Titel
Blut
(Sanguis), eine
Flüssigkeit, welche in einem geschlossenen Röhrensystem in beständigem
Kreislauf
[* 2] den tierischen
Körper durchströmt, hierbei den einzelnen Körperteilen ihr Nährmaterial liefert, aber auch die
durch den
Stoffwechsel unbrauchbar gewordenen Gewebsbestandteile aufnimmt
und sie zum
Zweck der
Ausscheidung in besondere
Organe
leitet. Das Blut
bildet somit gewissermaßen den
Mittelpunkt der gesamten
Ernährung. Seine Verluste ersetzt es durch Ausnahme
neuer
Stoffe aus der aufgenommenen
Nahrung sowohl als aus der
Luft.
Das Blut
zeigt bei den verschiedenen Tierklassen große
Abweichungen; das der
Wirbeltiere besitzt eine rote
Farbe (nur der auf
der niedersten
Stufe der
Entwickelung stehende
Amphioxus lanceolatus hat farbloses Blut
), das der Wirbellosen hingegen zeigt nur
in wenigen Abteilungen einen ähnlichen
Farbstoff, in der
Regel ist es farblos oder gelblich (sogen. weißes
Blut
). Das Blut der
Wirbeltiere ist eine rote, alkalisch reagierende
Flüssigkeit, welche selbst in den dünnsten
Schichten undurchsichtig
ist und welche aus einer farblosen, klaren
Flüssigkeit (plasma sanguinis) und zahlreichen mikroskopischen Körperchen, Blut
körperchen,
besteht. Das frische hat meistens einen eigentümlichen
Geruch, der je nach den Tiergattungen verschieden
und für einzelne, z. B.
Katze,
[* 3]
Hund,
Schaf,
[* 4]
Ziege, ziemlich charakteristisch ist. Das
spezifische Gewicht des Bluts
schwankt
zwischen 1,040 und 1,075.
Die Blut
körperchen.
Man unterscheidet zwei Arten von Blutkörperchen, nämlich die roten und die farblosen; die letztern sind im B. gesunder Wirbeltiere nur in spärlicher Menge enthalten. Die roten Blutkörperchen oder Blutscheiben (1658 von Swammerdam entdeckt) bilden beim Menschen [* 1] (Fig. a) und bei den Säugetieren runde, in der Mitte verdünnte (bikonkave) Scheiben, während sie bei den übrigen Wirbeltieren [* 1] (Fig. b-e) eine elliptische Form besitzen. Der Gehalt des Bluts an Körperchen beträgt normal 30-40 Proz. seines Gesamtvolumens. Die Größe der roten Scheiben schwankt auch bei einem und demselben Individuum, wie sich das aus folgender Tabelle ergibt:
Größe in 1/1000 mm | |||
---|---|---|---|
Maximum | Minimum | ||
1) Säuger | Mensch | 8.50 | 6.00 |
Affen | 7.58 | 6.85 | |
Fledermäuse | 6.85 | 5.70 | |
Nagetiere | 8.00 | 6.00 | |
Raubtiere | 7.75 | 4.44 | |
Dickhäuter | 9.26 | 5.65 | |
Wiederkäuer | 6.45 | 2.07 | |
Beuteltiere | 7.47 | 6.25 | |
Walfische | 8.20 | 6.67 | |
2) Vögel | Längendurchmesser | 16.95 | 9.09 |
Querdurchmesser | 9.52 | 6.33 | |
3) Reptilien | Längendurchmesser | 22.73 | 14.71 |
Querdurchmesser | 21.28 | 9.26 | |
4) Amphibien | Längendurchmesser | 62.50 | 20.83 |
Querdurchmesser | 33.33 | 12.82 | |
5) Knochenfische | Längendurchmesser | 16.39 | 9.09 |
Querdurchmesser | 10.53 | 6.37 | |
6) Knorpelfische | Längendurchmesser | 32.26 | 25.64 |
Querdurchmesser | 19.23 | 12.66 | |
7) Rundmäuler | 14.71 | 11.49 |
Neben diesen Blutscheiben werden noch besonders kleine, mehr rundliche, nicht scheibenförmige Körperchen angetroffen. Man bezeichnet sie als Mikrocyten. Bei erwachsenen gesunden Individuen finden sie sich nur spärlich, reichlicher bei jugendlichen Individuen sowie bei anämischen Erkrankungen.
Die roten Blutscheiben sind so zahlreich vertreten, daß z. B. 1 cmm Menschenblut ca. 5 Mill. dieser Gebilde enthält. Trotz der geringen Größe eines einzelnen Blutkörperchens repräsentieren die sämtlichen im Organismus vorhandenen Scheiben eine ganz enorme Oberfläche. Schätzt man die Blutmenge eines Menschen auf 440 ccm, und veranschlagt man mit Welcker die Oberfläche eines jeden Blutkörperchens auf 0,00012 qmm, so beträgt diejenige der gesamten Blutkörperchen 2816 qm oder eine Quadratfläche, welche auf kürzestem Weg zu durchschreiten 80 Schritt kostet. Die roten Blutscheiben erteilen dem Blut seine Farbe und machen es zugleich undurchsichtig. Einzeln unter dem Mikroskop [* 5] betrachtet, erscheinen sie ¶
mehr
blaßgelb, mehrfach übereinander geschichtet aber rot. Von oben gesehen, erscheinen sie als runde Scheiben [* 6] (Fig. a 1), welche in der Mitte ihrer Oberfläche eine Vertiefung zeigen und von einem dickern Rand umgeben sind. Von der Kante gesehen [* 6] (Fig. a 2), erscheinen sie biskuitförmig, woraus ihre bikonkave Gestalt erkannt ist. Im mikroskopischen Präparat findet man zahlreiche geldrollenähnliche Aggregate von Blutscheiben [* 6] (Fig. a 3). In der Gestalt der roten Scheiben sind zwei mechanische Grundformen repräsentiert, nämlich diejenige der Scheibe und die des Ringes. Letztere tritt uns in der Peripherie entgegen. Diese Kombination ist die denkbar günstigste, um bei Anwendung einer möglichst geringen Masse eine große Oberfläche und zugleich eine bedeutende Festigkeit [* 7] zu erzielen.
Die roten Blutkörperchen sind im frischen Zustand außerordentlich geschmeidig und beweglich und deshalb im stande, schon bei sehr mäßigem Druck Öffnungen zu passieren, welche geringern Durchmesser als sie selbst haben. So ist man z. B. nicht im stande, die Blutscheiben durch Filtration mittels Fließpapiers von dem Plasma zu trennen; die frischen Blutkörperchen vermögen vielmehr selbst die engen Poren des Papiers zu passieren. Hat man aber die Körperchen durch Glaubersalzlösung gehärtet, so bleiben sie jetzt auf dem Filter zurück, und es fließt ein fast farbloses Filtrat ab. Neben der großen Geschmeidigkeit kommt den frischen Blutkörperchen eine bedeutende Elastizität zu, vermöge deren sie sofort in ihre alte Form zurückkehren, sobald sie durch Schleudern gegen die Gefäßwand oder beim Durchpressen durch die Kapillaren die absonderlichsten Gestalten angenommen haben.
Die Blutscheiben enthalten einen roten Farbstoff, das Hämoglobin (s. d.), welcher für die Atmung von außerordentlicher Bedeutung ist. Diesen Farbstoff vermag man von den Körperchen zu trennen; er tritt dabei in das Plasma über und färbt dieses rot. Bei dieser Trennung verliert das Blut seine undurchsichtige Beschaffenheit, es hört auf, Deckfarbe zu sein, und wird durchsichtig und lackfarbig. Eine derartige Beschaffenheit erhält das Blut beim Erwärmen auf 60°, beim öftern Gefrierenlassen und Auftauen, beim Verdünnen mit Wasser, beim Versetzen mit Galle oder Gallensäuren, mit Äther, Alkohol, Chloroform, Schwefelkohlenstoff und auf zahlreiche andre Arten.
Der rote Farbstoff, das Hämoglobin, ist ein kristallisierbarer und eisenhaltiger Eiweißkörper, dessen Kristalle [* 8] zu den prachtvollsten Gebilden der organischen Chemie zählen. Sie sind in Wasser, leichter noch in schwach alkalischen Flüssigkeiten löslich. Diese Lösungen zersetzen sich nach einigen Tagen, besonders in der Wärme, [* 9] und erscheinen dann bei auffallendem Licht [* 10] schmutzig braunrot, bei durchfallendem Licht aber grün. Das Hämoglobin, dem überhaupt nur eine sehr geringe Beständigkeit zukommt, zerfällt hierbei in Eiweißkörper und Hämatin, einen Farbstoff, dem man sehr häufig in alten Blutextravasaten begegnet.
Das Hämoglobin verbindet sich mit Sauerstoff außerordentlich leicht (1 g Hämoglobin vermag 1,2-1,3 ccm Sauerstoff aufzunehmen) und bildet Oxyhämoglobin, dessen Lösung zinnoberrot ist, während die des Hämoglobins dunkel kirschbraun erscheint. Die Verschiedenheiten in der Farbe zwischen arteriell und venösem Blut sind auf einen größern Gehalt des erstern an Oxyhämoglobin zurückzuführen. Die Aufnahme des Sauerstoffs ist innerhalb weiter Grenzen [* 11] vom Luftdruck abhängig, denn erst bei einem Absinken desselben jenseit 30 mm Quecksilber verliert das Oxyhämoglobin merkliche Mengen von Sauerstoff. An leicht oxydierbare Körper hingegen gibt es den Sauerstoff schnell ab.
Außer dem Hämoglobin enthalten die Blutscheiben noch Eiweißkörper, geringe Mengen von Lecithin und Cholesterin, mineralische Bestandteile und Wasser. Hinsichtlich der Salze zeigt sich ein großer Unterschied zwischen Blutkörperchen und Blutflüssigkeit. Während nämlich letztere sehr reich an Chlor und Natrium ist, kommen diese Stoffe den Blutscheiben kaum zu, und man trifft in diesen große Quantitäten von Kalium und Phosphorsäure an, Stoffe, welche die Blutflüssigkeit nur in sehr geringer Menge enthält.
Die farblosen Blutkörperchen (weiße Blutkörperchen, Lymphkörperchen, Wanderzellen, Leukocyten, [* 6] Fig. f g) wurden 1770 von Hewson entdeckt. Sie bestehen aus leicht beweglichen Protoplasmamassen, die in den verschiedensten Gestalten erscheinen, und denen nur im Zustand starker Reizung oder nach dem Absterben eine bestimmte Form, die sphärische, zugeschrieben werden kann. Die Gebilde sind ohne jede Umhüllungshaut und bergen in ihrem Innern einen, mitunter auch mehrere Kerne und zahlreiche kleine, stark lichtbrechende Körnchen.
Ihre Größe schwankt innerhalb weiter Grenzen, doch sind sie im B. der Säugetiere fast stets größer als die roten Blutscheiben. Ihre Menge ist nur gering, unter normalen Verhältnissen dürfte ein farbloses Körperchen auf 350-500 rote Scheiben kommen. Der chemische Bau und die Lebensthätigkeit der farblosen Blutkörperchen sind uns nur sehr mangelhaft bekannt. Besonders in die Augen springend ist die Fähigkeit der Körperchen, ihre Gestalt zu verändern und Bewegungen auszuführen. In passenden Nährflüssigkeiten und bei Temperaturen von 30 bis 40° kann man beobachten, wie das Körperchen einen oder mehrere Fortsätze ausschickt, die allmählich an Umfang zunehmen und sich derartig flächenhaft ausbreiten, daß sie nach einiger Zeit der übrigen Zellmasse an Umfang nicht nachstehen.
Bald erblickt man die ganze Zelle [* 12] da, wo früher nur ein schmaler Fortsatz beobachtet wurde. Indem Protoplasmafäden sich bald hier, bald dahin ausbreiten und den übrigen Körper nachfließen lassen, kommen Ortsveränderungen zu stande, welche lebhaft an diejenigen der auf der niedersten Stufe der Lebensformen stehenden Amöben erinnern, und welche man deshalb als die amöboiden Bewegungen der farblosen Blutkörperchen bezeichnet hat. Die Körperchen vermögen auch feste Partikelchen ihrem Zellleib einzuverleiben, indem dieselben zunächst von Protoplasmafortsätzen umfaßt werden.
Kraft [* 13] ihrer amöboiden Bewegungen vermögen die farblosen Blutkörperchen selbst die anscheinend ganz impermeabeln Wandungen der feinsten Blutgefäße zu durchbohren, ein Vorgang, den man als Auswanderung der farblosen Blutkörperchen bezeichnet hat, und der zuerst von Waller, später von Cohnheim beobachtet worden ist. Der nähere Vorgang bei dieser Auswanderung (Diapedesis) gestaltet sich folgendermaßen: Die farblosen Blutkörperchen haben im allgemeinen die Eigentümlichkeit, sich nicht im Achsenstrom fortzubewegen, sondern längs der Gefäßwandung in ruhigerer Bewegung dahinzugleiten;
oftmals sieht man, wie ein farbloses Blutkörperchen gar nicht mehr vom Strom fortgerissen wird, sondern wie es sich der Wandung des Gefäßes fest anlegt. Es verliert nun bald die bis dahin mehr oder weniger sphärische Gestalt und beginnt aktive Bewegungen auszuführen.
Hat man die farblosen Blutkörperchen mit feinkörnigen Farbstoffen ¶
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(Zinnober) [* 15] gefüttert, so sieht man nach einiger Zeit sehr deutlich, wie es den Protoplasmafortsätzen des Körperchens gelungen ist, sich durch die Gefäßwand hindurchzubohren. Bald erscheint außerhalb des Gefäßes eine unregelmäßig gestaltete Protoplasmamasse, welche nach und nach an Umfang zunimmt, während in demselben Verhältnis der im Innern des Gefäßes noch rotierende Teil des Körperchens an Masse einbüßt. Schließlich ist innerhalb des Gefäßes nur noch ein kleiner, runder Punkt anzutreffen, endlich wird auch dieser von dem außerhalb des Gefäßes liegenden Zellleib angezogen, und das Blutkörperchen liegt jetzt außerhalb des Gefäßes in den Lymphspalten oder in den Maschen des Bindegewebes, um von hier aus weiter zu wandern.
Welche Bedeutung die Diapedesis für die Physiologie hat, ob das farblose Blutkörperchen bei seiner Wanderung den Geweben Ergänzungs- oder Nährmaterialien bestimmter Art zuträgt, oder ob es bei seiner Wanderung Funktionen andrer Art ausübt, ist noch völlig dunkel. Wie die farblosen, so vermögen auch die roten Blutkörperchen die Gefäßwandung zu durchwandern; indessen ist die Diapedesis dieser Gebilde innerhalb der physiologischen Grenzen nur unbedeutend. Übrigens wird die Diapedesis der roten Blutkörperchen immer erst nach dem Austritt der farblosen angetroffen.
Blutplasma und Serum.
Die von den Blutkörperchen befreite Blutflüssigkeit bildet das Blutplasma. Die Gewinnung desselben hatte früher mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen, ist aber seit der Entdeckung, daß man durch Injektion [* 16] kleiner Mengen von Pepton in die Blutbahnen eines lebenden Tiers dem Blut seine Gerinnungsfähigkeit vorübergehend vollständig zu rauben vermag, außerordentlich einfach. Sammelt man peptonhaltiges in Cylindergläsern auf, so senken sich die Blutkörperchen, und es sammelt sich oben eine Schicht einer ganz klaren Flüssigkeit von mehr oder weniger bernsteingelber Farbe an, welche reines Plasma darstellt.
Dieses besitzt eine alkalische Reaktion und enthält ca. 90 Proz. Wasser, 7-9 Proz. Eiweißstoffe verschiedener Art, geringe Mengen von Harnstoff, Kreatin und andre stickstoffhaltige Zersetzungsprodukte, Traubenzucker, Fett, Cholesterin, Lecithin und mineralische Bestandteile. Unter letztern befindet sich besonders Natrium in Verbindung mit Chlor und Kohlensäure. Auf anderm als auf dem eben beschriebenen Weg ist reines Plasma nur mühsam zu gewinnen wegen der schnell eintretenden Gerinnung des Bluts.
Kurze Zeit nach dem Aufsammeln des Bluts erstarrt es nämlich zu einer weichen, roten Gallerte. Dieser Prozeß beruht darauf, daß gewisse Eiweißkörper in den festen Zustand übergehen, wodurch das Fibrin (Faserstoff) gebildet wird. Nach einiger Zeit beginnt das Gerinnsel sich zusammenzuziehen und fester zu werden, wobei es eine völlig klare Flüssigkeit, das Blutwasser (Serum), austreibt. Der feste, rote Kuchen heißt Blutkuchen (placenta sanguinis), er besteht aus vielfach sich durchkreuzenden, mikroskopisch seinen Fäden von Faserstoff (Fibrin), in dessen Zwischenräumen Nester von Blutkörperchen angetroffen werden.
Reiner als auf diesem Weg erhält man das Fibrin durch Quirlen von frisch gelassenem Aderlaßblut mit einem Glas- oder Holzstäbchen (Defibrination des Bluts); der Faserstoff scheidet sich hierbei in Form langer, elastischer Fäden aus, die, von eingeschlossenen roten Blutscheiben durch längeres Auswaschen völlig befreit, weiß und im feuchten Zustand höchst elastisch sind. Der Fibringehalt des Bluts ist überraschend gering; er beträgt höchstens 7, meistens aber nur 2 pro Mille. Die Schnelligkeit und Vollständigkeit der Gerinnung wird durch zahlreiche Einflüsse vielfach modifiziert.
Verzögern läßt sich die Gerinnung: durch Abkühlung des Bluts, Auspumpen des Sauerstoffs, Sättigung des Bluts mit Kohlensäure, Zusatz gewisser Salze, wie schwefelsaures, borsaures und kohlensaures Natron, Chlornatrium, schwefelsaure Magnesia, salpetersaures, essigsaures und kohlensaures Kali, Chlorkalium, weiter durch Zufügen geringer Mengen von kaustischem Kali oder Ammoniak, durch schwaches Ansäuern mit Essig- oder Salpetersäure und durch Zusatz von Zuckerwasser oder Gummilösung.
Völlig aufheben läßt sich die Gerinnung während des Lebens durch Injektion von Pepton in die Blutbahn, bei Aderlaßblut durch genaues Neutralisieren des angesäuerten Bluts mit Ammoniak oder durch andauernde Einwirkung von Ozon. Beschleunigen läßt sich die Gerinnung durch Erwärmen des Bluts über seine normale Temperatur hinaus. Eine eigentümliche Modifikation im Vorgang der Blutgerinnung ist die Bildung der sogen. Speckhaut (crusta phlogistica, Entzündungshaut) im Aderlaßblut.
Wenn nämlich die Ausscheidung des Faserstoffs aus irgend welchen Gründen sehr verzögert wird, so haben die Blutkörperchen Zeit, sich zu senken, bevor die Gerinnung eintritt. Erfolgt die letztere endlich, so wird die obere Schicht des Faserstoffs keine Blutkörperchen einschließen, also weißgrau erscheinen und sich stärker zusammenzieht. Diese weißgraue, über dem Cruor liegende Gerinnselschicht nennt man Speckhaut. Früher legte man der Erscheinung der Speckhaut große Bedeutung bei, indem man sie als pathognomonisches Zeichen einer im Körper bestehenden Entzündung auffaßte und darin eine Aufforderung sah, den Aderlaß vorzunehmen.
Neuerdings hat man sich allgemein davon überzeugt, daß die Speckhautbildung von gar keiner praktischen Bedeutung ist. In der Schnelligkeit, mit der das den Gefäßen entnommene Blut bei den verschiedenen Säugetieren gerinnt, bestehen übrigens so große Verschiedenheiten, daß z. B. beim Pferde [* 17] die Bildung einer umfangreichen Crusta ein durchaus physiologischer Vorgang ist. Hinsichtlich der Ursachen der Blutgerinnung hat erst die neuere Zeit ermittelt, daß der Faserstoff nicht als solcher in dem zirkulierenden Blut vorhanden sei, sondern aus einem gelösten Eiweißkörper (Fibrinogen) hervorgeht sobald ein zweiter Eiweißkörper, die fibrinoplastische Substanz, und ein dritter Körper, das Fibrinferment, zugegen sind.
Die fibrinoplastische Substanz ist identisch mit dem Paraglobulin. Das Fibrinferment ist im lebenden Blut nicht enthalten, sondern erst ein Produkt der abgestorbenen farblosen Blutkörperchen. Das seines Faserstoffs beraubte Plasma heißt Serum. Dieses läßt sich sehr einfach aus defibriniertem Blut gewinnen, indem man nur nötig hat, das Senken seiner geformten Bestandteile abzuwarten. Letzteres geschieht sehr schnell, wenn man die Flüssigkeit der Wirkung der Zentrifugalkraft [* 18] aussetzt.
Das Serum enthält alle Stoffe des Plasmas mit Ausnahme des Fibrins. Es stellt eine alkalische Flüssigkeit dar, die bei nüchternen Tieren völlig durchsichtig erscheint und schwach gelblich gefärbt ist. Nach reichlichem Fettgenuß nimmt das Serum eine mehr oder weniger starke milchige Trübung an; es enthält alsdann zahlreiche feine Fettkörnchen, die sich bei ruhigem Stehenlassen aus der Oberfläche in Form einer mehr oder weniger starken Rahmschicht absetzen. Von den gelösten Stoffen des Serums sind die Eiweißkörper in erster Linie zu nennen. Wir kennen als solche: Serumalbumin, ¶
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Blut
(Entstehung). Bei den wirbellosen Tieren hat man zweierlei Leibeshöhlen zu unterscheiden. Im einfachsten Fall ist zwischen Darm [* 19] und Haut [* 20] ein System von Hohlräumen vorhanden, welches die im Innern gelegenen andern Organe (Muskeln, [* 21] Geschlechtsorgane etc.) umgibt, welches die physiologische Funktion eines Blut- oder Lymphraumes hat, und welches entwickelungsgeschichtlich von dem Hohlraum der Blastula hergeleitet werden kann oder nach der Gastrulation durch Auseinanderrücken des Ektoderms und des Entoderms als Spaltraum (s. Ei, [* 22] Bd. 5) entstanden ist.
Dies ist die primäre Leibeshöhle, neben welcher sich bei andern Tieren noch geschlossene Hohlräume finden, die man als sekundäre Leibeshöhle bezeichnet. Letztere ist in ihrer entwickelungsgeschichtlichen Entstehung ganz unabhängig von der primären Leibeshöhle und tritt als Spaltraum in einer kompakten Masse von Mesodermzellen auf. Sie hat immer den physiologischen Charakter eines Exkretionsorgans und steht durch ausführende flimmernde Kanäle mit der Außenwelt in Verbindung. Denkt man sich die sekundäre Leibeshöhle so vergrößert, daß hauptsächlich durch diese der Raum zwischen Ektoderm und Entoderm eingenommen und daß die primäre Leibeshöhle auf ein System enger Kanäle und Lücken zurückgedrängt wird, so ergibt sich eine Organisation, wie sie bei den chätopoden Ringelwürmern und bei den Wirbeltieren thatsächlich vorhanden ist. Die Leibeshöhle der letztern ist ¶
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nach ihrem ursprünglichen physiologischen Charakter die sekundäre, das Blut- und Lymphgefäßsystem aber besteht aus den Resten der primären Leibeshöhle. Hiermit erklärt sich dann auch, daß das Lymphgefäßsystem jederseits an einer (Säugetiere) oder an mehreren (niedere Wirbeltiere) Stellen in das Blutgefäßsystem einmündet. Die angegebene phylogenetische Herleitung des Blut- und Lymphgefäßsystems findet ihre Bestätigung durch die Beobachtungen auf ontogenetischem Gebiet.
Der Embryo eines Wirbeltiers besteht nach der Ausbildung der Keimblätter aus folgenden Teilen. Er ist bedeckt von dem Ektoderm (Hautblatt, spätere Epidermis), [* 24] darunter liegt das Medullarrohr (Anlage des Gehirns und Rückenmarks), und diesem schmiegt sich an der Unterseite die Chorda (die erste stabförmige Anlage der Wirbelsäule) an. Unter der Chorda liegt das Entoderm (Darmdrüsenblatt, später Epithel des Darmkanals, der Lunge, [* 25] Leber und des Pankreas). Das Medullarrohr, die Chorda und die Anlage des Darmrohrs liegen in der Medianebene; seitlich schließt sich an dieselben das Mesoderm an, welches jederseits einen vom Kopf bis zum Schwanzende reichenden, mehr oder weniger breiten Mesodermstreifen bildet. An dem obern Teile dieses Streifens, welcher neben dem Medullarrohr und der Chorda liegt, grenzen sich zahlreiche aufeinander folgende Abschnitte, die sogen. Ursegmente, gegeneinander ab, welche hauptsächlich zur Bildung der Muskulatur bestimmt sind.
In dem übrigen Teile des Mesodermstreifens tritt eine Höhle auf, welche sich durch die ganze Länge des Rumpfteils des Embryos erstreckt. Diese Höhle, das Cölom oder die sekundäre Leibeshöhle, ist die noch einheitliche Anlage der Herz-, Brust- und Bauchhöhle. Die Zwischenräume zwischen allen genannten Organanlagen bilden dagegen die primäre Leibeshöhle, welche sich außerhalb der Mesodermstreifen, teils zwischen denselben und dem Ektoderm, teils zwischen den Mesodermstreifen und dem Medullarrohr, der Chorda und dem Ektoderm, findet.
Von den Mesodermstreifen lösen sich Zellen einzeln oder gruppenweise ab, dringen in die primäre Leibeshöhle ein und füllen dieselbe größtenteils aus. Diese Zellen, in ihrer Gesamtheit als Mesenchym oder Bildungsgewebe bezeichnet, erzeugen die mesenchymatischen Gewebe: [* 26] das Bindegewebe, die Wandung der Blut- und Lymphgefäße, alle lymphoiden Organe, Knochen, [* 27] Zahnbein, Knorpel [* 28] und gewisse Teile der Muskulatur. Die Zellen des Mesenchyms sind meist locker gelagert und durch feine pseudopodienförmige Ausläufer verbunden; mittels letzterer vermögen sie nach Art der Protozoen zu kriechen.
Was nun den Ursprung des Lymph- und Blutgefäßsystems von der primären Leibeshöhle betrifft, so ist hinsichtlich des erstern noch nicht sicher ermittelt, ob es wirklich (wenigstens teilweise) aus Resten der primären Leibeshöhle entsteht, welche bei der Einwucherung des Mesenchyms frei bleiben. Es ist dies aber sehr wahrscheinlich, und hinsichtlich des Blutgefäßsystems ist nachgewiesen, daß in gewissen Fällen manche der ersten Gefäße auf die Weise zu stande kommen, daß Teile der primären Leibeshöhle von den Zellen des Mesenchyms umschlossen werden.
Die angegebenen Thatsachen erklären die Entstehung der Hohlräume, in welchen und Lymphe fließen; es handelt sich nun noch um die Abstammung der Zellen, der Blut- und Lymphkörperchen (Leukocyten, weiße Blutkörperchen), welche jene Flüssigkeiten mit sich führen. Da ist festgestellt, daß die Blutflüssigkeit im Embryo anfangs frei von Blutkörperchen ist, und es scheint, daß auch die Lymphe zunächst und lange Zeit keine Zellen führt. Letztere werden von den Lymphdrüsen geliefert, und diese entstehen erst in spätern Stadien der Entwickelung im Mesenchym; an den betreffenden Stellen treten die Zellen desselben in lebhafte Teilung ein, und es bildet sich ein aus dicht gelagerten Zellen bestehendes Knötchen, welches erst allmählich sich scharf gegen das umgebende Bildungsgewebe abgrenzt; während es heranwächst, bilden seine Zellen einesteils das Netzwerk [* 29] der Drüse, andernteils die Follikularsubstanz, von welcher bekanntlich die Lymphzellen sich beständig ablösen.
Man kann also die Lymphdrüsen und überhaupt alle lymphoiden Organe auffassen als Teile des Mesenchyms, welche die Fähigkeit lebhafter Zellteilung beibehalten haben und das ganze Leben hindurch Zellen vom Charakter jugendlicher Mesenchymzellen liefern, während die andern Teile des Mesenchyms sich zu Bindegewebe und den andern mesenchymatischen Geweben differenzieren. Zu den erwähnten lymphoiden Organen sind nicht allein alle Lymphfollikel und Lymphdrüsen zu rechnen, sondern auch die Milz, das Knochenmark, das lymphoide Gewebe der Urniere und Kopfniere (bei Fischen), die Thymusdrüse etc. In allen diesen Organen entstehen Lymphkörperchen.
Die roten Blutkörperchen (Erythrocyten), welche im Embryo sehr früh auftreten, entstehen in sogen. soliden Gefäßanlagen; es differenziert sich im Mesenchym ein dichter Zellstrang, welcher mit Blutgefäßen in Verbindung tritt und für das Serum durchlässig wird, worauf dann die im Innern liegenden Zellen als Blutkörperchen allmählich fortgeschwemmt werden und eine periphere Lage von Zellen die Gefäßwand bildet. Insofern also auch hier aus einer kompakten Masse von Mesenchym die Zellen abgelöst werden, stimmt der Bildungsmodus der beim Embryo auftretenden ersten Blutkörperchen prinzipiell mit der Bildung der Lymphkörperchen überein.
Beim ausgebildeten Tier ist die Entstehung der roten Blutkörperchen an gewisse lymphoide Organe gebunden und zwar an das lymphoide Gewebe der Urniere (bei Fischen), die Milz (bei Fischen, urodelen Amphibien, Vögeln und Säugetieren) und das Knochenmark (bei anuren Amphibien, Vögeln und Säugetieren). Während man bisher glaubte, daß die roten Blutkörperchen in diesen Organen durch Umbildung von weißen entstünden, ist jetzt erwiesen, daß sie auf eigenartige Weise sich bilden, nämlich dadurch, daß sie aus kleinen Gefäßen sich ablösen und zwar ganz übereinstimmend mit der Bildung im Embryo. Es handelt sich auch hier um solide Gefäßanlagen, aus welchen die innern Zellen allmählich als Blutkörperchen weggeschwemmt werden. Dieser Vorgang findet in den lymphoiden Organen statt, weil sich hier noch ein Gewebe von embryonalem Charakter, sozusagen ein Rest des embryonalen Mesenchyms findet.
[Phagocyten.]
Häckel hatte beobachtet, daß die farblosen Blutkörperchen (Leukocyten) bei Wirbellosen nach Art der Amöben Fremdkörperpartikelchen aufzunehmen vermögen, und andre Forscher hatten diese Beobachtung bestätigt. Metschnikow fand dann, daß bei der Umbildung der Larven von Holothurien, [* 30] Seesternen und Seeigeln ganze Körperteile rückgebildet werden, und daß die Trümmer dieses Vorganges, verschieden große Eiweißkügelchen, von den Leukocyten aufgenommen werden. Metschnikow nannte letztere deshalb Freßzellen, Phagocyten. Kowalevsky und van Rees bestätigten die Beobachtung an Insektenlarven. Letzterer betonte besonders die aggressive Rolle der Leukocyten beim Zerfall der ¶
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Muskelfragmente. Es zeigte sich ferner, daß die Phagocyten auch in den Organismus gelangende Fremdkörper, Pilzsporen u. dgl., aufnehmen, welche in denselben der Verdauung anheimfallen. Hieraus schien sich zu ergeben, daß den Leukocyten eine überaus wichtige prophylaktische Rolle im tierischen Organismus zukommt, insofern sie auch Krankheitserreger, Bakterien, aufnehmen und zerstören (vgl. Phagocytose, Bd. 17). Metschnikow beobachtete dies bei Milzbrandbacillen, dem Streptococcus des Erysipels und den Spirillen des Rückfalltyphus.
Durch die Arbeiten von Heß wurde die Phagocytenlehre bestätigt, allein Baumgarten widerlegte alsbald die Hauptargumente Metschnikows, Flügge zeigte, daß die Leukocyten keine lebensfähigen, sondern nur durch die Einwirkung der Körpersäfte getötete oder abgeschwächte Bakterien aufnehmen, und Buchner konstatierte die bakterienlösende Wirkung des Blutserums. Looß fand dann ferner, daß zur Verflüssigung der bei der Metamorphose von Wirbeltieren zerfallenden Gewebe die verdauende Thätigkeit der Phagocyten nicht nötig sei, und daß dieselben nur gelegentlich Gewebsfragmente aufnehmen.
Die Gewebe des Batrachierschwanzes zerfallen selbständig und werden ohne Beihilfe der Leukocyten durch die Leibesflüssigkeit allein verdaut; nur wenn letztere hierzu nicht völlig im stande ist, treten die Leukocyten als Reservemacht zeitweise aushelfend ein, und namentlich scheinen sie einen schnellen und zweckmäßigen Transport der Zerfallsprodukte zu vermitteln. Eine ganz eigenartige Rolle kommt den Phagocyten aber doch zu. Bei der Auflösung der Gewebe wird stets Pigment in feinen Körnchen gebildet, und diese letztern, die in der Leibesflüssigkeit unlöslich sind, werden mit Vorliebe von den Leukocyten aufgenommen.
Looß fand am Ende eines Rückbildungsprozesses kaum noch Leukocyten, welche keine Pigmentkörnchen enthielten, und diese nun zu Pigmentzellen gewordenen Leukocyten wandern stets gegen die Oberfläche, dringen hier in die Epidermis ein und geben, indem sie zerfallen, ihr Pigment an die Epithelzellen ab. Auf diese Weise werden die im Organismus als Fremdkörper wirkenden Pigmentkörnchen nach außen geschafft, um mit der Regeneration der Epithelzellen aus dem Zellverbande gelöst zu werden. So erscheinen die Leukocyten als ein noch auf embryonaler Stufe stehendes Exkretionsorgan, welches in der Leibesflüssigkeit nicht lösbare Zerfallsprodukte der Gewebe aufnimmt und nach außen schafft. Je nach dem Bedürfnis an irgend einer Stelle des Körpers sammeln sie sich daselbst an, um ihre Funktion zu erfüllen, und wirken in dieser Weise geradezu regulierend auf den Stoffwechsel.
Über Hämoglobingehalt des Blutes s. Chirurgenkongreß.