Bewässerun
gsgenossenschaften,
s. Bodenmelioration.
Bewässerungsgenossenschaften
3 Wörter, 52 Zeichen
Bewässerungsgenossenschaften,
s. Bodenmelioration.
(landwirtschaftliche), Bodenmeliorationspolitik. Der landwirtschaftliche Boden ist als produktiver Faktor der Volks- und ¶
Privatwirtschaft entweder reines Naturprodukt oder zugleich Arbeits- und Kapitalprodukt. Die Menschen können die natürlichen Produktionsbedingungen desselben dauernd verändern; sie können diese Bedingungen verbessern, aber auch verschlechtern. Im allgemeinen findet bei einem wirtschaftlich fortschreitenden Volk das erstere statt. Der heutige landwirtschaftliche Boden ist das Ergebnis jahrhundertelanger Verbesserungsarbeiten. Man unterscheidet in jener Hinsicht Bodenmeliorationen (Bodenverbesserungen) und Bodendeteriorationen (Bodenverschlechterungen). Jene sind dauernde Verbesserungen der natürlichen Produktionsbedingungen des landwirtschaftlichen Bodens durch Verwendung von Arbeit und Kapital oder Bodenanlagen, durch welche der Bodenertrag dauernd gesteigert wird; diese sind dauernde Verschlechterungen der natürlichen Produktionskraft des landwirtschaftlichen Bodens durch Handlungen der Menschen, z. B. Raubbau, Abholzungen etc.
Bodenmeliorationen (s. oben, S. 111) können ein wichtiges Förderungsmittel der Landwirtschaft sein. Sie bilden einen Hauptgegenstand der Agrarpolitik, weil eine Reihe derselben eine besondere Gesetzgebung und ein besonderes Verhalten der Staatsverwaltung erheischt. Man kann sie von verschiedenen Gesichtspunkten in Arten unterscheiden:
1) nach dem Zweck der Anlage in Urbarungen (Umwandlung von Wald, Moorland, Ödland etc. in Ackerland), Ent-
und Bewässerun
gsanlagen, Flußkorrektionen, Deichanlagen, Erdarbeiten zur Ausgleichung der Oberfläche, Mergelungen etc.;
2) nach dem Resultat in solche, durch welche neue Grundstücke für die landwirtschaftliche Produktion gewonnen werden, z. B. Flußkorrektionen, Entsumpfungen, Rodungen, Deichanlagen etc., und in solche, durch welche bereits der landwirtschaftlichen Produktion dienende Grundstücke nur in ihrer Produktivität erhöht werden, z. B. Drainage, [* 4] Bewässerung, Mergelung etc., und 3) nach ihrer Durchführbarkeit bezüglich des Objekts, je nachdem sie schon auf einem Gut ausführbar sind oder nur auf mehreren Gütern zugleich ausgeführt werden können, und bezüglich der Personen, je nachdem sie durch einen Landwirt oder nur durch mehrere Landwirte oder allein durch den Staat vorgenommen werden können. Es ist hier nicht die Aufgabe, die Vorteile und Nachteile der einzelnen Bodenmeliorationen, die Bedingungen ihrer rationellen Durchführung und die Technik der Anlagen darzustellen (s. darüber die landwirtschaftlichen Spezialartikel und Bodenbearbeitung, S. 111). Hier sollen nur die Grundsätze der rationellen Politik und die Geschichte der thatsächlichen Politik in Bezug auf Bodenmelioration behandelt werden.
Für das richtige Verhalten des Staats in Bezug auf Bodenmeliorationspolitik, damit die im Interesse der Land- und Volkswirtschaft nützlichen Bodenmeliorationen nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Kapitalien in möglichst hohem Maß vorgenommen werden, kommt die vorher ad 3) erwähnte Unterscheidung der in Betracht, ob die Bodenmelioration schon auf einem Gut oder nur auf mehreren Gütern oder überhaupt nicht mehr von Privaten ausführbar ist.
A) Bei den Bodenmeliorationen, die schon auf Einem Gut ausführbar sind, hat nur der einzelne Grundbesitzer den Vorteil. Hier ist es die richtige Politik, dem Einzelnen es zu überlassen, ob er in seinem Interesse die Bodenmelioration vornehmen will oder nicht. Hier ist weder eine direkte Unterstützung mit Staatsmitteln noch der Zwang zur Vornahme gerechtfertigt. Denn der Staat hat erstens nicht die Aufgabe, die wirtschaftliche Lage des Einzelnen auf Kosten andrer zu verbessern, wenn der Einzelne selber dazu die Fähigkeit hat.
Thut er es, so handelt er ungerecht gegen die Steuerzahler und gegen andre, die in gleicher Lage sind, und die er nicht unterstützt. Eine solche Politik hätte dazu den weitern Nachteil, daß der Staat dadurch einen der wichtigsten Hebel, [* 5] um die Landwirte zur energischen Besserung ihrer Wirtschaftsverhältnisse anzutreiben, beseitigt, nämlich die Gewißheit, auf ihre eigne Kraft [* 6] vertrauen und durch diese vorwärts kommen zu müssen. Und der Staat hat zweitens nicht das Recht, den Einzelnen zu zwingen, sich einen Vermögensvorteil zu schaffen, wenn derselbe diesen Vorteil nicht haben will.
Nur ganz ausnahmsweise könnte bei solchen Bodenmeliorationen die Gewährung von Vorschüssen, resp. Zuschüssen aus Staatsmitteln gerechtfertigt werden, z. B. wenn es darauf ankäme, durch das Beispiel einer gelungenen in einer Gegend andre Bodenmeliorationen derselben Art zu veranlassen, und ohne staatliche Unterstützung ein solches Beispiel nicht zu bewerkstelligen wäre. Zur Förderung dieser hat sich die Wirksamkeit des Staats zu beschränken auf die allgemeine Fürsorge für die Hebung [* 7] der landwirtschaftlichen Bildung, auf die nachher zu erwähnende Sorge für die Existenz von tüchtigen Kulturtechnikern, auf die wirkliche Erfüllung der allgemeinen Amtspflicht seiner Verwaltungsbeamten, ihren Einfluß und ihre Einsicht geltend zu machen zur Steigerung auch der privatwirtschaftlichen Thätigkeit der Bewohner ihres Bezirks, und auf die Sorge dafür, daß die Agrargesetzgebung der Vornahme solcher Bodenmelioration nicht hinderlich ist. Die Erlangung der für diese Bodenmelioration nötigen Kapitalien kann er endlich noch erleichtern durch die Errichtung von auch aus andern Gründen zweckmäßigen Landeskulturrentenbanken (s. d. und unten). Im übrigen aber muß es den Landwirten überlassen werden, ihr Interesse wahrzunehmen. Diese können ihrerseits durch landwirtschaftliche Vereine das meiste dazu beitragen, daß Bodenmeliorationen dieser Art, wo sie wünschenswert sind, zu stande kommen.
B) Eine andre Politik ist geboten, wenn Bodenmeliorationen nur möglich sind durch die gleichzeitige Beteiligung mehrerer Landwirte an denselben. Es handelt sich hier um größere, in der Regel kompliziertere und kostspieligere Unternehmungen; die hauptsächlichsten sind: die Entwässerung einer Gemeindemarkung, resp. größerer Teile derselben durch Drainanlagen, Abzugskanäle und Gräben, die regelmäßige Bewässerung von größern Wiesenkomplexen, die Kultivierung von gemeinsamen Hochmooren, die Entwässerung sumpfiger Ländereien oder Ableitung von Seen, welche gemeinsames Eigentum einer größern Zahl von Personen, resp. Gemeinden sind, die Anlagen zum Schutz einer größern Zahl von Ufergrundstücken gegen Überschwemmung etc. Bei diesen Bodenmeliorationen walten eigentümliche Verhältnisse ob. Sie sind einmal nur ausführbar in der Weise, daß die betreffenden Grundbesitzer eine Genossenschaft ad hoc (Meliorationsgenossenschaft) bilden, um gemeinsam nach einem vorher entworfenen, alle Grundstücke umfassenden einheitlichen Plan die Bodenmelioration vorzunehmen und die zur Sicherung der Bodenmelioration nötigen Anstalten dauernd zu unterhalten. Die Gründung solcher Genossenschaften ist aber bei voller Freiheit der Grundeigentümer, und wenn man sie lediglich den Einzelnen überläßt, sehr schwierig, in vielen Fällen geradezu unmöglich. Denn ¶
schon die erste Voraussetzung derselben, die Zustimmung aller Interessenten, wird sich, da in der Regel eine größere Zahl bäuerlicher Besitzer für die in Frage kommt, nur selten erreichen lassen. Dazu kommt, daß es diesen Personen gewöhnlich auch an der Initiative für solche Unternehmungen, an der Fähigkeit, den Plan zu entwerfen, oft auch an den bereiten Mitteln zur Ausführung desselben fehlt. Will man daher in einem Land nicht auf die Vornahme solcher Bodenmeliorationen in größerm Umfang verzichten, so bedarf es vor allem einer gesetzlichen Einschränkung der Freiheit der Grundeigentümer in der Richtung, daß unter Umständen ein Zwang gegen sie ausgeübt werden darf, an einer solchen Bodenmelioration sich mit zu beteiligen, resp. die für solche auf ihren Grundstücken notwendigen Anlagen zu dulden.
Über die Berechtigung eines solchen Zwanges, der nur ein Zwang gegen unverständigen Eigensinn ist, kann ein Zweifel nicht obwalten, wenn man festhält, daß jede Rechtsordnung die Gesamtinteressen und das Gesamtwohl der Bevölkerung [* 9] zu fördern hat und dem Grundeigentümer nicht Rechte eingeräumt werden dürfen, die berechtigte Gemeininteressen schädigen. Aber diese Maßregel allein ist noch nicht ausreichend. Die zur Förderung dieser Bodenmeliorationen gebotenen Maßregeln der Staatsgewalt sind einerseits Maßregeln der Gesetzgebung, anderseits der Verwaltung.
Zu den Maßregeln der Gesetzgebung gehört 1) im Interesse aller Ent- und Bewässerun
gsmeliorationen die
gesetzliche Regelung des sogen. Wasserrechts. Es bedarf insbesondere der Sicherung des natürlichen Ablaufs des Niederschlagwassers.
Kein Grundbesitzer, dessen Grundstück niedriger als andre gelegen ist, darf Veranstaltungen treffen, durch welche der natürliche
Wasserablauf von diesen auf sein Grundstück verhindert wird; kein Grundbesitzer, dessen Grundstück höher
als andre gelegen ist, darf diesen den natürlichen Wasserzufluß entziehen. Es bedarf ferner einer Regelung der Benutzung
stehenden und fließenden Wassers für Bewässerun
gsanlagen (Interesse der Schiffer, Flößer, Fischer, Müller und andrer Industriellen,
welche fließendes Wasser als Triebkraft für Motoren verwerten) sowie der Ableitung des Wassers bei künstlichen Entwässerungsanlagen
(s. Wasserrecht).
Eine weitere Maßregel ist 2) die Gewährung der Möglichkeit einer zwangsweisen Bildung von Meliorationsgenossenschaften, insbesondere von Ent- und Bewässerungsgenossenschaften (auch von Drainagegenossenschaften). Der Zwang kann aber kein absoluter sein, sondern muß von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht werden. Eine Voraussetzung ist die Existenz einer Majorität der Interessenten. Die Frage, wie der Gesetzgeber diese Majorität bestimmen soll (ob nur nach der Fläche oder nach der Kopfzahl oder nach Fläche und Kopfzahl, ob mit oder ohne Berücksichtigung des Werts der Grundstücke und weiter, ob absolute oder 3/5-, ⅔-, ¾-, 4/5 etc. Majorität), läßt sich nicht für jedes Land gleich entscheiden; es kommt auf Besitzverhältnisse, Intelligenz, Charakter, Rechtsanschauungen und Rechtsgewohnheiten der Bevölkerung an. Das maßgebende Prinzip muß aber sein, das Zustandekommen der Genossenschaften möglichst zu fördern, ohne die Interessen der Minorität zu verletzen.
Die Bildung der Majorität darf deshalb nicht zu schwierig sein. Im allgemeinen dürfte die absolute Majorität der Fläche, die zugleich den höhern Wert (nach dem Katastralreinertrag) repräsentiert, genügen und nur ausnahmsweise noch dazu die Forderung auch einer absoluten Majorität der Besitzer zu stellen sein, wo die Besitzunterschiede zwischen den Interessenten, welche die Genossenschaft bilden sollen, zu große sind. Zweckmäßig ist es, die Nichterscheinenden und Nichtabstimmenden von vornherein als zustimmend zu zählen.
Diese Normierung der Majorität dürfte um so weniger bedenklich sein, wenn das Gesetz als zweite Voraussetzung die obrigkeitliche Genehmigung des Plans vorschreibt. Der Zweck derselben ist die Prüfung, ob bei dem Plan die Interessen der Minorität gewahrt sind, und ob der Grund, der einen Zwang gegen Grundeigentümer rechtfertigt, vorliegt. Die obrigkeitliche Genehmigung ist deshalb auch nur dann zu geben, wenn nach Anhörung der Minorität (im Aufgebotsverfahren mit kontradiktorischer Verhandlung) festgestellt ist, daß der Plan ein gemeinnütziger ist, den Beitritt der Widerstrebenden aus technischen Gründen erfordert und das Interesse dieser nicht schädigt.
3) Für diese Zwangsgenossenschaften muß die Gesetzgebung ferner das Recht der juristischen Persönlichkeit gewähren und das Vorverfahren zur Begründung, die Kostenrepartition, die Einziehung der Beiträge (möglichst im Weg der administrativen Exekution), die Auflösung, die Liquidation und eventuell den Umfang der staatlichen Aussicht regeln.
4) Für freie (durch freie Vereinbarung der Beteiligten sich bildende) Meliorationsgenossenschaften ist obrigkeitliche Genehmigung nicht zu erfordern; die Gesetzgebung muß aber die Bedingungen zur Erlangung des Rechts der juristischen Persönlichkeit bestimmen, die Organisation, Auflösung, Liquidation etc. regeln.
Zu diesen Maßregeln der Gesetzgebung müssen sich folgende der Verwaltung gesellen:
1) Vor allem müssen die lokalen Verwaltungsbeamten (Landräte, Oberamtleute etc.), in deren Bezirk Bodenmeliorationen dieser Art angezeigt sind, es sich angelegen sein lassen, sie durch Verhandlungen mit den Interessenten zu stande zu bringen. Ihre Wirksamkeit in dieser Richtung wird wesentlich gefördert werden, wenn 2) für entsprechend große Bezirke vom Staat besondere Kulturtechniker (Kulturingenieure, Kulturinspektoren) mit amtlicher Eigenschaft ernannt werden, welche die Verwaltungsbeamten unterstützen, die Pläne entwerfen und die Ausführung übernehmen (s. Kulturtechnik), und 3) die Vorarbeiten für größere Unternehmungen zunächst auf Staatskosten angefertigt und diese Kosten unter Umständen ganz oder teilweise vom Staate definitiv getragen werden dürfen.
4) Die Geldmittel aber, welche für rationelle Bodenmeliorationen (das sind solche, die den Reinertrag so steigern, daß sich für das auf die Bodenmelioration verwendete Kapital eine Rente über den landesüblichen Kapitalzins und die Amortisationsquote hinaus ergibt) fehlen, können den Mitgliedern solcher Genossenschaften jederzeit in rationeller Kreditgewährung zugeführt werden, wenn Landeskulturrentenbanken als öffentliche Kreditvermittelungsinstitute bestehen. Ein Hauptzweck dieser Banken (s. Landeskulturrentenbanken) ist es auch, für Bodenmeliorationen, nachdem in zuverlässiger Weise festgestellt ist, daß der Reinertrag des Grundstücks durch die Bodenmelioration entsprechend gesteigert wird, das Kapital als ein unkündbares, allmählich zu amortisierendes hypothekarisches Darlehen zu geben.
5) Die Geschäftsführung größerer konzessionierter Meliorationsgenossenschaften erfordert unter Umständen eine obrigkeitliche Kontrolle. Diese wird in der Regel am wirksamsten dadurch bewerkstelligt werden, daß der Kulturtechniker oder ein sonstiger Verwaltungsbeamter Mitglied des Aufsichtsrats ist. ¶