Bußtag
,
früher gewöhnlich
Buß-,
Bet- und Fasttag genannt, ein kirchlich angeordneter Festtag, der vor andern den
Menschen veranlassen soll, über sich und sein Verhältnis zu Gott nachzudenken und
Buße zu thun. Besondere
Bettage gab es
schon bei den
Römern, wenn große Unglücksfälle den
Staat bedrohten oder trafen, zur Sühnung der zürnenden
Gottheit. Auch die Lange Nacht bei den
Juden ist ein solcher Bußtag
In der christl.
Kirche werden regelmäßige Bußzeiten (dies
rogationum) und außerordentliche für besondere Notfälle (dies supplicationum) unterschieden.
Als feststehende
Buß-,
Bet- und Fastenzeit galt in der alten
Kirche die österliche Fastenzeit (Quadragesima),
wozu bald die Adventszeit und im Mittelalter noch zwei andere Bußzeiten, zwischen
Ostern und
Pfingsten sowie im Herbst gefügt
wurden. Hieraus gingen die sog. Quatembertage (s. Quatemberfasten)
hervor, sodaß alle vier Jahreszeiten
[* 3] ihre Bußzeiten hatten.
Deren
Beobachtung ist in der evang.
Kirche allmählich
überall zu Gunsten der von den Landesobrigkeiten angeordneten Landesbußtage
verschwunden. In
Beziehung auf diese herrschte
die größte Mannigfaltigkeit.
Mecklenburg
[* 4] hatte vier Bußtag:
Freitag nach
Invocavit, Karfreitag, 5.
Sonntag nach Trinitatis, Freitag vor 1.
Advent. Zwei Bußtag
hatten
Sachsen
[* 5] (die Freitage vor Oculi und vor dem letzten
Sonntage nach Trinitatis),
Weimar
[* 6] und Gotha
[* 7] (gemeinsam
Karfreitag und Freitag nach dem 1.
Advent). Nur einen Bußtag:
Großherzogtum Hessen
[* 8] (Palmsonntag),
Baden
[* 9] (letzter
Sonntag nach Trinitatis),
Braunschweig
[* 10] (Mittwoch nach 7. Nov.),
Bayern
[* 11] und
Württemberg
[* 12] (gemeinsam
Invocavit),
Preußen
[* 13] und
Anhalt
[* 14] (gemeinsam Mittwoch nach
Jubilate),
Oldenburg
[* 15] (Freitag vor
Invocavit), die
Schweiz
[* 16]
(Sonntag nach 14. Sept.). Auch viele ganz kleine Gebiete, z. B.
die fünf hannov. Konsistorialbezirke, hatten eigene Bußtag
, die nur zum
Teil mit andern zusammenfielen. Diese Zustände wurden,
wenigstens für Norddeutschland, beseitigt durch das preuß. Gesetz vom nach welchem
für
Preußen, mit Ausnahme der hohenzoll.
Lande, der Bußtag
vom Mittwoch nach
Jubilate auf den Mittwoch vor
dem letzten Trinitatissonntag verlegt wird. Dieser 1893 in Kraft
[* 17] getretenen Ordnung haben sich angeschlossen: das Königreich
Sachsen (dessen anderer Bußtag
jetzt auf den Mittwoch vor Oculi fällt), die sächs.
Herzogtümer,
Braunschweig,
Anhalt, beide
Schwarzburg,
[* 18] Reuß
[* 19] j. L., Waldeck,
[* 20] Schaumburg-Lippe und die drei Hansestädte. In
Oldenburg und
Lippe-Detmold muß erst noch der Zusammentritt der
Synode (1895) abgewartet werden.
Ausgeschlossen haben sich und ihre bisherigen Bußtag
beibehalten: die beiden
Mecklenburg, Reuß ä. L. und die süddeutschen
Staaten.
Um dem neuen norddeutschen Bußtag
den Charakter eines kirchlichen Feiertags zu geben, haben die kath.
Bischöfe einen kath. Heiligentag auf ihn verlegt. In
Österreich
[* 21] feiert die reform.
Kirche einen gemeinsamen
am ersten Adventssonntag, während den luth. Gemeinden 1883 freigestellt ist, den, wie der vorige,
unter
Joseph II. für sie
angeordneten Bußtag
von dem ursprünglich dafür festgesetzten 8. Dez. auf einen der Adventssonntage zu verlegen.