Titel
Boito
,
1) Camillo, ital. Kunstschriftsteller und Kritiker, geb. zu Rom, [* 2] bildete sich auf der Akademie in Venedig [* 3] zum Architekten aus, ging aber dann noch auf die Universität zu Padua, [* 4] um sich auch wissenschaftliche und litterarische Bildung anzueignen. Seines politischen Verhaltens wegen aus den österreichischen Provinzen Italiens [* 5] ausgewiesen, nahm er 1856 seinen Aufenthalt in Toscana und schrieb Kunstkritiken für den »Spettatore«. 1860 wurde er zum Professor der Architektur an der königlichen Akademie zu Mailand [* 6] ernannt, wo er seitdem wirkte.
Mit seiner Lehrthätigkeit verband aber auch die Lösung praktischer Aufgaben und leitete unter anderm den Bau des Museums in Padua. Seit 1872 ist er zugleich Mitglied des Consiglio superiore per le belle arti im italienischen Unterrichtsministerium. Als Schriftsteller verschaffte er sich ungewöhnliches Ansehen durch die Werke: »Scultura e pittura d'oggi« (Turin [* 7] 1877);
»Leonardo e Michelangelo« (Mail. 1878);
»L'architettura del medio evo in Italia« mit einer Einleitung über den Zukunftsstil der italienischen Architektur (das. 1880) und »Gite di un artista« (das. 1884).
Außerdem gab er »Ornamenti di tutti gli stili classificati in ordine storico« (Mail. 1880) heraus und schrieb zahlreiche Artikel für den »Politecnico« und die »Nuova Antologia«; auch mit einer belletristischen Leistung: »Storielle vane« (das. 1876-79, 2 Bde.), ist er hervorgetreten. Auf praktisches, fachmännisches Wissen gestützt, gilt die Autorität dieses Kritikers als eine maßgebende in Italien. [* 8]
2) Arrigo, ital. Komponist und Dichter, geb. zu Padua, stammt mütterlicherseits aus einer polnischen Familie (Radolinski) und erhielt seine musikalische Ausbildung am Mailänder Konservatorium besonders durch Mazzucato. Wiederholte Reisen nach Paris [* 9] sowie nach der Heimat seiner Mutter machten ihn mit der deutschen Musik bekannt und erweckten seine Begeisterung für Wagner, dem er als Komponist nacheifert. Nachdem er sich zuerst mit den Kantaten: »Il quattro giugno« (1860) und »Le [* 10] sorelle d'Italia« einen Namen gemacht, trat er 1868 mit der Oper »Mefistofele« (nach Goethes »Faust«) hervor, welche in Mailand vollständig durchfiel, seitdem aber mehr und mehr Beachtung findet (sie hatte bei einer wiederholten Aufführung 1875 in Bologna großen Erfolg, ebenso 1880 in Hamburg). [* 11]
Weitere
Kompositionen von Boito
sind die
Opern: »Ero e Leandro« und »Nerone«
(beide noch nicht aufgeführt) und die »Oda all' arte« (1880).
Als Dichter gehört Boito
der in
Italien jetzt stark zur Geltung kommenden realistischen oder »veristischen«
Schule an und beweist eine große Vielseitigkeit. Er verfaßte außer den
Texten für seine
Opern und Gesangswerke noch
eine
Reihe lyrischer
Dramen: »La Gioconda«,
»Pier Luigi
Farnese«, »Zoroastro«, »Iram«;
ferner ein »Libro dei versi« (Gedichtsammlung),
sowie eine Anzahl Novellen (»L'alfiero nero«, »Il pugno chiuso«, »Honor«, »Il trapezio«, »Iberia« etc.),
seltsam und phantastisch wie ihre Titelüberschriften.