Brakteaten
(lat. Nummi bracteati, »Blechmünzen«),
modernes Kunstwort, mit welchem man die aus dünnem
Silber-, sehr selten Goldblech bestehenden, nur auf einer Seite geprägten
deutschen
Münzen
[* 2] des
Mittelalters bezeichnet, deren inschriftlich überlieferter
Name im 12. Jahrh. Denarius
war (z. B. auf Brakteaten
von
Mühlhausen).
[* 3] Die Brakteaten
treten schon
vor der Mitte des 12. Jahrh. auf, zeigen unter dem
Kaiser
Konrad III.
bereits sehr zierliches Gepräge und werden während der Regierungszeit
Friedrich
Barbarossas in dem größten Teil Norddeutschlands,
namentlich in
Magdeburg,
[* 4]
Halberstadt,
[* 5]
Goslar,
[* 6]
Braunschweig,
[* 7]
Brandenburg,
[* 8]
Sachsen
[* 9] etc., die allein übliche
Münzsorte.
In der zweiten Hälfte des 12. Jahrh. sind diese
Stücke meist von der
Größe eines Zweimarkstücks und oft von außerordentlicher
Vollendung und
Schönheit.
Beispiele des zierlichsten Stempelschnittes sind manche Brakteaten
Friedrich
Barbarossas,
Heinrichs des Löwen,
der brandenburgischen
Markgrafen
Albrecht I. und
Otto I.,
Bernhards von
Sachsen, der
Bischöfe von
Halberstadt,
der
Erzbischöfe von
Magdeburg, der Äbtissinnen von
Quedlinburg
[* 10] und des am östlichsten Ende damaliger
Kultur wohnenden Jacza,
Beherrschers von
Köpenick.
Meistens tragen diese Brakteaten
das stehende oder thronende
Bild des
Fürsten, gewöhnlich von zierlichen kleinen Gebäuden,
Mauern
und Türmchen umgeben, und erklärende lateinische Beischrift, welche oft ihrer Form wegen merkwürdig
ist: z. B. FRIDERICVS IMPERATO(R), B(E)RNH(A)RDVS. SVM. EGO. DNHARIVS (denarius), BVRCHARD.
HELT. DVCIS BERN (d. h.
Burkard
Helt, Aufseher der Münzprägung des
Herzogs
Bernhard) etc.
Höchst wichtig ist ein im
Berliner
[* 11] Museum aufbewahrtes
Stück des
Markgrafen
Otto I. von
Brandenburg (1170-84) als das älteste
Beispiel einer
rein deutschen Münzaufschrift: MARCGRAVE OTTO, während sein Nachbar Jacza von
Köpenick sich slawisch: IAKZA.
COPTNIK. CNE
(Knäs) nennt. Neben den Brakteaten
bleibt der von alters her übliche kleine, auf beiden Seiten geprägte
Denar in andern
Gegenden bestehen, ja am Ende des 12. Jahrh. prägen sogar dieselben
Fürsten und
Denare. Allmählich wird
das Gepräge der Brakteaten
roher, im 13. Jahrh. dominieren die unförmlich großen,
rohen sächsischen Gepräge, die
Inschrift wird mit der Zeit kürzer; von barbarisierter Umschrift sinnloser
Buchstaben bietet
bereits das 12. Jahrh. viele
Beispiele. In späterer Zeit sind besonders kleine, meist schriftlose Brakteaten
, meist mit Wappenbildern,
vorherrschend, in
Nord- und Süddeutschland, auch in der
Schweiz,
[* 12] wo wir (z. B. in Basel)
[* 13] auch bisweilen kleine Goldstücke der Art
finden.
Kleine
Hohlmünzen (Hohlpfennige) wurden noch bis ins 17. Jahrh. geprägt.
Halbbrakteaten
nennt man dünne, auf beiden Seiten geprägte Mittelaltermünzen, welche das Gepräge der einen Seite zum
Teil auf der andern vertieft zeigen und deshalb meist sehr undeutlich sind, so z. B.
die durch einen bei
Wetzlar
[* 14] gemachten
Fund häufig gewordenen
Stücke des
Königs
Philipp von
Schwaben. Die nordischen, skandinavischen
Goldbrakteaten
sind nicht
Münzen, sondern Schmuckstücke und zeigen phantastische Gestalten, meist mit Runeninschriften;
vgl.
Worsaae, Über Goldbrakteaten
(dän., Kopenh. 1870).
Die Brakteaten
gehören in historischer, künstlerischer wie sprachlicher Hinsicht zu den wichtigsten
Denkmälern
Deutschlands
[* 15] und haben eine zahlreiche Litteratur.
Schon im 18. Jahrh. schrieb
Seeländer gelehrte Werke über Brakteaten
, war aber zugleich ein geschickter Fälscher, dessen Machwerke
zum Teil auch jetzt noch nicht ungefährlich sind. Die erste wirklich wissenschaftliche Behandlung der
Brakteaten
lieferte
Mader
(»Versuch über Brakteaten«
,
Prag
[* 16] 1797 u. 1808, 2 Hefte). In neuer Zeit haben einige großartige
Funde aus der klassischen
Periode der Brakteatenzeit
, der zweiten Hälfte des 12. Jahrh., besondere Wichtigkeit
erlangt: der
Odenwälder
Fund, der Frecklebener (vgl.
Stenzel, Der Brakteatenfund
von Freckleben in
Anhalt,
[* 17] Berl. 1862), der
Trebitzer (von Erbstein publiziert), der von Bünstorf (von
Dannenberg besprochen) u. a.
Vgl. Schlumberger, Des bractéates de l'Allemagne (Par. 1873), und zahlreiche Aufsätze in den »Münzstudien«, der »Zeitschrift für Numismatik«, den Berliner »Blättern für Münzkunde« u. a. von Grote, Dannenberg, J. ^[Julius] und A. Erbstein u. a.
Vgl. auch Tafel »Münzen des Mittelalters etc.«, [* 1] Fig. 6 u. 7.