 | 38.7 | 81410 | 38 |
Sereth | 518.78 | 9.4 | 49804 | 96 |
Storozynetz | 1150.76 | 20.9 | 61344 | 53 |
Suczawa | 1037.59 | 18.9 | 76210 | 73 |
Wisznitz | 1501.49 | 27.3 | 56517 | 38 |
Zusammen: | 10451.56 | 189.8 | 571671 | 55 |
Geschichte. Die Bukowina
erscheint dem Namen nach bereits 1482 in einem Vertrag König Siegmunds von Ungarn mit König Wladislaw von
Polen als Schutzherren der Moldau und zwar als größeres Waldgebiet Bukowina
zwischen den ungarisch-siebenbürgischen Grenzbergen,
der Moldau und dem Sereth bis zu einem andern Waldgebiet, der Kleinen am Fluß Pruth. Die älteste Ansiedelung
war offenbar ruthenisch; seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrh. begannen die Rumänen vorzuherrschen.
Später gesellten sich Polen, Armenier, Griechen und seit dem 17. Jahrh. Magyaren zu. Suczawa war bis ins 17. Jahrh. die Residenz der Moldauer Hospodare, was dann Jassy wurde, Czernowitz (rumän. Czernauz) Sitz eines Starosten mit dem Rang eines Bojaren der Moldau, beide unter türkischer Oberhoheit. Die erste Teilung Polens zog auch die in das Getriebe [* 30] der großen Politik. 1769 wurde sie von den Russen erobert, 1774 wieder zurückgegeben, dann im nämlichen Jahr von Österreich militärisch besetzt und an dieses durch die Konvention vom förmlich abgetreten.
Infolgedessen erhielt das Land eine eigne Militäradministration; diese wurde jedoch aufgehoben und die Bukowina
mit
Beibehaltung ihrer eignen landständischen Verfassung unter die Verwaltung des Königreichs Galizien gestellt. Seit 1849 bildet
sie ein besonderes Kronland der österreichischen Monarchie.
Vgl. »Heimatskunde der Bukowina«
(Czernowitz 1871);
Bidermann, Die unter der österreichischen Verwaltung 1775-1875 (Lemberg 1876);
A. Ficker, Hundert Jahre, 1775-1875 (»Statist. Monatsschrift«, Bd. 1);
Franzos, Aus Halbasien (Leipz. 1876);
Jandaurek, Das Königreich Galizien, Lodomerien und das Herzogtum
Bukowina
(Wien
[* 31] 1884);
Slavici, Die Rumänen in Ungarn, Siebenbürgen und der Bukowina
(Teschen 1881).