(Berut), Hauptstadt des gleichnamigen türk.
Sandschaks in
Syrien, am
Mittelmeer unter 33° 54' nördl.
Br. amphitheatralisch
an einem Bergvorsprung des
Libanon gelegen, von dem man hier eine großartige
Ansicht hat. Die Stadt hat enge, krumme
Straßen,
aber große Vorstädte, welche ausgedehnte schöne
Gärten malerisch umgeben; sie gilt als der gesündeste
Ort der ganzen
Küste (regenreicher
Winter, durch
Seewinde gemilderte Sommerhitze). Dem Wassermangel hat seit 1875 eine Leitung
vom
Nahr el Kelb her abgeholfen. Die Einwohner, deren Zahl 80,000 betragen soll (1844 kaum 8000), sind zu etwa einem Dritteil
Mohammedaner, im übrigen
Christen der verschiedensten Bekenntnisse (darunter 600
Europäer),
Juden etc.
und zumeist wohlhabend. Sie
¶
mehr
betreiben starke Baumwoll- und Seidenzucht nebst zahlreichen Seiden- und Baumwollwebereien, fabrizieren Gold- und Silberarbeiten,
poröse, kühl haltende Töpfergeschirre etc., besonders aber beschäftigen sie sich mit Handel. Beirût ist (etwa seit 1840, durch
Einführung der Dampfschiffahrt) der wichtigste Hafenplatz und blühendste Handelsort Syriens, zugleich der Hafen von Damaskus,
dessen Waren durch Kamele
[* 4] und Maultiere hierher geschafft werden. Täglich fährt auf der 1863 eröffneten
Straße ein Eilwagen über den Libanon nach Damaskus. Beirût gilt bereits für eine Rivalin von Smyrna; der Hauptverkehr findet mit
Triest,
[* 5] London
[* 6] und Marseille
[* 7] statt.
Von Beirût aus gehen nach dem Innern: Leinen-, Baumwoll- und Wollwaren, französische Luxusartikel, Seidenwaren
und Tuche, Eisen- und Lederwaren, Reis, Kaffee, Droguen, türkische Mützen, Streichhölzer etc. Der Wert derEinfuhr betrug 1882: 45 Mill.
Frank, der der Ausfuhr 12 Mill. Fr. Zur Ausfuhr kommen besonders Rohseide, Asphalt, Rosinen, Getreide,
[* 8] Häute, Wolle etc. Der Hafenverkehr
belief sich 1882 auf 3808 Schiffe
[* 9] mit 391,980 Ton. (darunter 330 Dampfer mit 324,503 T.).
Leider ist der Hafen von Beirût der Versandung ausgesetzt, so daß größere Schiffe eine halbe Meile vom Land ankern müssen. Die
Messageries maritimes sollen indes die Verbesserung des Hafens auf ihre Kosten beabsichtigen. Die Stadt ist der Sitz eines griechischen
und eines maronitischen Bischofs und der Mittelpunkt der amerikanischen Mission für die Evangelisierung
Syriens, mit einer medizinischen Fakultät, einer Realschule, Buchdruckerei, astronomischem Observatorium etc., ebenso Sitz eines
deutschen Berufskonsuls. Ferner befinden sich dort ein deutsches und ein französisches Waisenhaus, ein prot. Knabeninstitut,
eine schottische Schule für Juden sowie (seit 1882) eine wissenschaftliche orientalische Gesellschaft und
eine maronitische Gesellschaft.
Beirût ist das Berytos der Alten, eine Seestadt der Phöniker, die zu Sidon gehörte. Später kam dieselbe in die Gewalt der Ägypter,
denen sie Antiochos der Große abnahm, worauf sie zu Syrien geschlagen wurde. Diodotos Tryphon verwüstete sie 140 v. Chr.; aber
von Agrippa genommen, wurde sie wiederhergestellt und durch mehrere Monumentalbauten verschönert. Augustus
verwandelte die Stadt in eine Militärkolonie (ColoniaJuliaAugustaFelix Berytus), welche bald die Pflegstätte einer berühmten
Rechtsschule wurde, die auch fortblühte, nachdem die Stadt mit fast sämtlichen Kunstdenkmälern im 4. Jahrh.
durch ein Erdbeben
[* 10] zerstört worden war.
In denZeiten der Kreuzzüge war Beirût bald in den Händen der Christen, bald in denen der Sarazenen. Bei der
ersten EroberungBeiruts durch Balduin I. 1110 wurde dem armen Volk der Stadt freier Abzug verheißen; die Genuesen aber überfielen
die entwaffnete Menge und metzelten sie nieder. Dafür ließ 1291 Pascha Schadschai, der Feldherr des SultansAschraf, die durch trügerische Verheißungen herausgelockten Bewohner von Beirût töten oder in Fesseln legen und die feste und
prachtvolle Burg schleifen.
Noch einmal, im 17. Jahrh., ward Beirût von dem Glanz einer politischen Bedeutung umstrahlt, als der letzte Zerstörer von Baalbek,
der große Emir der Drusen,
[* 11] Fakhreddin, hier seine Residenz hatte. Da die Maroniten auf alle Weise die Bemühungen
der Drusen in ihrer tapfern Verteidigung gegen die Türken unterstützten, so fiel Beirût erst 1763 in die Hände der letztern. Diese
Eroberung Beiruts öffnete den Türken die Thore des Gebirges, und die Drusen, welche
für ihren Handel mit Ägypten
[* 12] eines
Ausfuhrhafens bedurften, mußten sich zu einem Tribut an die Türken verstehen. Dennoch nahm der Handel seit jener Zeit ab. 1831 ward
Beirût von Ibrahim Pascha, dem Sohn MehemedAlis, erobert. Dann spielte es in der orientalischen Frage 1840 eine wichtige Rolle. Die
Feindseligkeiten der vereinigten englisch-österreichisch-türkischen Flotte gegen die ägyptischen Streitkräfte
in Syrien begannen 10. Sept. mit dem Bombardement von Beirût, das größtenteils zerstört und von den Ägyptern geräumt wurde.
oder Bairût, Hauptstadt eines asiat.-türk. Wilajets (13300 qkm mit 400000 E.) in Syrien und in neuerer Zeit
die wichtigste Seestadt dieser Provinz, liegt auf einem Küstenvorsprunge zwischen Saida (Sidon) und Tarabulus
(Tripolis) und wird schon von Abulfeda als der Hafen von Damaskus bezeichnet, mit dem es durch eine Kunststraße in Verbindung
steht. Anlage, Gebäude und Anstalten. Die Stadt steht am Abhange eines Hügels, gewährt die Aussicht auf den Libanon und
gilt, zumal seit Vollendung der Wasserleitung
[* 13] (1875), als der gesündeste
Ort der syr. Küste.
Die Altstadt hat meist enge, schlecht gepflasterte Straßen, ist aber von einer Menge von Vorstädten mit schönen Häusern
(Hotels) und Gärten umgeben. Keine türk. Ortschaft hat in neuerer Zeit einen ähnlichen Aufschwung
genommen wie Beirût. Die Einwohnerzahl beträgt (1889) 105400 E., darunter
etwa 2000 Europäer, unter denen die franz. Sprache
[* 14] vorherrscht. Es befinden sich in Beirût eine Quarantäne, ein Zollamt, engl.,
franz., russ. und türk. Postanstalten,
europ. Ärzte, eine Apotheke nach preuß. Muster, ein deutsches Waisenhaus mit Pensionat und prot.
Kapelle, amerik. Missionsstation mit Kirche, Jesuitenschule, zahlreiche Druckereien und Zeitungen, eine mediz.
Schule, Realschule und astron. Observatorium, ein prot. Knabeninstitut, franz. Waisenhaus
mit Schule und Pensionat (2000 Mädchen), Franziskanerkloster und viele Schulen aller Konfessionen.
[* 15] Beirût ist der
Sitz eines Paschas, eines griech. Bischofs, eines maronit. Erzbischofs und eines päpstl. Delegaten. Es giebt 23 Moscheen
und 36 christl. (evang., griech.-orthodoxe, armenisch-griech.-unierte)
Kirchen. Die Hauptmoschee von Beirût ist eine ehemalige christl.
Kirche aus der Kreuzfahrerzeit. Außerdem ist die Stadt der alte Sammelplatz der nach Mekka gehenden Karawanen, deren
Zahl hier seit Eröffnung des Sueskanals allerdings abgenommen hat, und der gewöhnliche Landungspunkt aller Reisenden nach
Syrien und Palästina
[* 16] mit zunehmendem internationalem Gepräge.
Industrie, Handel und Verkehr. Neben starker Seiden- und Baumwollweberei wird Gold- und Silberdrahtfabrikation
betrieben. Außerdem verfertigt man hier die in ganz Syrien und Ägypten berühmten, mit Nägeln verzierten bunten Koffer für
Leinenzeug, die namentlich zu Brautgeschenken dienen. Die Umgegend gewinnt ausgezeichnete Seide,
[* 17] Baumwolle
[* 18] und vortrefflichen
Tabak.
[* 19] Für diese Produkte finden auch die Drusen in Beirût ihren Hauptabsatzmarkt. Viel stärker ist die Einfuhr,
vor allem in Bekleidungsgegenständen, Nahrungsmitteln, Zucker,
[* 20] Bauholz, Tabak und Luxusartikeln. 1891 wertete die Einfuhr 51 Mill.,
die Ausfuhr 12,51 Mill. M. Die Imperial-Ottoman-Bank besitzt hier bereits seit 1865 eine bedeutende Filiale. 1893 wurde der
neue Hafen eröffnet; früher blieben die Schiffe auf der Reede oder in den verschiedenen Buchten der gegen
Osten sich ausdehnenden St. Georgsbai, in die von Süden her der Nahr Beirût (Magoras der Alten) und 10 km im Nordosten der Nahr
el-Kelb (bei den Alten Lykos) münden, an dessen Felswänden sich berühmte Skulpturen mit pers. Keilinschriften und ägypt.
Hieroglyphen sowie auch arab. Inschriften befinden. Von
¶
Geschichtliches. Die uralte phöniz.Hafenstadt Berytos wurde vom Syrer Diodotos Tryphon 140 v. Chr. zerstört, unter KaiserAugustus durch Agrippa wiederhergestellt und zu einer röm. Kolonie mit ital. Rechte und dem Namen Julia Augusta Felix erhoben.
Unter Caracalla erhielt sie den Beinamen Antoniniana. Später zeichnete sich Beirût durch seine Hohe Schule für
Rhetorik, Poetik und besonders für Rechtskunde aus. Der oström. KaiserTheodosius Ⅱ. erhob Beirût zu einer Metropolis.
Schon 349 durch Erdbeben verwüstet, wurde sie 20. Mai 529 durch ein solches völlig zerstört. Zur Zeit der Kreuzzüge hob sie
sich wieder. Damals bildete der Nahr el-Kelb die Grenze zwischen dem Königreich Jerusalem
[* 30] und der GrafschaftTripolis. An dem nur 2 m breiten Küstenpaß, der alten, in den Fels gehauenen Via Antoniniana, bekämpfte König Balduin Ⅰ.
die Saracenen und eroberte Beirût nach zweimonatiger Belagerung Im J. 1187 wurde sie von Paladin, 1197 von den Kreuzfahrern
eingenommen, 1291 von den Franken geräumt. In späterer Zeit war sie lange im Besitze der Drusen; der Drusenfürst
Fachr ed-din (1595‒1634) suchte europ. Kultur in Beirût zu verbreiten.
Durch Verrat kam die Stadt 1763 in die Hände der Türken. Eine russ. Flottille beschoß, eroberte und plünderte sie 1772. In der
orient. Angelegenheit von 1840 (s. Ägypten, Bd. 1, S. 248 b) spielte Beirût eine wichtige
Rolle; mit dem Bombardement der Stadt vom 10. bis 14. Sept. begannen die Feindseligkeiten der engl.-österr.-türk. Flotte gegen
die ägypt. Macht MehemedAlis in Syrien unter dem engl. Admiral Stopford. Größtenteils zerstört, wurde Beirût erst 9. Okt. von
Soliman Pascha geräumt und von den Truppen der Verbündeten besetzt. Infolge der Christenmetzelei in Damaskus 1860 siedelten
sich zahlreiche Flüchtlinge in an, und von dieser Zeit datiert der Aufschwung der Stadt.