Bithynien
,
alte Landschaft im nordwestlichen Kleinasien, welche gegen W. und N. von der Propontis (Marmarameer) und dem Pontos Euxinos (Schwarzes Meer), gegen S. vom Olympos (Keschisch Dagh) und etwa 40° nördl. Br. begrenzt war. Gegen O. trennte es der Parthenios (jetzt Bartan Su) von Paphlagonien; im S. waren die anstoßenden Länder Galatien, Phrygien und Mysien. Das Land ist im O. und S. mit waldreichen Gebirgen erfüllt (außer dem Olympos bei Prusa der Orminios, jetzt Ischik Dagh, im O.); die niedrigere und von fruchtbaren Thälern durchschnittene Westhälfte enthält einige große Landseen, wie den Askanischen (Isnik Göl), an dem Nikäa (Isnik), den Artynischen, an welchem Apollonia (Bullonia) lag.
Hier im W. schneiden auch zwei
Meerbusen tief ins
Festland ein: der von
Astakos
(Ismid Körfesi) und der von
Kios (Indschir
Liman).
Der Hauptstrom ist der
Sangarios
(Sakaria); außerdem der Billäos (jetzt
Filias) in der Osthälfte. Als
Hauptprodukte werden
Marmor, Schiffbauholz,
Getreide
[* 2] und
Hülsenfrüchte,
Feigen,
Wein und
Käse aufgeführt. In Bithynien
waren thrakische
Stämme angesiedelt, in zusammenhängender
Masse und unter eignen
Fürsten, Thyner und Bithyner genannt; erstere auch auf europäischem
Boden seßhaft, letztere wenig hervortretend, weil sie mehr landeinwärts wohnten in einem Gebiet,
das von den großen Verkehrsstraßen abseits lag. Unter den
Städten sind zu nennen: die von Athenern und Megarern gegründete
Kolonie
Astakos (auch
Olbia) am gleichnamigen
Golf, von
Lysimachos zerstört, worauf
Nikomedes die Bewohner etwas nördlicher in
Nikomedia (s. d.) ansiedelte, welches das ganze
Mittelalter hindurch
¶
mehr
blühte (jetzt Ismid). Daneben ist Nikäa (s. d.) zu nennen. Die von Europa
[* 4] her eingewanderten Thraker vermochten übrigens
die vorgefundenen Urbewohner keineswegs zu verdrängen. So hielten sich namentlich im O. die Mariandyner, einst Unterthanen
der dorischen Kolonie Heraklea, deren Sitten Spuren semitischen Einflusses zeigten. - Bithynien
bildete einen Bestandteil des lydischen
Reichs und wurde mit demselben von den Persern unterworfen, unter deren Herrschaft es zur Satrapie Phrygien gehörte. Die Zerrüttung
des Perserreichs unter Xerxes' Nachfolgern ermöglichte es dem einheimischen Fürstengeschlecht, sich fast unabhängig zu
machen. Nach dem Tod Alexanders d. Gr. fiel an Lysimachos. Nach dem Untergang des Reichs des letztern (281
v. Chr.) gelang es dem Fürsten der Bithyner, Nikomedes, die Selbständigkeit zu erringen und alle thrakischen Stämme zu dem
Königreich Bithynien
zu vereinigen Nikomedes I. (gest. 246) kämpfte mit Glück gegen Antiochos Soter, verbündete sich 275 mit den
Galatern und erweiterte sein Reich durch die Eroberung des nordöstlichen Teils von Phrygien.
Unter seinen Nachfolgern sind hervorzuheben: Prusias I. (236-186), der die Grenzen [* 5] des Reichs nach O. und W. erweiterte;
Prusias II. (gest. 148), der 184 den flüchtigen Hannibal aufnahm, aber nicht schützte, die pergamenischen Könige Eumenes II. und Attalos II. besiegte, von den Römern aber zum Frieden gezwungen wurde, und Nikomedes III. mit dem Beinamen Philopator, der von Mithridates zweimal vertrieben, von den Römern aber zurückgeführt wurde.
Bei seinem Tod (74) vermachte
er sein Reich den Römern, die es auch unter Lucullus gegen Mithridates behaupteten und zuerst mit der Provinz Asien,
[* 6] dann mit
Pontus vereinigten. Unter Augustus wurde Bithynien
eine Prokonsularprovinz, die aus zwei Hauptteilen bestand:
Bithynien
, westlich von der Propontis bis zum Sangarios, und Pontus, vom Sangarios bis Kytoros in Paphlagonien. Theodosius II. trennte
beide Teile wieder und nannte den östlichen nach seinem Oheim Honorias. 1074-1097 war das Land im Besitz der Seldschukken,
die es im ersten Kreuzzug an die Christen verloren. Während der Dauer des lateinischen Kaisertums in
Konstantinopel
[* 7] (1204-1261) war Nikäa in Bithynien
Sitz eines griechischen Kaisers. 1298 brach Osman in ein, und 1326 ward das eroberte
Prusa (Brussa) Hauptstadt des Reichs der Osmanen.