Diese Bleivergiftung ist sehr selten, da sowohl bei selbstmörderischer als bei anderweit verbrecherischer Absicht
die schärfer wirkenden
Gifte bevorzugt werden und daher nur aus
Verwechselung einmal heftige
Grade der Bleivergiftung eintreten können.
Sehr gewöhnlich dagegen ist die chronische Bleivergiftung, die eigentliche Bleikrankheit der
Gewerbtreibenden. Vor allem werden von der Bleivergiftung ergriffen die
Arbeiter, welche mit der Fabrikation der
Bleipräparate, namentlich
des
Bleiweißes, beschäftigt sind; dann solche, welche mit Bleifarben umzugehen haben, wie Farbenreiber, Anstreicher etc.,
weiterhin solche, welche mit schmelzendem
Blei arbeiten, wie Schriftgießer,
Blei- und Silberhüttenleute
etc. Auch die mit festem metallischen
Blei umgehenden
Arbeiter, wie
Schriftsetzer, Schriftschneider, erkranken nicht selten
an Bleivergiftung.Ferner ist die Bleivergiftung beobachtet worden bei
Menschen, welche das durch bleihaltige
Röhren
[* 4] fließende
Wasser oder mit
Bleizucker
verfälschte
Weine getrunken hatten.
Unter solchen Umständen kann die Bleivergiftung sogar endemisch auftreten. Auch durch den
Genuß bleihaltigen
Mehls
(wenn die Vertiefungen der
Mühlsteine
[* 5] mit
Blei ausgefüllt werden), durch das
Schnupfen des in bleihaltiger
Zinnfolie verpackten
Schnupftabaks ist die Bleivergiftung erzeugt worden. Das
Blei wird also meistens in
Dampf- und Staubform eingeatmet und gelangt so in die
Luftwege, oder es wird mit dem
Speichel, beziehentlich mit der
Nahrung und den
Getränken hinabgeschluckt
und gelangt in den
Magen.
Individuen jeden
Alters sind für die Bleivergiftung fast gleich empfänglich.
Wer die
Krankheit einmal überstanden hat, bekommt sie sehr
leicht wieder, sobald er sich mit
Blei etc. zu schaffen macht. Die Bleivergiftung äußert sich zunächst
dadurch, daß das
Zahnfleisch schieferfarbig wird und einen bläulichen
Saum um die bräunlich oder schwärzlich gefärbten
Zähne
[* 6] bildet. Diese blaue
Farbe verbreitet sich später diffus oder fleckig über die Mundschleimhaut. Der
Mund wird trocken,
der
Appetit vermindert, der
Durst gesteigert. Der Kranke hat einen süßlich schrumpfenden
Geschmack im
Mund, sein
Atem ist eigentümlich übelriechend. Es treten allerhand Verdauungsstörungen ein:
Gefühl von Vollsein im
¶
mehr
Magen, Übelkeit, Aufstoßen etc. Die äußere Haut
[* 8] wird blaß und fahl, die Bindehaut des Auges erscheint schmutzig gefärbt,
das Gesicht
[* 9] ist mager und eingefallen. Der Puls ist klein, härtlich und selten, der Stuhlgang verzögert, trocken und hart,
der Harn wird in geringer Menge abgeschieden. Zu diesen mehr allgemeinen Symptomen gesellen sich die charakteristischen
Störungen des Nervensystems bei Bleikranken. Von ihnen tritt die sogen. Bleikolik (Malerkolik) am häufigsten und frühsten
ein.
Sie äußert sich durch Schmerzen im Unterleib, welche anfangs leise und herumschweifend, später heftig und aus gewisse Stellen
beschränkt sind, dann anfallsweise auftreten oder zeitweilig, namentlich des Nachts, besonders heftig
sind. Die Schmerzen sind außerordentlich quälend, durch Druck auf den Leib werden sie ein wenig gemildert. Der Leib ist dabei
manchmal stark eingezogen, in andern Fällen dagegen aufgebläht durch Darmgase. Gleichzeitig besteht hartnäckige, mehrere
Tage hindurch anhaltende und den gewöhnlichen eröffnenden Mitteln widerstehende Stuhlverstopfung.
Die mühsam entleerten Kotstückchen sind kugelig, hart, gelblich oder schwarzgrau gefärbt. Sehr selten
kommen Durchfälle, schleimige oder blutige Stühle vor. Bisweilen sind Harnbeschwerden, Harnverhaltung, Blasenkrampf zugegen.
Öfters sind auch die Atmungsbewegungen krampfhaft gehindert (Asthma saturninum); manchmal sind Ohnmachten, Schlaflosigkeit,
große Unruhe vorhanden. Mit diesen stürmischen Zufällen kontrastiert der seltene Puls, welcher nur 40-60 Schläge in der Minute
macht.
Fieber ist nicht vorhanden. Die Zunge ist feucht und blaß, der Durst gering. Die Bleikolik geht bei zweckmäßigem Verhalten
und bei entsprechender arzneiliche Behandlung ziemlich schnell unter Abgang reichlicher Kotmassen und Feuchtwerden der Haut
vorüber. Allein die Krankheit kehrt auch leicht zurück, wenn das vergiftende Blei nicht streng gemieden
wird, und dann wird die Krankheit mit jedem neuen Anfall immer schwerer heilbar. Es treten dann noch andre Symptome, namentlich
Gliederschmerzen (Rheumatismus saturninus), hinzu. Es sind dies lebhafte neuralgische Schmerzen in verschiedenen Gliedern, besonders
in den Waden, seltener im Rumpf, in den Lenden etc., welche periodisch, namentlich in der Nachtzeit, auftreten;
sie vermindern sich durch äußern Druck und Reibung,
[* 10] nehmen dagegen bisweilen durch Bewegung zu. Die sogen. Bleilähmungen betreffen
bald die Bewegungs-, bald die Empfindungsnerven und treten in den verschiedensten Nervengebieten auf.
Die eigentliche Bleilähmung befällt gewöhnlich einzelne Muskeln,
[* 11] besonders die Streckmuskeln der Arme, seltener der Beine,
und ist mit der Zusammenziehung der Glieder
[* 12] oder einzelner Finger nach der Seite der Beugemuskeln verbunden,
so daß die Finger gekrümmt, die Hände winkelförmig gegen die Innenfläche des Unterarms gebogen sind. Der Kranke kann das
gebogene Glied
[* 13] nicht willkürlich strecken, aber passiv läßt es sich meist ziemlich ausgiebig bewegen.
Diese Lähmung tritt nach und nach ein unter Schweregefühl, Müdigkeit, Unbehilflichkeit und leichtem
Zittern des kranken Gliedes, oder sie bleibt nach einem Anfall von Bleikolik zurück. Sie führt schließlich zu völligem Schwunde
der gelähmten Muskeln. Seltener kommen Lähmungen der Stimmwerkzeuge, der Brustmuskeln und andrer Teile sowie ein eigentümliches
Zittern über den ganzen Körper vor (Tremor saturninus). Zu den schwereren Fällen von Bleivergiftung treten späterhin
manchmal noch eigentümliche Gehirnaffektionen
hinzu, welche teils durch fallsuchtähnliche Krämpfe, teils durch Sinnesstörungen
aller Art, teils durch Betäubungszustände und verschiedenartige Seelenstörungen sich zu erkennen geben. Gewöhnlich werden
diese Gehirnleiden durch anhaltenden Schwindel, Kopfweh, Trübsinn und Verstandesschwäche angekündigt; erst nach
langem Bestand dieser Gehirnstörungen tritt der Tod ein. - Nach längerer Dauer der Bleivergiftung zeigt sich die sogen. Bleikachexie,
welche durch zunehmende Abmagerung des Körpers und Wassersucht den Tod herbeiführt. - Bei der Behandlung der Bleivergiftung ist es die
nächste Aufgabe, in akuten Fällen das Gift durch Brechmittel oder Magenpumpe zu entfernen, in chronischen
dagegen, den Kranken der fernern Einwirkung des Bleies zu entziehen; derselbe muß sein Gewerbe aufgeben oder bei dem Betrieb
desselben wenigstens die äußerste Sorgfalt und Reinlichkeit beobachten.
Ferner ist für eine zweckmäßige Diät zu sorgen; der Kranke soll besonders schleimige und fettige, einhüllende Speisen und
Getränke (Milch) genießen. Der Kranke (wie der Bleiarbeiter überhaupt) wasche und bade sich fleißig,
wechsele oft die Wäsche, befleißige sich überhaupt der größten Reinlichkeit, er sorge für warme Kleidung oder hüte
je nach den Umständen das Bett
[* 14] und halte sich in einer warmen und trocknen Wohnung auf. Zur Linderung der Schmerzen
und Krämpfe bei der Bleikolik sind die Opiate in jeder Form und nötigen Falls in dreister Dosis anzuwenden.
Gegen die Bleivergiftung selbst dienen teils einhüllende Mittel innerlich gegeben, wie warme Öle
[* 15] und Ölemulsionen (namentlich Rizinusöl),
teils Abführmittel von Kalomel, Jalappe, Sennesblättern etc., teils die Gegengifte des Bleies, namentlich die verschiedenen
Schwefelmittel. Von äußern Mitteln dienen besonders bei der Bleikolik ölige und reizende Klystiere sowie warme Umschläge
aus den Leib. Besonders aber sind warme Vollbäder, zumal die sogen. Schwefelbäder, bei allen
Formen der Bleikrankheit, vorzüglich aber bei veralteten Fällen, vom größten Nutzen. Gegen die Bleilähmungen ist die Anwendung
des elektrischen Stroms von anerkannter Wirkung.
Auf epidemische, bez. endemische Bleivergiftungen, welche von bleihaltigem Leitungswasser herrühren,
ist man in jüngster Zeit besonders aufmerksam geworden. Eine der interessantesten dieser Epidemien ist die 1886 in Dessau
[* 17] aufgetretene.
Es wurden daselbst zur öffentlichen Anzeige gebracht 92 Fälle, welche in 67 Häusern von 27 verschiedenen Straßen vorkamen.
Der Bleigehalt des Leitunqswassers betrug bis zu 20,3 mg im Liter. Von den Leitungen pflegen nun nur die
Hausleitungen, nicht aber die in den Straßen gelegten Röhren aus Blei herbestellt zu werden.
Daß gleichwohl bei der regelmäßig stattfindenden Entnahme von Wasser aus den Röhren im einzelnen Fall sehr gerinne Mengen
des in den Körper aufgenommenen BleisVergiftungen verursachen, hat seinen Grund darin, daß das Blei nicht
wie andre Gifte aus dem Körper wieder ausgeschieden wird. Dasselbe bleibt im Gegenteil im Organismus zurück, häuft sich darin
an und kommt erst zur Wirkung, wenn eine entsprechende Menge sich angesammelt hat. Bezüglich der zum Genuß
gelangenden Menge des Wassers ist auch der in Dessau beobachtete Fall zu beachten, daß zur Bierbereitung bleihaltiges Wasser
gebraucht sein kann. Es erkranken also auch Leute an Bleivergiftung, welche niemals Wasser trinken.
Hauptursache des Überganges von Blei in das Wasser ist große Weichheit (Armut an Kalksalzen) und verhältnismäßig großer
Kohlensäurereichtum desselben. Die Kohlensäure löst das Blei auf, ist aber das Wasser reich an Kalk, so
bindet sie sich an diesen. Da eine völlige Beseitigung der Bleirohre für die Hausleitungen nicht wohl thunlich ist, so
bestehen die Mittel zur Beseitigung der Gefahr der Bleivergiftung zunächst in der Anwendung verzinnter Bleiröhren, ferner
in Zusatz von Kalk zum Wasser im Reservoir, endlich in längerm Auslaufenlassen des Wassers aus dem Standrohrvor der Entnahme.
Bleikrankheit, Malerkrankheit, Saturnismus. Das Blei ist eins der schlimmsten Gifte, und die Vergiftungen
mit demselben sind wegen der vielfachen Verwendung dieses Metalls nicht selten. Am häufigsten ist die
Vergiftung mit Bleiweiß,
[* 18] ferner mit Bleiglätte und Mennige; doch kann jede Bleiverbindung sowie die Einführung von metallischem
Blei in den Körper Vergiftung zur Folge haben. Die letztere kommt dadurch zu stande, daß das in den Körper eingeführte
Blei sich außerordentlich leicht mit den Eiweißkörpern des Organismus verbindet, als Bleialbuminat
in die Blutmasse aufgenommen und dann in den verschiedensten Organen (Hirn, Leber, Nieren u. s. w.) deponiert wird, wodurch
es zu vielfachen Störungen der normalen Funktionen kommt. Am gefährlichsten ist die Einatmung bleihaltigen Staubes (in Bleihütten,
Silberhütten, Bleifabriken, bei Verpackung von Bleipräparaten u. s. w.). Hierbei gelangt der bleihaltige
Stoff teils in die Atmungswege, teils mischt er sich dem Speichel bei und wird mit diesem verschluckt.
Daher muß bei jenen Beschäftigungen die Mund- und Nasenöffnung durch angefeuchtetes Zeug verhüllt werden, und die Arbeiter
dürfen nur außerhalb des Arbeitsortes und nach Ausspülung des Mundes essen oder trinken. Zugleich
muß durch gute Ventilation für stetige Erneuerung der Luft gesorgt werden. Auch das häufige Angreifen bleihaltiger Stoffe
ist schädlich, daher Schriftsetzer und Schriftschleifer häufig an Bleikrankheiten leiden. Die Maler, Anstreicher und Farbenreiber
sind, wenn sie viel mit Bleifarben zu thun haben, der Vergiftung nicht minder ausgesetzt.
Schnupfen von Tabak,
[* 19] welcher in Blei verpackt war, ist zu meiden; ja selbst der Gebrauch bleierner Stockknöpfe oder Griffe
muß widerraten werden. Die Gefäße, in welchen die Speisen zubereitet werden, sind nicht selten bleihaltig. Stehenlassen
von sauern Speisen in Bleigefäßen oder solchen mit stark bleihaltigem Zinnbelege kann die Speisen giftig
machen. Geringer Bleigehalt des Belegs (unter 10 Proz. der Belegmasse) scheint jedoch nicht zu
schaden. Auch durch die Bleiröhren der Wasserleitungen hat man Bleivergiftung entstehen sehen, jedoch nur dann, wenn das Wasser längere
Zeit mit der Luft in Berührung in den Röhren der Reservoirs stagnierte;
zwar erteilen die Bleiröhren dem
Trinkwasser einen geringen Bleigehalt, wenn das letztere nicht schwefelsauren Kalk enthält, der das Blei als unlösliches
schwefelsaures Blei niederschlägt;
indessen ist dies bei gut fließendem Wasser ganz ohne Belang;
zudem greifen die harten
Wässer, welche Kohlensäure und kohlensauren Kalk gelöst enthalten, das Blei weniger an.
Ebenso veranlaßt der Genuß mit
Bleizucker verfälschter Weine sowie das Reinigen der Weinflaschen mit Schrot leicht Vergiftung. Oft sind Epidemien von Bleivergiftung durch
den Genuß von bleihaltigem Mehl
[* 20] dadurch entstanden, daß die Vertiefungen der Mühlsteine mit Blei ausgefüllt waren und
so beim Mahlen feinverteiltes metallisches Blei dem Mehl beigemischt wurde. Auch der medikamentöse Gebrauch des
Bleies kann in manchen Fällen verderblich werden.
Die Disposition zur Bleikrankheit ist eine verschiedene. Manche verfallen trotz des unvorsichtigen Umganges
mit bleihaltigen
Stoffen doch nicht der Vergiftung; bei andern tritt dieselbe sehr bald ein. Unmäßigkeit, Trunksucht und andere Excesse scheinen
die Disposition zu erhöben. Einmalige Erkrankung läßt eine große Geneigtheit zum Wiederausbruch der
Krankheit zurück, der selbst dann noch bei irgend einer Gelegenheitsursache erfolgen kann, wenn der Kranke längst nicht mehr
mit Blei zu thun gehabt hat.
Die Bleikrankheit ist fast immer eine chronische, d. h. lange dauernde, schleichende Krankheit, die jedoch von Zeit zu Zeit
heftigere Ausbrüche macht. Dieselbe kennzeichnet sich teils durch eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens
und der Ernährung des Gesamtkörpers (Bleikachexie, Bleianämie), teils noch durch besondere, charakteristische örtliche Störungen.
In ersterer Beziehung sind die allgemeine Abmagerung, schlechte, gelbliche Hautfarbe, Schlaffheit der Haut, Appetit- und Verdauungsstörungen,
trübe Gemütsstimmung, unruhiger Schlaf, Abnahme der Geistes- und Muskelkräfte zu erwähnen; auch kommen
öfters asthmatische Zufälle vor (Asthma saturninum).
Von den örtlichen Zeichen sind besonders folgende hervorzuheben: das Zahnfleisch entfärbt sich an der Grenze der Zähne,
wird bläulich, später fast grau, oft zugleich gewulstet und leicht blutend. Die Zähne nehmen eine schmutzigbläuliche Farbe
an, besonders nach der Wurzel
[* 21] hin. Daneben besteht häufig ein widerlicher, süßlicher, zusammenziehender
Geschmack und häßlicher Geruch aus dem Munde. Hierzu tritt in den meisten Fällen die sog. Bleikolik, d. d. heftigster, oft
unerträglicher Schmerz im Bauche, besonders in der Nabelgegend.
Starker Druck auf den Bauch
[* 22] lindert gewöhnlich die Schmerzen, die meist paroxysmenartig, in einzelnen, von schmerzlosen Pausen
unterbrochenen Anfällen auftreten. Dabei ist der Leib meist eingezogen, brettartig hart, der Stuhl hartnäckig
verstopft. Nächst den Koliken sind Gliederschmerzen (Rheumatismus saturninus) und Muskelkrämpfe besonders häufig. Sie treten
leicht nach Erkältungen und Überanstrengungen auf, am häufigsten in den Beinen. Nicht selten bleibt nach ihrem Verschwinden
teilweise Lähmung (sog. Bleilähmung) zurück, welche in schweren Fällen zum völligen Schwund der gelähmten
Muskeln führen kann.
Anästhesie, d. h. Empfindungslosigkeit einzelner Hautpartien oder Sinnesorgane (Blindheit, Taubheit) tritt häufig, jedoch
glücklicherweise meist nur vorübergehend auf; die Hautanästhesie besonders leicht an denjenigen Stellen, mit denen das
Blei direkt in Berührung kam. Schriftsetzer und Schriftschleifer leiden daher häufig an Empfindungslosigkeit
der Finger. Lähmungen einzelner Muskeln, besonders derjenigen, welche die Finger und die Hand
[* 23] strecken, werden sehr oft beobachtet;
daneben findet sich bisweilen ein eigentümliches Zittern des ganzen Körpers (Tremor saturninus).
Überhaupt treten die Lähmungen häufiger in den Armen als am übrigen Körper auf; bisweilen auch in den Stimmmuskeln (Stottern,
Stimmlosigkeit). Endlich sind noch die durch das Blei bewirkten Hirnstörungen, Delirien, Schlafsucht, allgemeine
Krämpfe (Bleiepilepsie) zu erwähnen. Die Bleikrankheit kann vollständig heilen, um so sicherer, je kürzere Zeit die Vergiftung
angedauert hat. Mit der Länge der Krankheit wird die Aussicht auf vollständige Heilung immer geringer. Der Tod erfolgt selten.
Ein Specifikum gegen die Krankheit, das die Wirkungen des Bleies aufheben könnte, giebt es
¶
mehr
nicht, allenfalls kann man durch den länger fortgesetzten Gebrauch des Jodkaliums die Ausscheidung des in den Körper eingeführten
Bleies etwas beschleunigen. Daher muß das Hauptgewicht auf die Verhütung der Krankheit gelegt werden. Die Verhütungsmaßregeln
ergeben sich aus den oben angeführten Ursachen der Bleivergiftung von selbst. Alle, welche mit Blei zu thun haben,
sollen mit besonderer Sorgfalt auf Reinlichkeit, guten Luftwechsel des Arbeitslokals, möglichst häufigen Wechsel der Beschäftigung,
Vermeidung aller Excesse, Erkältungen und Überanstrengungen halten.
Alle Bleiarbeiten sollen in hohen, luftigen Lokalen ausgeführt und die Arbeitszeit der einzelnen Arbeiter möglichst gekürzt
werden. Sobald sich die ersten Spuren der Krankheit zeigen, muß aller Umgang mit bleihaltigen Stoffen absolut
aufhören und der Kranke unter möglichst günstige Lebensverhältnisse gebracht werden, d. h. gesunde, leichte
Kost, gute Luft haben, fleißig baden u. s. w. Bei der akuten Form der Bleivergiftung reicht
man am zweckmäßigsten schwefelsaures Natron und schwefelsaure Magnesia, welche das Bleioxyd in eine unlösliche und daher
unschädliche schwefelsaure Verbindung überführen. Die einzelnen Symptome der chronischen Bleivergiftung erfordern
ihre besondere Behandlung. Gegen die Kolik und die Gliederschmerzen werden schmerzstillende Mittel, namentlich die Opiate, gegen
die Verstopfung Abführmittel, besonders Ricinusöl, gegen die Lähmungen Elektricität, gegen die allgemeinen Ernährungsstörungen
Chinarinde und Eisen
[* 25] nötig u. s. w. Von großem Nutzen sind warme Bäder, besonders Schwefelbäder. -
Vgl.
Tanquerel des Planches, Traité des maladies de plomb (2 Bde., Par.
1839);